Vorweg: Alle in diesem Posting geschilderten Überlegungen basieren auf einer Durchsicht der heute veröffentlichen CVA-Dokumente, die mir als Informationsquelle dienten. Alle weiterführenden Überlegungen entsprechend meiner derzeitigen und subjektiven Sicht der Dinge.
Ich habe die heute veröffentlichten CVA-Unterlagen gesichtet. Am auffälligsten erscheint mir die in Bezug auf die Europa-Aktivitäten deutlich komplexer werdende Holding-Struktur. Daher habe ich mir die Frage gestellt, warum das Management das jetzt so macht. Das Mehr an Komplexität im Firmengeflecht mit etlichen neuen Holdings u. a. auf Jersey(!) und in Luxemburg(!) hat meiner Ansicht nach nur 2 Vorteile:
1.) Steuerersparnis auf Unternehmensgewinne
2.) Steuerersparnis auf den Veräußerungserlös von Unternehmensteilen
Und in der Tat ist die neue Struktur so angelegt, dass die Gewinne der Europatöchter steuerminimiert über die neuen Holdinggesellschaften gegen die neuen Kredite fließen können, die zentral in Luxemburg angesiedelt sind. Diese neuen Kredite lösen so ziemlich alles ab, was SEAG und SFHG derzeit an Schulden haben.
Nun könnte man das auf den ersten Blick für clever halten: Wirf alle Schulden in zwei Töpfe und baue den Konzern so um, dass die Gewinne der operativen Gesellschaften die Schulden in den beiden Töpfen bedienen können, ohne das zwischendrin auf nationaler Ebene nennenswert Steuern fällig wären.
So sehe ich das aber nicht. Denn ein derart weitreichender, komplexitätsteigernder Konzernumbau wäre unter dem genannten Aspekt der Steuerminimierung nur dann sinnvoll, wenn die Finanzierung über die neuen Luxemburg-Töchter auf Dauer angelegt wäre. Das kann sie bei einem Zinssatz von 10% aber nicht sein. Dieser Zinssatz ist tödlich und nur während einer kurzen Übergangsfrist bedienbar.
Bisher war ich davon ausgegangen, dass Steinhoff nach Veröffentlichung von Bilanzen, PWC-Report, neuen Ratings etc. wieder in der Lage wäre, bei neuen Kreditgebern Milliardensummen zu attraktiven Konditionen einzusammeln und damit die Altschulden abzulösen. In diesem Szenario wäre es zwar auch sinnvoll, alle Altschulden einheitlich zu neuen Bedingungen umzuschulden, aber der Aufbau von Luxemburg- und Jersey-Holdings wäre dafür nicht erforderlich. Denn wenn Steinhoff 5 Mrd. EUR zu 4% bei Bank A leiht, um damit 5 Mrd. Schulden bei Gläubigergruppe B zu tilgen, für die 10% Zinsen fällig wären, dann hat man bei dieser Art der Umschuldung keine steuerrelevanten Vorgänge, die eine derart verschachtelte Holding-Struktur in Steueroasen benötigt. Aber genau die wird grade aufgebaut.
Was heißt das also?
Aus den geschilderten Überlegungen heraus komme ich zu folgenden Schlussfolgerungen:
a: Die neue Holding-Struktur in Europa ist nicht darauf angelegt, Steinhoff dauerhaft zu finanzieren.
b: Für ein simples Umschulden zu besseren Konditionen braucht es derart weitreichende rechtliche Umstrukturierungen mit x neuen Zwischenholdings nicht.
c: Steuerersparnis ist ein wichtiger Aspekt der kurzfristig umzusetzenden Unternehmensstrategie in Europa. Denn genau dafür braucht man derart verschachtelte Holdings.
Jetzt haben wir also 3 Puzzleteile auf dem Tisch: a, b und c. Wenn meine Überlegungen zutreffen und alle 3 Puzzleteile korrekt geschlussfolgert wurden, dann gibt es seitens des Managements nur eine einzige Strategie, die alle 3 Puzzleteile benötigt. Sieht sie außer mir noch jemand? Tipp: Sie steht oben im Text schon direkt drin! ;-P
Die Lösung: Das Puzzle passt mMn nur zusammen, wenn das Management vorhat, das GESAMTE Europa- und Amerikageschäft KURZFRISTIG zu veräußern.
Denn wenn die im CVA beschriebene Umstrukturierung umgesetzt wäre, dann könnten Pepkor Europe, Conforama, Poundland, Mattress und alle sonstigen noch verbliebenen Europa- und Amerika-Töchter verkauft werden, wobei die einzelnen Verkaufserlöse (minimal oder gar nicht besteuert) zur Tilgung der in Luxemburg zentral angesiedelten Schulden verwendet werden können. Dafür braucht's diese neue Holdingstruktur. Und Steinhoffs Schulden in Europa sind so hoch, dass es auf wirklich jede Million EUR Verkaufserlös ankommt und man keinesfalls etwas an irgendeinen Fiskus zu verschenken hat, auch wenn der Aufbau der verschachtelten Holdingstruktur selbst erst einmal ordentlich kostet.
Packt euch ein Lesezeichen auf diesen Beitrag. Ende 2019 lasse ich mich gerne daran messen ;-)