Das Euro-Zeichen vor der EZB in Frankfurt.
Samstag, 02.11.2013 10:05 von | Aufrufe: 651

HINTERGRUND: Lädt EZB die Bazooka nach? - Deflationsgespenst geht um

Das Euro-Zeichen vor der EZB in Frankfurt. © querbeet / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

FRANKFURT (dpa-AFX) - Ein massiver Rückgang der Inflation setzt Europas Währungshüter unter Zugzwang. Die Teuerung im Euroraum ist überraschend auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gefallen, Experten warnen bereits vor einer deflationären Abwärtsspirale aus fallenden Verbraucherpreisen und lahmem Wachstum. Wie werden EZB-Chef Mario Draghi und seine Kollegen reagieren?

"Die EZB-Bazooka wird bald nachgeladen", glaubt Analyst Jörg Rohmann vom Handelshaus Alpari. Er warnt: "Die deflationären Tendenzen in der Eurozone überwiegen." Noch sinken die Verbraucherpreise im Euroraum zwar nicht. Allerdings ist die jährliche Inflationsrate im Oktober mit nur noch plus 0,7 Prozent auf den tiefsten Stand seit November 2009 gefallen. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht Geldwertstabilität bei knapp zwei Prozent gewährleistet. Und sie muss dieses Ziel verteidigen - nach oben wie nach unten.

Als abschreckendes Beispiel in Sachen Deflation gilt Japan. Dort sind die Verbraucherpreise zwei Jahrzehnte lang auf der Stelle getreten oder gesunken, was die Wirtschaft extrem belastet hat. Gehen Verbraucher und Unternehmen von fallenden Preisen aus, schieben sie Konsum und Investitionen auf und bremsen so das Wachstum aus. Die meisten Ökonomen halten den Vergleich mit der Lage im Euroraum für übertrieben, dennoch nehmen die Sorgen zu.

Sogar die US-Regierung hat sich zuletzt überraschend und mit deutlichen Worten in die Debatte eingeschaltet. Dabei schiebt Washington Deutschland den schwarzen Peter zu: Die größte Euro-Volkswirtschaft würde mit ihrer exportlastigen Wirtschaftspolitik deflationäre Tendenzen sowohl im Währungsraum als auch in der Welt auslösen, so die Kritik. Die US-Attacke auf das deutsche Geschäftsmodell wurde in Berlin umgehend zurückgewiesen.

Fest steht: Trotz Entspannung in der Schuldenkrise bleibt die Situation im Euroraum angespannt. Die Arbeitslosigkeit ist so hoch wie nie, das drückt die Einkommen der Haushalte und veranlasst die Unternehmen im Gegenzug zu Preissenkungen. Auch konjunkturell ist die Lage weiter kritisch, zudem bleibt der Bankensektor eine Großbaustelle. Die EZB steht also mal wieder unter hohem Handlungsdruck.

Die Währungshüter haben sich die geringe Teuerung bislang recht gelassen angeschaut und stets betont, dass die Inflationserwartungen "fest verankert" seien. Doch damit könnte bald Schluss sein. Ökonom Greg Fuzesi von JPMorgan erwartet eine Leitzinssenkung auf ein neues Rekordtief von 0,25 Prozent im Dezember. Notenbankchef Draghi werde die Weichen dafür nach der Ratssitzung am kommenden Donnerstag (7. November) stellen.

"Geht es der EZB um die Abwehr von Deflationsgefahr, braucht sie keine weiteren Argumente, um den Leitzins noch einmal zu senken", kommentiert auch Europa-Chefvolkswirt Holger Sandte von der skandinavischen Bank Nordea. Die Berenberg-Bank sieht ebenfalls die Möglichkeit einer geldpolitischen Reaktion. Wegen der wackligen Konjunkturerholung steht die Tür für eine zusätzliche Zinssenkung ohnehin seit Monaten offen. EZB-Präsident Draghi wird nicht müde zu betonen, dass alle Optionen zur Verfügung stehen.

Eine Alternative zum Dreh an der Zinsschraube könnte eine Neuauflage der von Notenbankchef Draghi als "Dicke Bertha" bezeichneten Finanzspritzen für den Bankensektor sein. In zwei Kreditrunden hatte die EZB den Geldinstituten im Euroraum Ende 2011 und Anfang 2012 die enorme Summe von etwa einer Billion Euro gepumpt. Die Währungshüter prüfen derzeit intensiv, ob sie die Billiggeld-Bazooka - im Notenbankjargon "Long Term Refinancing Operation" (LTRO) genannt - noch einmal aus dem Schrank holen. Soviel hat der österreichische EZB-Rat Ewald Nowotny schon verraten.

Ein neuer LTRO-Einsatz hätte derzeit einen besonderen Charme: Die EZB übernimmt 2014 die Aufsicht über die Banken im Währungsraum. Vorher sollen deren Bücher mit einem Stresstest durchleuchtet werden. Diesmal sind tatsächlich intensive Belastungsproben zu erwarten, da die EZB ihren neuen Verantwortungsbereich ohne marode Bilanzen übernehmen will. Um den Finanzmärkten die Angst vor neuen Finanzlücken zu nehmen, käme eine neue Runde ultrabilliger Bankkredite gelegen./hbr/DP/zb


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--- Von Hannes Breustedt, dpa-AFX ---

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