Es folgt ein Zitat von Peter. A. Aßmann, vor etwa 9 Stunden, leider ohne die Bilder. Aber die Charts kennt ja jeder auswendig. Die Bilder einfach in der Gruppe "Wirecard - a lifetime invest" nachschlagen.
"Chartanalyse aus dem Siebengebirge: Wirecard
Die aktuelle Charttechnische Lage nach dem neuerlichen Kursrutsch und ein – spekulativer Blick über den Rand der Charttechnik hinaus.
Der Chart in der langfristigen Beurteilung:
Ganz langfristig befindet sich WDI in einem nach wie vor intakten Aufwärtstrend mit einem klar konturierten Trendkanal. Der erste Chart seit 2003 zeigt es deutlich. Der Kurs war im Spätsommer 2018 im Vorfeld der DAX-Aufnahme mit einer Übertreibung nach oben aus dem Trendkanal herausgelaufen. Der Ausbruch hat aber nicht zu einem neuen – steileren - Trend geführt. Er hat sich vielmehr als Fehlausbruch erwiesen. Der Kurs ist in den Trendkanal zurückgefallen und orientiert sich seither – bei Fehlausbrüchen recht häufig – in Richtung der anderen, hier der unteren, Trendkanalbegrenzung. Von der Nachrichtenseite wurde die Entwicklung begleitet von diversen Negativberichten über angeblich zweifelhafte Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit hauptsächlich asiatischen Partnern, vorwiegend in der F.T, aber auch dem Handelsblatt. Darüber haben wir hier bis in das Frühjahr hinein häufig diskutiert. Nun ist es aber absolut nichts Ungewöhnliches, dass Aktien in ihrem Trendverlauf Trendkanäle, zumal wenn sie recht steil verlaufen, auch bis an beide Grenzen ausschöpfen und zuweilen kurzzeitig auch darüber hinaus, ohne dass deshalb ein Trendbruch ausgerufen werden muss. Derzeit ist der Kurs mit rd. 90 € nach wie vor ein gutes Stück, nämlich gut 20 %, von der unteren Trendkanalbegrenzung (bei ca 59 €, steigend) entfernt. Ich denke, der Kurs wird die Begrenzung in nächster Zeit auch nicht mehr erreichen. Möglich ist es natürlich.
Der Kurs in der mittelfristigen Beurteilung:
Mittelfristig (eigentlich auch schon langfristig, da über 12 Monate hinaus) befindet der Kurs sich seither in einem klar definierten Abwärtstrend mit bestätigtem Trendkanal (rot). Der zweite Chart über 2 Jahre zeigt die obere Trendkanallinie mit drei Auflagepunkten, was eine klare Bestätigung dieser Linie bedeutet. Aus langfristiger technischer Sicht handelt es sich bei der Kursentwicklung seit dem Allzeithoch (also dem mittelfristigen Abwärtstrend) um eine Flagge im ganz langfristigen Aufwärtstrend. Eine solche ist trendbestätigend, wenn der Kurs nach oben aus der Flagge (dem roten Trendkanal) herausläuft, was in der vorletzten Woche ja noch nicht gelungen war, in den nächsten Wochen/Monaten aber zu erwarten ist. Erst wenn der Kurs nach unten aus dem schwarzen Aufwärtstrendkanal nachhaltig herausfallen sollte, müsste man das anders, nämlich ausgesprochen pessimistisch interpretieren.
Der Kurs in der kurzfristigen Beurteilung:
Am Donnerstag vorletzter Woche (23.04.) gab es einen Ausbruch mit einer großen Aufwärtskerze und erhöhten Umsätzen, der am Freitag durch eine Abwärtskerze negiert wurde. Damit war es ein klarer Fehlausbruch. Ich habe diese Konstellation mit einem blauen Kreis am rechten Chartrand gekennzeichnet. Ein Fehlausbruch bedeutet normalerweise, dass der Kurs weiter fällt in Richtung der unteren Trendgeraden. Folgerichtig ging es also weiter nach unten.
Die weitere Abwärtskerze am Montag (27.04) mit dem abnormen kurzzeitigen Kursrutsch gegen Ende der Mittagspause und dem dynamischen weitere Rutsch am Dienstag um fast 20% bei einer extremen Umsatzspitze (soweit ich sehe der bislang höchste Tagesumsatz in der Aktie überhaupt) zeigt, dass die spekulativen Zocker noch nicht aus der Aktie sind, zeigt aus meiner Sicht aber auch dass sich das (restliche) Smartmoney verabschiedet haben dürfte. Nur mit Shortakteuren und frustrierten Privatanlegern sind die enorm hohen Umsätze nicht erklärbar. Von der Newsseite wurde der Kursrutsch ja offenbar ausgelöst von der Enttäuschung des Marktes über den letztlich, jedenfalls auf den zweiten Blick, desaströsen Bericht der KPMG.
Der Kurs hat aktuell Spielraum auf der Unterseite bis zur Unterstützung bei rd. 80 € (Verlaufstief der März-Korrektur) bzw. bis zur unteren roten Trendlinie bei rd. 75 €. Tiefer sollte es kaum gehen. Oben ist erst einmal der Deckel bei aktuell rd. 139 € drauf. Der zweite Chart zeigt es deutlich.
Wie kann es weiter gehen? Gedanken jenseits der Charttechnik:
Ich lese zuweilen, es läge alles nur an den Shortsellern und ein Shortsqueeze, also ein dynamischer Kursanstieg wegen notwendiger Rückkäufe der Shortseller wäre nur eine
Frage der Zeit. Da bin ich skeptisch.
Einen Shortsqueeze wird es frühestens geben, wenn der Abwärtstrend verlassen wird oder wenn es einen Kursanstieg mit einem großen Gap nach oben gibt. (Wann das zu erwarten ist, schreibe ich weiter unten) Vorher werden die Shorties nur zu selektiven Gewinnmitnahmen raus gehen und höher sofort wieder einsteigen. So machen es nach meiner Kenntnis auch viele Day- und Positionstrader seit Monaten. Die Aktie ist derzeit bestens geeignet fürs Positionstrading.
Der große Kursrutsch am Dienstag hat übrigens, wie schon erwähnt, unter den höchsten Tagesumsätzen in der Aktie seit Jahren, wenn nicht überhaupt stattgefunden. Das können nicht nur Shorties gewesen sein. Ich gehe vielmehr davon aus, dass das restliche Smartmoney aus der Aktie geflohen ist. Das kommt nicht einfach so zurück.
Für einen nachhaltigen Anstieg sind die Ergebnisse der Vergangenheit (2019, Q1 etc.) ohne Bedeutung, weil auch bei WDI die Zahlen der Vergangenheit alle weitgehend Makulatur sein dürften. Es kommt darauf an, wann und welche glaubhaften Ausblicke gegeben werden. Aus meiner Sicht wird es ohne Abgang des CEO Braun keine nachhaltige Erholung geben. Ich halte es für ausgeschlossen, dass bei dem aktuellen Desaster nach dem KPMG-Bericht und der miserablen Kommunikationspolitik der Vergangenheit das aktuelle Management noch irgendwo Vertrauen aufbauen kann. Der "Treueschwur" des Aufsichtsratsvorsitzenden Eichelmann in einem Interview vor wenigen Tagen erinnert mich doch sehr an ähnliche Vertrauensbekundungen z.B. von Sportdirektoren und Vorständen in der Bundesliga in Richtung Trainer kurz vor deren Abgang.
Aus meiner Sicht wird Herr Braun sich auf Dauer nicht an der Spitze halten können. Da helfen auch seine rd. 7 % Beteiligung nicht. Dass er große Verdienste hat, ist unbestritten. Es wird sich eine Lösung für ihn finden (Aufsichtsrat oder im Falle einer Übernahme ein Platz im Board des Übernehmers oder was auch immer). So wie bisher wird es aber nicht weiter gehen können.
Wie negativ der Markt das Unternehmen sieht, zeigt der Vergleich mit Adyen (ähnliches Geschäftsmodell, wenn auch nicht ganz vergleichbar. Adyen ist deutlich profitabler und konzentriert sich nach meiner Kenntnis stärker auf das Großkundengeschäft):
Adyen: 2020er KGV rd 98, Umsatz 651 Mio, Marktkapitalisierung 27,2 Mrd €.
Wirecard: 2020er KGV 23,5, Umsatz 3,44 Mrd, Marktkapitalisierung 11,26 Mrd.
Mit anderen Worten: Wirecard ist derzeit jedenfalls im Vergleich zu Adyen spottbillig. Man bekommt für den halben Preis den fünffachen Umsatz. Wenn nur ein Teil der Berichte der letzten Monate über Kooperationen etc. belastbar sind, ist Wirecard aktuell ein absolutes Schnäppchen. Im Falle einer personellen Änderung an der Unternehmensspitze oder konkreter Übernahmegerüchte bzw. eines Übernahmeangebotes dürfte der Kurs binnen kürzester Zeit bei mindestens 190 € (bisheriges Allzeithoch) stehen.
Wie könnte also eine Übernahme aussehen?
WDI hat derzeit keinen großen Ankeraktionär, schon gar nicht mit Sperrminorität. MB Bet. (Herr Braun) hält gut 7 %, DWS (Deutsche Bank) 5,92 (maximale Beteiligung nach deren Fondsrichtlinien). Es kommen dann noch einige Fonds etc. mit rd 3% (u.a. Union Investments) hinzu. Blackrock und Morgan Stanley haben ihre Beteiligungen, wenn ich das richtig sehe, reduziert, Vangard-Group ist gar nicht dabei. Der Streubesitz wird mit über 62% angegeben. Auf Dauer wird niemand mit der geringen Bewertung zufrieden sein, insbesondere der Markt nicht. Auch die Fonds wollen und müssen ihren Anlegern Ergebnisse liefern.
Das kann man mit einem großen Tanker oder besser noch einem spanischen Handelsschiff aus dem 17. Jahrhundert, voll beladen mit Schätzen aus Südamerika ohne Begleitschutz vergleichen, das einem Piraten (Übernehmer) schutzlos ausgeliefert ist. Für einen Übernehmer (sei er freundlich oder feindlich) gäbe es fette Beute. Allerdings gibt es noch eine "verdeckte Beteiligung" (wenn ich richtig informiert bin) von Softbank über einen arabischen Fonds (Dubai). Es handelt sich um eine Wandelanleihe, der Wandlungspreis liegt nach Berichten bei 130€, der Beteiligungsbetrag lag bei rd 900 Mio. Das ergäbe rd 7Mio Aktien, also eine Beteiligung von rd 5,6 %. Aber auch damit lässt sich eine mögliche Übernahme nicht verhindern. Möglicherweise ist Softbank aber auch selbst an einer Übernahme interessiert. Allerdings gibt es dort wohl eigene Finanzierungsprobleme, weswegen Softbank in letzter Zeit große Beteiligungen (u.a. an alibaba) verkauft und sich veschlankt hat.
Wer käme sonst in Betracht? Die großen Kreditkartenanbieter (Mastercard, Visa) wohl kaum, weil mit beiden enge Geschäftskontakte bestehen und es dann Wettbewerbsprobleme geben dürfte.
Berkshire Hathaway? Ich kenne die Geschäftsstrategie von Warren Buffet/Charles Munger nicht gut genug. Finanziell wäre es für die kein Problem, könnte aus der Portokasse bezahlt werden. Mit gut 10 Mrd. € wäre eine Mehrheit (50% + 1 Aktie) auch bei einem üblichen saftigen Übernahmeaufschlag bezahlt. Der Geschäftsbereich mobiles/digitales Bezahlen ist denen jedenfalls nicht fremd. Sie halten seit langem eine große Beteiligung am American Express und einigen Banken. Man hat dort die Beteiligung an Banken (Wells Fargo und Goldman Sachs) zuletzt reduziert und sich stärker im Einzelhandel (Kroger) engagiert. Aber auch dort wird die Zukunft des Bezahlens digital sein. Aus meiner Sicht dürfte WDI also durchaus gut in das Portfolio passen.
Der Preis jedenfalls dürfte auch stimmen. W.B. möchte ja den Wert eines Dollars für 50 Cent erwerben. Bei WDI müsste er gegenwärtig nicht einmal so viel zahlen.
Aus deutscher industriepolitischer Sicht wäre das natürlich ein Desaster, ist doch WDI neben (bedingt) SAP das einzige bedeutsame deutsche Unternehmen von Rang in der globalen digitalen Welt. Es bleibt also von diesem Standpunkt gesehen zu hoffen, dass sich eine nationale Lösung findet.
Warten wir also ab, was kommt. Ich gehe aber davon aus, dass der Kurs von WDI viel Luft nach oben hat. Über die Qualität des Unternehmens habe ich ja keine Zweifel. Nach unten ist der Kurs durch die Abwärtstrendgerade bei rd 75 € sowie die Unterstützung bei 80 € gut abgesichert. Kommen Nachrichten über personelle Änderungen an der Spitze oder Übernahmegerüchte dürfte es mit dem Kurs sehr schnell nach oben gehen. Dann steht der Kurs schnell bei 170 bis 190 €.
Was habe ich selbst gemacht und was mache ich?
Ich hatte den Wert in meinem Depot und meinem Wiki (Global-Trendfolge, das leider noch deutlich unter Wasser liegt). Am Wochenende, nach dem Fehlausbruch, hatte ich einen Stop-loss bei 132€ in den Markt gelegt. Es ist am Montag mittags mit 131,9 ausgelöst und abgerechnet worden. Ich bin also derzeit raus.
Ich habe dann zum Ende der Woche zwei limitierte Kaufaufträge in den Markt gelegt mit Limits bei 75 und 80 €. Wahrscheinlich werde ich in der kommenden Woche eine erste Position unlimitiert wieder aufnehmen, wenn der Kurs nächste Woche Stabilisierungstendenzen zeigt.
(Alles, was ich hier geschrieben habe ist natürlich nur meine persönliche Meinung, die niemand teilen muss und keinerlei Anlageberatung oder gar Kaufempfehlung)."