Das gestrige Kursdebakel war für uns Aktionäre extrem schmerzhaft. Gleichzeitig ging die Meldung des SE-Crashs durch alle Medien und das wiederum könnte den sehnlich erwarteten Rettungsanker / Befreiungsschlag bringen. Wenn die Regierung jetzt noch immer nicht kapiert, dass ihre Energiewende endlich mit staatlichen Milliardenbeträgen unterlegt werden muss, dann hat sie den Schuss nicht gehört.
Der Kapitalmarkt hat jedenfalls klar mitgeteilt, dass er SE für existenzgefährdet hält, sollte man den gigantischen Auftragsbestand mangels Finanzierung nicht umsetzen können. Es geht um staatliche Aval-Bürgschaften, nicht um Staatshilfen. In der Presse war überall zu lesen, SE benötige Staatshilfen...
Und die Shortseller haben das in einem Blutrausch voll ausgenutzt und SE zwischenzeitlich so aussehen lassen, als stünde eine Insolvenzmeldung unmittelbar bevor. Das Schlimme daran ist, dass Shortseller mit derart brutalen Angriffen ein Unternehmen tatsächlich in Existenznot bringen können, wenn die finanzierenden Banken vor dem Hintergrund des Crashs die Werthaltigkeit ihrer Darlehensforderungen in Gefahr sehen und Kreditlinien streichen oder zurückfahren. Im Hinblick auf die Bereitschaft Avalkredite für Großprojekte zu geben, scheint das Gamesa-Debakel genau dieses Verhalten bereits ausgelöst zu haben.
Im Gegensatz zur Äußerung meines Vorredners hat SE die erwarteten 4 MRD Gamesa-Verluste eben nicht durch Liquidität abgesichert, sondern lediglich Rückstellungen gebildet, sprich die zukünftig erwarteten Reparatur-Aufwendungen bereits in 2023 aufwandswirksam erfasst.
Mit der Buchung einer Rückstellung allein ist die Finanzierung der fraglichen Kosten selbstredend NICHT abgesichert. Dafür braucht man Cash... wenn die aktuell bilanzierten 4 MRD Cashreserven für die Behebung des Gamesa-Debakels genutzt werden, hat SE null Cash zur Wachstumsfinanzierung übrig... Da auch Banker Bilanzen lesen können und wissen, dass SE bedingt durch die Gamesa-Reparaturkosten zeitnah Cashabflüsse von mindestens 4 MRD EUR drohen, ist man mit der Neuausreichung von Kreditzusagen logischerweise vorsichtig, zumal dann, wenn Gamesa bedingt durch die mutmaßlich erforderliche Komplett-Neuentwicklung der Onshore-Turbine - über die ohnehin schon erwarteten Zahlungsabflüsse für Reparaturkosten hinaus - 2024 auch investitionsbedingt weiterhin negative Cashflows verursachen wird... und von den Cashflows zur Finanzierung der laufenden operativen Verluste ist da noch gar nicht die Rede...
Gamesa ist für SE ein Milliardengrad und - falls SE jetzt nicht ganz schnell knallharte Maßnahmen zur Begrenzung der Negativcashflows trifft - potenziell geeignet, das gesamte Unternehmen an die Wand zu fahren. Wer Bilanzen lesen kann wird feststellen, dass das traditionelle SE Geschäft mit Stromnetzen und Gasturbinen nicht näherungsweise Cashflows in der zur Gamesa-Finanzierung notwendigen Höhe erwirtschaftet. Die zur Wachstumsfinanzierung erforderlichen Cashflows gehen vollends für Gamesa drauf.
Ich habe im Forum mehrfach erklärt, die Übernahme dieser spanischen Dauerverlustbude für ein Geschenk an die freien Gamesa-Aktionäre und einen riesengroßen Fehler zu halten.
Ohne die Übernahme wäre Gamesa zeitnah zur Entdeckung der Qualitätsmängel und der damit verbundenen Kosten in die Insolvenz gegangen. SE hätte sich dann billigst aus der Insolvenzmasse bedienen können und zwar ohne irgendeine Übernahmeprämie an die Aktionäre und zudem ohne Übernahme der Haftung für die insolvenzverursachenden Ansprüche zur Mängelbeseitigung...
Nachdem ich selbst in der Konzernprüfung tätig bin, frage ich mich, ob der SE Vorstand auch nur irgendeine Sorgfaltspflicht bei der Due Diligence beachtet hat. Die zeitliche Nähe des Bekanntwerdens der Qualitätsmängel zur Übernahme lässt darauf schließen, dass die Spanier SE entweder komplett verarscht haben oder SE die Übernahme in Kenntnis der existenzbedrohenden Schieflage bei Gamesa durchgezogen hat. Letzteres wäre glasklare Untreue des Managements gegenüber den SE Aktionären.
Dass das SE Management augenscheinlich kein Interesse an der Aufklärung der Gründe für die Nichtentdeckung der existenzgefährdenden Haftungsrisiken im Rahmen der Due Diligence Prüfung hat, spricht Bände... Vermutlich hat man auch noch Bonuszahlungen für die erfolgreiche Übernahme erhalten... wir Aktionäre bluten... Konsequenzen für den Vorstand... Fehlanzeige...
So bitter wie es klingt... ich bin unverändert für ein Ende mit Schrecken... sprich die Trennung von Gamesa.. bestenfalls durch Verkauf von Gamesa an einen Investor... schlechtestenfalls, idem man Gamesa in die längst überfällige Insolvenz entlässt...
SE braucht seine operativen Cashflows zur Wachstumsfinanzierung und nicht zur Finanzierung einer hochdefizitären Gamesa... das Gelingen der Energiewende hängt nicht an Gamesa, deren Produktqualität sowohl On- als auch Offshore mit Wettbewerbern wie Vestas, Nordex und dem Weltmarktführer Goldwind nicht annähernd schritthalten kann...
Das Gelingen der Energiewende hinsichtlich Strom-, Gas- und Wasserstoffnetzen hängt aber unmittelbar am traditionellen SE-Geschäft.
Der Eintritt in den Windmarkt ist für SE m.E. gescheitert. Wie im Q3-Bericht ersichtlich, hat die Gamesa Übernahme SE schon jetzt mehr als 10 MRD EK gekostet. Das verbliebene EK von nur noch 9 MRD EUR benötigt SE dringend für das traditionelle Geschäft und kann damit nicht auch nur einen Tag länger die Dauerverluste bei Gamesa decken.
Die Absicherung von SE durch Avalbürgschaften der Bundesregierung macht für mich nur Sinn, wenn SE zugleich den Unsicherheitsfaktor namens Gamesa aus dem Konzern entfernt und den Banken und Shareholdern somit wieder eine Planbarkeit der kurz-, mittel- und langfristigen Umsatz- und Gewinnentwicklung ermöglicht.
Die im Q3-Bericht gebuchten 10 MRD EK-Verlust bei SE sind nicht mehr änderbar, wohl aber die Vermeidung zukünftiger EK-Verluste aus der unsäglichen Gamesa-Schrott-Beteiligung.
Die gesamte weltweite Windkraftbranche arbeitet mit wenigen Ausnahmen wie Goldwind und Vestas seit mehr als einem Jahrzehnt permanent defizitär. Solange sich das nicht ändert, ist es betriebswirtschaftlich einfach nur verrückt, sich an diesem durch jahrelanges Preisdumping sämtlicher Marktteilnehmer gekennzeichneten Markt zu beteiligen, in dem seit Jahren kein einziger Marktteilnehmer seine Kapitalkosten verdient, geschweige denn Überrenditen erzielt...