Samstag, 21.07.2018 10:30 von Klaus Stopp | Aufrufe: 199

Theresa May in der Zwickmühle

Dass Theresa May eine Getriebene ist, zeigt der Umstand, wie sie sich von einem Kompromiss zum nächsten zu hangeln versucht. Proeuropäische Rebellen aus ihrer Tory-Fraktion wollten Großbritannien zu Verhandlungen für eine Zollunion mit der EU verpflichten, falls es bis Anfang 2019 nicht gelingen sollte, mit Brüssel eine Freihandelszone zu vereinbaren. Dass es nicht dazu kam, konnte die britische Premierministerin, die eine Zollunion strikt ablehnt, mit knapper Not oder einer Mehrheit von gerade mal drei Stimmen abwenden. Abweichlern hat sie offenbar mit Neuwahlen gedroht, berichteten die britischen Tageszeitungen "The Times" und "The Guardian".

Aufgrund der hauchdünnen Mehrheit, mit der May regiert, ist ihre Regierung immer wieder anfällig für Störungen von allen Seiten. Nachdem sie zunächst durchgesetzt hatte, eine Freihandelszone mit der EU anzustreben, musste sie den Rücktritt von zwei auf harte Linie getrimmten Ministern hinnehmen. Dann kam May den konservativen Brexit-Hardlinern unter Führung von Jacob Rees-Mogg wieder entgegen, indem sie mehrere Änderungsanträge zum neuen Zollgesetz (Customs Bill) akzeptierte. Damit aber stieß sie nicht nur den proeuropäischen Abgeordneten in ihrer Fraktion vor den Kopf.

So strebt May ein kompliziertes Zollabkommen an, bei dem Großbritannien an seinen Häfen zwei verschiedene Zollsätze erheben soll – zum einen für Waren in die EU und zum anderen für Güter, die in Großbritannien bleiben. Auf diese Weise will London Grenzkontrollen am Ärmelkanal sowie zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindern.

Dieser Ansatz, den die Hardliner unter den Brexiteers als zu weiche Lösung verunglimpft haben, dürfte aber nun nicht mehr realisierbar sein. Denn durch die neuen Änderungszusätze soll das Zollabkommen mit der EU davon abhängig gemacht werden, inwieweit Brüssel bereit ist, an den EU-Außengrenzen ebenfalls zwei unterschiedliche Zollsätze zu erheben. Darauf aber wird sich Brüssel nicht einlassen können, was sicher auch Rees-Mogg bewusst ist. Die Situation für Großbritannien, das am 29. März 2019 die EU verlassen will, ist damit verfahrener als je zuvor. Man darf gespannt sein, ob sich Theresa May aus dieser Zwickmühle noch herausmanövrieren kann.

Ein harter Brexit hätte indessen gravierende Auswirkungen auf die Geldpolitik. Wie der britische Notenbankchef Mark Carney sagte, müssten dann die konjunkturellen Aussichten und Zinsen neu bewertet werden. Im Falle des Scheiterns eines Übergangsabkommens mit der EU müsste sich Großbritannien auf die Handelsbestimmungen der WTO einlassen. Und bei diesen Regeln, da ließ Carney keine Zweifel aufkommen, wäre sein Land schlechter gestellt als bisher im Rahmen der EU.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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