Donnerstag, 08.12.2022 13:21 von Gerd Kommer | Aufrufe: 393

Kaufen oder mieten? – Eigenheim vs. Weltportfolio

Wir beschäftigen uns aus rationaler Sicht mit der Gretchenfrage der Altersvorsorge: Kaufen oder Mieten?

Sollte man besser kaufen oder mieten? Die Frage, ob man sich zu Lebzeiten ein Eigenheim (Wohnung oder Haus) kaufen soll, beschäftigt fast jeden Menschen in unseren Gefilden irgendwann. Für viele Haushalte ist ein Eigenheimkauf eine der größten finanziellen Entscheidung in ihrem ganzen Leben.

Die Auffassung, es sei eigentlich immer der schlauere, weil rentablere Weg, zum Eigentum statt zur Miete zu wohnen, ist weit verbreitet. Wir hören dieses Mantra seit Jahrzehnten von der Immobilienbranche, von Banken, von Politikern, von Finanzjournalisten und überwiegend auch von den Menschen, die uns nahestehen: Eltern, Großeltern, Geschwister, Freunde und Kollegen – und gefühlt jeder hat eine starke Meinung zu dem Thema. In den letzten rund 15 Jahren schien das Mantra ja auch zu stimmen: Die Immobilienpreise stiegen immer weiter und die Zinsen fielen auf ein historisches Niedrigstniveau. Mit Eigenheimbesitz tolle Renditen zu erzielen schien ein Nobrainer zu sein und Mieten nur etwas für die Armen oder Dummen.

In Wirklichkeit hat das Mantra "Kaufen ist fast immer wirtschaftlich schlauer als Mieten" in dieser Form nie gestimmt. Und für das vor uns liegende Jahrzehnt könnte es besonders falsch sein. Dieser Artikel wird das vor dem Hintergrund nüchterner historischer Daten und ein bisschen Sachlogik zu zeigen.

Gerd Kommer hat mit seinem 2021 in der dritten Auflage erschienenen Ratgeberbuch "Kaufen oder Mieten – wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen" ("KOM") einen Ratgeber ins Leben gerufen, der die Frage "Kaufen oder Mieten?" in für ihn gewohnt kühl-rationaler und strikt wissenschaftlicher Manier untersucht. Dabei befasst er sich mit Lifestyle-Argumenten für und gegen Eigenheimbesitz genauso wie mit wirtschaftlichen Argumenten.

In diesem Artikel haben wir die wichtigsten Argumente aus KOM kurz und knackig zusammengefasst. Der Beitrag ist zwar auch für unsere Verhältnisse noch recht lang, doch ist auch der zugrunde liegende Sachverhalt anspruchsvoll, was die Länge dieses Textes rechtfertigt und man ist damit allemal schneller durch als mit dem Buch.

Die Frage, ob man besser Mieter bleiben oder sich zum Eigenheimbesitzer "upgraden" soll, lässt sich auf zwei Hauptaspekte herunterbrechen: Einmal wäre da der ökonomische und einmal der Lifestyle-Blickwinkel; man könnte auch sagen die emotionale Seite. Zunächst schauen wir uns die reinen Zahlen an; danach die Lifestyle-Argumente.

So, jetzt legen wir aber auch endlich los: Soll ich kaufen oder mieten?

Über die Renditen von Kaufen und Mieten

Wenn man Umfragen Glauben schenken darf, dann ist für die Mehrheit der (angehenden) Eigenheimbesitzer ("EHB") der finanzielle Aspekt für den Eigenheimwunsch wichtiger als der Lifestyle-Aspekt. Aufgrund der weitreichenden Folgen eines Immobilienkaufs für Otto-Normal-Verdiener überrascht das nicht. Deshalb geht es jetzt direkt ans Eingemachte: Wir vergleichen die Renditen, die für EHB und Mieter über die letzten Jahrzehnte unter sonst gleichen Umständen zu holen war. Herzstück dieses Vergleichs sind die jeweiligen Endvermögenswerte unserer beiden "Wettkämpfer", d. h. wer – EHB oder Mieter – am Ende der jeweiligen Betrachtungsperiode wieviel Nettovermögen (Bruttovermögen abzüglich Schulden) erreicht hat. Darauf basierend können wir eine Aussage darüber treffen, was rentabler war: Kaufen oder mieten.

Annahmen unseres Kaufen-oder-mieten-Vergleichs

Aus Platzgründen beschränken wir uns in diesem Artikel auf eine vereinfachte Form des Vergleichs, den Gerd Kommer in KOM durchgeführt hat. Wir verzichten darauf, die historischen Datensätze und Indizes, auf denen der Vergleich basiert, näher zu beschreiben, weil das den Rahmen unseres Beitrags sprengen würde. Wen dieser Aspekt näher interessiert, der sollte das Buch lesen.

Um einen fairen Vergleich anstellen zu können, müssen natürlich bei beiden Haushalten dieselben Zahlungsströme unterstellt werden, d. h. alles Geld, das ein EHB in seine Immobilie steckt, investiert der konkurrierende Mieter, der eine identische Wohnung mietet, in ein global diversifiziertes Kapitalmarktportfolio bestehend aus Aktien und Anleihen ("Weltportfolio") auf Buy-and-hold-Basis. (Wie ein solches aufgesetzt wird, zeigen wir in unserem Blog-Beitrag "Passiv investieren – die Basics".)

In der folgenden Tabelle haben wir die relevanten Zahlungsströme von EHB und Mieter veranschaulicht. Den negativen Cash-Flows (Aufwand) in roter Farbe haben wir ein Minuszeichen, den positiven Cash-Flows (Erträge) in schwarzer Farbe ein Pluszeichen vorangesetzt.

Tabelle 1: Vergleich der Zahlungsströme zwischen Eigenheimbesitzer und Mieter

Eigenheimbesitzer (EHB)

Mieter

Immobilienkaufpreis zzgl. Kaufnebenkosten [1]

– Instandhaltungskosten

Kreditannuität (Zins + Tilg.) (bei Fremd-

kapitalfinanzierung)

+ Verkaufserlös Eigenheim abzgl. Verkaufskosten [2] [3]

– Kaufpreis anfängliches Kapitalmarktinvestment zzgl. Kaufnebenkosten [1]

– Kaufpreis fortlaufende Kapitalmarktinvestments zzgl. Kaufnebenkosten [1]

+ Laufende Erträge Kapitalmarktinvestments abzgl. Abgeltungsteuer

Miete

+ Verkaufserlös Kapitalmarktinvestments abzgl. Verkaufskosten [2]

Abgeltungsteuer auf Kursgewinne [3]

Quelle: Kaufen oder Mieten – wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen von Gerd Kommer /// [1] Kaufnebenkosten sind bei Immobilien 10- bis 20-mal so hoch wie bei Kapitalmarktinvestment per ETFs /// [2] Verkaufskosten bei Immobilien sind in der Regel deutlich höher als bei Kapitalmarktinvestments /// [3] Bei Eigenheimen, die sich steuerlich im Privatvermögen befinden, fallen in Deutschland normalerweise keine Steuern auf Wertsteigerungsgewinne an. Bei Kapitalmarktanlagen unterliegen Kursgewinne der Abgeltungsteuer – normalerweise 26,4% (und ggf. zzgl. Kirchensteuer).

In Prosa heißt das: Der EHB kauft zu Beginn unseres 30-jährigen Betrachtungszeitraums eine Immobilie aus Eigen- und Fremdkapital, stottert seinen Immobilienkredit ab und investiert immer brav in die notwendige Instandhaltung, um am Ende der Vergleichsperiode das Eigenheim wieder zu verkaufen (ein Verkauf ist für finanzmathematische Vergleichszwecke notwendig). Der Mieter hingegen legt anfänglich denselben Eigenkapitalbetrag am Kapitalmarkt in einem 60/40-Weltportfolio aus Aktien und Anleihen an, zahlt jeden Monat pflichtgetreu seine Miete und investiert den Mehrbetrag, den er im Vergleich zum EHB jeden Monat übrighat, ebenfalls in sein Weltportfolio. Dieses veräußert er am Ende der Betrachtungsperiode ebenfalls.

Die resultierenden Kontostände von Mieter und EHB lassen dann eine Schlussfolgerung darüber zu, wer ökonomisch gesehen mit seiner Geldanlage- und Altersvorsorge-Lösung besser performt hat. Falls beim EHB am Ende der Betrachtungsperiode noch Schulden bestehen, werden diese natürlich abgezogen, denn es geht um das Nettovermögen.

Bevor wir uns aber konkret ansehen, wer historisch gesehen die Renditenase vorne hatte, hier noch einige Annahmen, die unserem Vergleich zugrunde liegen, im Schweinsgalopp:

  • Mieter und EHB leben in einer identischen Immobilie ("Apfel-Apfel-Vergleich");
  • die Immobilie des EHB kostet 100.000 Euro und die Nebenkosten belaufen sich auf 8.650 Euro, die er zu 30% aus Eigenkapital (32.595 Euro) und zu 70% aus Fremdkapital (76.055 Euro) finanziert (den unrealistisch niedrigen Betrag von 100.000 Euro verwenden wir aus Einfachheitsgründen; würde man stattdessen z. B. eine Million Euro annehmen, hätte das keinen Einfluss auf das relative Endergebnis);
  • der Mieter investiert den vom EHB eingangs aufgewendeten Eigenkapital-Anteil von 32.595 Euro in ein 60/40-Weltportfolio bestehend aus 60% Aktien und 40% Anleihen (die 60/40-Aufteilung haben wir deshalb gewählt, weil sie in Bezug auf ihr Risiko gut mit Immobilien vergleichbar ist);
  • die Miete ist aus den historischen Bruttomietrenditen für Wohnimmobilien abgeleitet (Bulwiengesa-Daten, die 1970 beginnen);
  • die Wertsteigerung der Immobilie entspricht dem Hauspreisindex für Deutschland (bis 2006 Bulwiengesa, danach Europace);
  • für alle anderen Variablen (z. B. Instandhaltungskosten oder Kauf-/Verkaufskosten) haben wir Größenordnungen angesetzt, die in der Fachliteratur belegt.

Kaufen-oder-mieten – das Renditeduell

Jetzt, da wir die Weichen für unseren Vergleich gestellt haben, präsentieren wir in Tabelle 2 zehn historische Kaufen-oder-mieten-Vergleichsrechnungen inklusive sofortiger Siegerehrung:

Tabelle 2: Vergleich des Endvermögens zwischen Eigenheimbesitzer und Mieter (für zehn sich teilweise überlappende Teilzeiträume zwischen 1970 und 2020)

 

Fall 1

(30 Jahre):

1970 bis 1999

Fall 2

(30 Jahre):

1975

bis 2004

Fall 3

(30 Jahre):

1980 bis 2009

Fall 4

(30 Jahre):

1985 bis 2014

Fall 5

(30 Jahre):

1990 bis 2019

Eigenheimbesitzer

 

 

 

 

 

Einzahlungen gesamt

–€ 330.000

–€ 306.000

–€ 312.000

–€ 280.000

–€ 280.000

Vermögensendwert

€ 253.000

€ 176.000

€ 136.000

€ 144.000

€ 200.000

Mieter

 

 

 

 

 

Einzahlungen gesamt

–€ 330.000

–€ 306.000

–€ 312.000

–€ 280.000

–€ 280.000

Vermögensendwert

€ 682.000

€ 624.000

€ 535.000

€ 411.000

€ 385.000

Der "Gewinner" ist …

Mieter

Mieter

Mieter

Mieter

Mieter

 

 

Fall 6

(26 Jahre):

1995 bis 2020

Fall 7

(21 Jahre):

2000

bis 2020

Fall 8

(16 Jahre):

2005 bis 2020

Fall 9

(11 Jahre):

2010 bis 2020

Fall 10

(6 Jahre):

2015 bis 2020

Eigenheimbesitzer

 

 

 

 

 

Einzahlungen gesamt

–€ 216.000

–€ 173.000

–€ 123.000

–€ 95.000

–€ 65.000

Vermögensendwert

€ 162.000

€ 152.000

€ 142.000

€ 135.000

€ 93.000

Mieter

 

 

 

 

 

Einzahlungen gesamt

–€ 216.000

–€ 173.000

–€ 123.000

–€ 95.000

–€ 65.000

Vermögensendwert

€ 285.000

€ 149.000

€ 104.000

€ 81.000

€ 54.000

Der "Gewinner" ist …

Mieter

/

EHB

EHB

EHB

Quelle: Kaufen oder Mieten – wie Sie für sich die richtige Entscheidung treffen von Gerd Kommer /// Alle Zahlen nominal, d. h. inklusive Inflation /// Vermögensendwert in allen zehn Fällen jeweils per Ende des in der Kopfzeile der Tabelle angegebenen Zeitraums, also z. B. per Ende 1999 in Fall 1 /// Da eine 30-jährige Kreditlaufzeit bis zur Volltilgung unterstellt wird, verbleibt in den Fällen 6 bis 10 beim EHB eine Restkreditschuld, die vom Marktwert der Immobilie am Ende des Betrachtungszeitraums abgezogen wird oder, mit anderen Worten: Die Restschuld ist im angegebenen Vermögensendwert enthalten

Die wesentlichen Schlussfolgerungen aus dem Rendite- bzw. Endvermögensvergleich in der Tabelle lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • In den ersten sechs von zehn Fällen lag der Mieter beim Endvermögen vorne;
  • Im siebten Fall haben wir aufgrund der geringen Unterschiede ein Unentschieden;
  • Die drei von zehn Fälle, in denen der EHB vorne lag, beziehen sich alle auf jüngere Zeiträume von 2005 bis 2020, in denen deutsche Wohnimmobilien ungewöhnlich hohe Wertsteigerungen zu verbuchen hatten und Kreditzinsen ungewöhnlich niedrig waren;
  • In absoluten Zahlen ist der Vorsprung des EHBs in den Fällen 8 bis 10 im Vergleich zum Vorsprung des Mieters in den Fällen 1 bis 6 vergleichsweise klein. Zwar hat das auch mit den hier kürzeren Auswertungszeiträumen zu tun, doch muss man diese Fälle in der Gesamtperspektive dennoch geringer gewichten, denn sie sind aufgrund des kleineren absoluten Unterschiedes unter den zehn Fällen "weniger bedeutsam".

Mieten kann somit – ökonomisch-historisch gesehen – genauso attraktiv sein wie Kaufen und war in den zurückliegenden 51 Jahren häufig sogar die finanziell attraktivere Alternative zum Eigenheim. Wer primär darauf bedacht ist, das Meiste aus seinem Geld zu machen, wird also im Erwartungswert mit Mieten besser fahren als mit Kaufen.

Doch da Geld bekanntlich nicht alles ist, beleuchten wir im nächsten Schritt verschiedene Lifestyle-Argumente für die für so viele schwerwiegende Kaufen-oder-mieten-Entscheidung.

Über Lifestyle-Aspekte von Kaufen und Mieten

Geldanlage hat zwar in den meisten Fällen zum Ziel, bei gegebenem Risiko die Rendite zu maximieren, doch der damit erzielte Vermögenszugewinn ist letztlich immer nur Mittel zum Zweck: Im Grunde geht es darum, wieviel mehr an Lebenszufriedenheit man mit dem neu gewonnenen Geld erzielen kann. Aus diesem Grund schauen wir uns im Folgenden jeweils drei Argumente für Kaufen bzw. Mieten aus der Sicht eines Haushalts an, der seine Lebenszufriedenheit (und nicht nur seine Rendite) maximieren möchte:

Lifestyle-Argumente pro Kaufen


Über den Autor

RSS-Feed


Gerd Kommer Invest GmbH
Dr. Gerd Kommer ist Geschäftsführer der Gerd Kommer Invest GmbH, München. Das Unternehmen berät vermögende Privatkunden, Family Offices und Stiftungen in ihren Finanzangelegenheiten. Bis Ende 2016 war Kommer 24 Jahre bei europäischen Großbanken und Asset Managern tätig; zuletzt als Leiter der Niederlassung London und Global Head of Infrastructure & Asset Finance der FMS Wertmanagement, ein Asset Manager, der dem deutschen Staat gehört. In dieser Position verantwortete er ein Portfolio aus strukturierten Krediten und Anleihen im Volumen von 16 Mrd. Euro. Kommer hat mehrere Bücher zu Investmentthemen veröffentlicht. Er studierte BWL, Steuerrecht und Politikwissenschaft in Deutschland, USA und Liechtenstein.
Werbung

Mehr Nachrichten kostenlos abonnieren

E-Mail-Adresse
Benachrichtigungen von ARIVA.DE
(Mit der Bestellung akzeptierst du die Datenschutzhinweise)

Hinweis: ARIVA.DE veröffentlicht in dieser Rubrik Analysen, Kolumnen und Nachrichten aus verschiedenen Quellen. Die ARIVA.DE AG ist nicht verantwortlich für Inhalte, die erkennbar von Dritten in den „News“-Bereich dieser Webseite eingestellt worden sind, und macht sich diese nicht zu Eigen. Diese Inhalte sind insbesondere durch eine entsprechende „von“-Kennzeichnung unterhalb der Artikelüberschrift und/oder durch den Link „Um den vollständigen Artikel zu lesen, klicken Sie bitte hier.“ erkennbar; verantwortlich für diese Inhalte ist allein der genannte Dritte.