Nach Einschätzung von Ökonomen ist mittelfristig ein Konjunktureinbruch zu erwarten, falls Russland Gas als strategische Waffe benutzt und nach den Wartungsarbeiten nicht wieder am 21. Juli den Betrieb aufnimmt.
Über die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland erfolgen seit Montagmorgen keine Lieferungen mehr, da die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 ist für lang angekündigte Wartungsarbeiten abgeschaltet worden ist. Bliebe das Gas auch danach aus, würde zwar nicht sofort der Gas-Notstand herrschen, doch das weitere Befüllen der Gasspeicher für den Winter wäre schwierig und spätestens 2023 müsste das Gas rationiert werden. Erneute Lockdowns der Wirtschaft würden folgen und die deutsche und die europäische Wirtschaft in eine tiefe Rezession abrutschen.
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Sollte der Gashahn auch nach dem 21. Juli geschlossen bleiben, müsste Deutschland wohl in absehbarer Zeit die dritte Stufe des Gasnotfallplans ausrufen, warnte ein weiterer Experte. Es würde dann kaum mehr ohne staatlich verordnete Rationierungen gehen und erhebliche wirtschaftliche Schäden drohen. Viele Firmen müssten dann ihre Produktion herunterfahren und die noch belieferten Abnehmer sähen sich wohl wie die privaten Haushalte mit sprunghaft steigenden Preisen konfrontiert.
Die in diesem Fall zu erwartenden massiven staatlichen Transferzahlungen verhinderten möglicherweise eine Pleitewelle der Unternehmen und stützten die Einkommen, aber ein Einbruch des Bruttoinlandsprodukts würde nicht verhindert, sondern dessen Folgen abgefedert.
Weil es einen derart drastischen Eingriff in die Wirtschaft in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben habe, lässt sich das Ausmaß eines solchen Einbruchs kaum abschätzen. Ökonomen könnten statt auf Erfahrungswerte nur auf modelltheoretische Schätzungen zurückgreifen. Eine schwere Rezession wie nach der Weltfinanzkrise sei aber sicherlich ein realistisches Szenario.
Die deutsche Wirtschaft war 2009 zum ersten Mal geschrumpft. Und das gleich kräftig: Beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) gab es ein Minus von 5,7 Prozent. Das war nach Angaben des Statistischen Bundesamtes bis dahin der stärkste Rückgang der Nachkriegszeit. Im ersten Corona-Jahr 2020 war das BIP um 4,6 Prozent gesunken. 2021 war es um 2,9 Prozent gestiegen.
Infineon-Aktie am Jahrestief
In einem solchen Szenario leiden konjunktursensitive Aktien am meisten. Dazu gehört etwa Infineon, die in diesem Jahr rund 44 Prozent an Wert verloren haben und damit einer der schwächsten DAX-Aktien sind. Nur Zalando und HelloFresh schneiden schlechter ab, sie büßten 63 beziehungsweise 51 Prozent in diesem Jahr ein. Infineon ist vor wenigen Tagen auf ein frisches Jahrestief bei rund 20 Euro gefallen. Aktuell stabilisiert sich der Titel, was der leicht steigende MACD (Momentum) bestätigt. Die charttechnische Situation bessert sich erst, wenn der Widerstand bei rund 25 Euro überwunden wird.