Guten Abend!
Für diejenigen, die mich nicht kennen: Ich beobachte die Wirecard bereits seit fast 20 Jahren als Teil einer Gruppe von Leuten aus den verschiedensten Bereichen. Wir sind mittlerweile eine weithin anerkannte Quelle für Informationen zur Wirecard.
Ich habe zum Thema Wirecard einen starken persönlichen Bezug, dieser ist nicht finanzieller Art, sondern grob vereinfacht als "verletzter Stolz" zu umschreiben.
Die Geschehnisse der letzten Tage bringen mich in große Wallung und gehen mir emotional sehr nahe.
Es ist mir zuallererst ein großes Bedürfnis, mich schützend vor Markus Braun zu stellen. Ich schätze ihn als einen erfolgreichen Unternehmer mit großem Engagement und großen Antizipationsfähigkeiten. Zu keiner Zeit hat er nach meiner Einschätzung Dinge getan, die rechtfertigen würden, wie er im Moment angegangen wird. Jahrelang war er der Garant für große Aktiengewinne und wurde heldenhaft verehrt. Ich könnte auch viel Kritisches erzählen, zweifelsohne, aber dass der Kurs einer Aktie plötzlich die Einschätzung zu einer Person, zu einem Menschen, so drastisch verändern soll, das ist etwas, was mir nicht in den Kopf geht, es ist so fern von meiner Denkweise, von meinen Prinzipien und letztlich von meiner moralischen Grundstruktur. Für Freunde klarer Worte: Was manche hier abziehen, finde ich erbärmlich und es stößt mich ab!
Damit zum zweiten Thema: Dem menschlichen Umgang mit Kritikern. Als ich angefangen habe, zu diversen Firmen zu recherchieren (hier war die heutige Wirecard nur eine von vielen), da dauerte es genau 24 Stunden, ehe ich in meinem Maileingang eine heftige Drohung hatte. Es blieb nicht die letzte Drohung mit der juristischen Keule oder mit Schlimmerem. Man kann sich davon bremsen lassen oder man kommt irgendwann an den Punkt, wo man sich sagt "ich lasse mich nicht einschüchtern, ich bleibe bei meinen Ansprüchen, bei meinen Zielen, bei meinen Überzeugungen". Man entwickelt eine Art "Filter" für solche Unannehmlichkeiten. Diese "Filter" wurden seit 2016 massiv belastet, denn was sich "Freunde der Wirecard" erlaubt haben, war vielfach allerunterste Schublade.
Dabei ware ich ja häufig nicht einmal das Hauptziel, das waren eher Journalisten wie Dan McCrum oder Researcher wie Zatarra (heute weiß man, dass für den inhaltlichen Research hauptsächlich Matthew Earl verantwortlich war). Dan und Matt wurden, ebenso wie jeder andere Journalist, der kritisch berichtete, massivst beschimpft, verleumdet, geschmäht und kriminalisiert. Eine sachliche Diskussion war zu keinem Zeitpunkt möglich.
2016 habe ich mich mehr oder weniger zu einer Art "Deutschlandvertreter" von Zatarra entwickelt und ich bin gerade angesichts der Entwicklungen der letzten Tage sehr stolz darauf. Der Research von Zatarra war erstklassig, die angeführten Belege stimmig und die alarmierenden Signale hätten schon damals Gehör finden müssen, auch wenn der rasante Anstieg danach es so erscheinen ließ, als sei alles in Ordnung. Aber die Aktie stieg nicht etwa, weil die Zweifel widerlegt wurden, sondern sie stieg, obwohl die Zweifel nicht widerlegt waren.
Als 2019 McCrum mit der Singapurgeschichte ankam, war ich sehr zurückhaltend... Meine Denke war: erst wenn das, was Edo Kurniawan da offensichtlich gemacht hat, als systematisch belegbar wäre, käme Wirecard in Not. Das hielt ich für ausgeschlossen. Eigentlich habe ich mich in dieser Zeit eher als "neutraler Wirecardbeobachter" empfunden, auch wenn mir das viele wegen meiner Vorgeschichte niemals abgenommen haben.
Ich habe weiterhin fast alles zur Wirecard gelesen, egal, wer es wo veröffentlicht hat. Aber ich bin nicht mehr in diesen Missionarismus verfallen, der mich 2016 angetrieben hat. KPMG war eine absolute Wendung für mich. Ich hatte erwartet, dass es einen KPMG-Bericht geben würde, der die meisten Beobachter zufriedenstellen, wohl aber die ein oder andere Frage für Kritiker offenlassen würde. Es kam völlig anders. Ab diesem Moment (und weil ich immer noch angefeindet wurde und keiner auf meine Anmerkungen hören wollte) kam der Missionier-Anteil wieder voll durch.
Es folgte die jämmerliche Episode um die angeblich versehentlich abgeschickte Boardmail von kornblume, die sich als Fake herausstellte. Jigajig wurde, weil er sich darüber lustig gemacht hat, in einem anderen Forum der wallöstreet:online AG gesperrt. Er ist übrigens, falls es interessiert, noch für 3 Monate gesperrt, aber nicht wegen Wirecard, sondern weil er der Firma gegenüber Vergeltung angedroht hat.
Die Sperrung erwies sich allerdings als Segen insofern, als effektiver gearbeitet werden konnte ohne den Ballast eines Forums. Daran, dass Wirecard in wenigen Tagen völlig kollabieren würde, habe ich in keiner Sekunde geglaubt, auch wenn viele aus meinem Umfeld davon ausgegangen sind (und darunter sind auch fast alle bekannten Kritiker aus der LV-Ecke). Hätte ich daran geglaubt, hätte ich Warnungen ausgesprochen. Hätte ich entsprechende Informationen gehabt, hätte ich ebenfalls Warnungen ausgesprochen. Aber ich habe nicht damit gerechnet.
Jetzt ist die Situation, wie sie ist und sie ist für Aktionäre so beschissen, dass Dinge, vor denen ich warnen könnte, im Vergleich dazu absolut lächerlich wirken würden. Es ist für mich jetzt an der Zeit, mich wieder um andere Schwerpunkte zu kümmern. Ich habe, wie gesagt, ein persönliches Problem mit der Wirecard und ich bin mit der Firma noch lange nicht fertig. Ich nehme Markus Braun die Geschichte nicht ab, die da erzählt wird. Das mag einem Aktionär grotesk vorkommen, weil die Geschichte (für Aktionäre) ein Super-GAU ist, so wie sie erzählt wird. Für Aktionäre kann ich keine Drohkulisse mehr aufbauen, das Thema ist durch. Aber ich will immer noch die Geheimnisse wissen und für mich die Geschichte rund abschließen.
Als paid basher hätte ich meinen Auftrag längst erfüllt. Ich wäre der beste paid basher gewesen, den sich jemand hätte vorstellen können, der paid basher einsetzen würde. Ich hätte es nicht nur aus Überzeugung gemacht, sondern auch noch mit einem Hintergrundwissen, mit dem ich 1001 Geschichte hätte lancieren können. Ich wäre unbezahlbar gewesen. Nein. Ich bin unbezahlbar, denn wer in seinem tiefsten Inneren nicht käuflich ist, der ist für keine Summe der Welt käuflich. Im Gegenteil! Ich habe an vielen Punkten aktiv mitgewirkt, kritische Argumente der LV zu verbreiten und habe dafür NICHTS bekommen, sondern im Gegenteil einiges investiert - mal abgesehen von der Lebenszeit auch ganz konkrete Dinge (PC-Equipment, Backup-Systeme, Handelsregisterabfragen usw.). Aber darauf will ich gar nicht hinaus... Es geht darum, dass es im Moment wohl keine paid basher mehr brauchen würde, wenn es jemals welche gegeben hätte... Ich bin aber immer noch da... Warum? Weil die Geschichte eben noch nicht fertigerzählt ist...
So. Lange Rede. Aber ich komme zurück zum Anfang: Das Braun-Gebashe ist das Letzte. Wer jetzt auf Braun eindrischt, der lenkt damit doch nur davon ab, dass die Entwicklungen bis zu einem gewissen Punkt vorhersagbar waren. Ich weiß nicht, auf wie viele Fragezeichen ich in den letzten Jahren aufmerksam gemacht habe. Das hat nie jemanden interessiert - nur jetzt, weil das Ergebnis für den Aktienkurs verheerend ist...
Analysten kannste sowieso in die Tonne treten. Haben jahrelang alles ignoriert und hauen jetzt drauf. Ähnliches Muster: bloß nicht einstehen für eigene Versäumnisse. Erbärmlich.
Die Medien: Kritiklos das Wirecard-Märchen erzählt, als es in den DAX ging. Kein Platz für Kritik. Aber jetzt sind sie alle da. Alle. Und alle "bashen". Sie schlagen auf einen Gegner ein, der am Boden liegt. Auch viele in den Foren. Es ist erbärmlich. Bei aller Kritik an Wirecard: Was da gerade passiert, kotzt mich mehr an als alles, was ich der Wirecard vorwerfe.
Wenn das alles endlich mal durch ist, die ganze Geschichte erzählbar ist, vielleicht schreibe ich dann ein Buch. Vielleicht auch nicht. Vielleicht wende ich mich wieder mehr anderen Dingen zu.
Was wollte ich eigentlich sagen?
ASch so, klar:
Jigajig ist eine Kunstfigur, genauso wie PastaPasta. Dahinter stehen mehrere Personen. Der Icherzähler bin ich. Und ich bin ziemlich crazy, das könnt Ihr mir glauben. Aber ich war niemals ein paid basher. Weder jetzt, noch 2016, noch 2004.