KASSEL/WIESBADEN (dpa-AFX) - Im Streit um die Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis droht dem Land Hessen eine Klage auf Schadenersatz von schätzungsweise 187 Millionen Euro. Die im März 2011 nach der Katastrophe von Fukushima angeordnete Stilllegung des AKWs für drei Monate sei rechtswidrig gewesen, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) am Mittwoch in Kassel.
Die Bundesregierung hatte damals unter dem Eindruck der Atom-Katastrophe in Japan das dreimonatige Moratorium verkündet. Das hessische Umweltministerium hatte es dann umgesetzt. RWE zog als bundesweit einziger AKW-Betreiber vor Gericht.
"RWE hätte ordnungsgemäß angehört werden müssen", erläuterte ein Gerichtssprecher die Entscheidung. Außerdem habe das Ministerium es versäumt, seinen Ermessensspielraum anzuwenden. RWE kündigte an, den Schaden genau zu klären. "Die Summe ist noch detailliert zu berechnen." Die beiden Blöcke A und B des südhessischen Kernkraftwerks sind später nach dem von der Bundesregierung beschlossenen endgültigen Atomausstieg dauerhaft vom Netz genommen worden.
"Wir werden die Urteilsbegründung abwarten", sagte eine RWE-Sprecherin. Dann könne als nächster Schritt die Klage auf Schadenersatz kommen. Der VGH habe klargemacht, dass es für das Abschalten der beiden Atommeiler "keine hinreichende Grundlage gegeben" habe. Gegen die Entscheidung ist keine Revision, aber Beschwerde zulässig.
Der hohe Schaden entsteht auch dadurch, dass Stromlieferungen langfristig vereinbart werden. Fällt ein Kraftwerk aus, muss der Betreiber zum Erfüllen der Verträge die Energie für viel Geld woanders beschaffen.
Biblis sei nach den "verbindlichen Vorgaben des Bundes" stillgelegt worden, sagte Hessens Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) und reichte die politische Verantwortung an Berlin weiter. Das Land Hessen habe rechtmäßig gehandelt. Eine langwierige Anhörung sei bei dem aus Sicherheitsgründen angeordneten Moratorium nicht "wochenlang" möglich gewesen. Eine Beschwerde gegen die Entscheidung werde geprüft.
Die SPD-Landtagsopposition forderte den Rücktritt Puttrichs. Der Abgeordnete Norbert Schmitt warf der CDU-Politikerin "haarsträubende Mängel" vor. Die Grünen kündigten dagegen an, zuerst das Urteil zu prüfen. Die Abgeordnete Angela Dorn forderte RWE auf, keinen Schadensersatz geltend zu machen./tom/jba/DP/she
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