FTD: Warum die M&A-Party zu Ende geht
Im vergangenen Jahr wurde so viel fusioniert und übernommen wie noch niemals zuvor. Dabei hat Europa erstmals seit 2002 die USA im Geschäft mit Mergers & Acquisitions (M&A) abgehängt. Dass 2008 erneut ein Rekord aufgestellt wird, glaubt allerdings niemand.
Sie sind die Cash-cows der großen Investmentbanken: Die M&A-Experten, die Unternehmen bei deren Fusionen und Übernahmen beraten und anschließend die Finanzierung regeln. Niemals zuvor in der Geschichte verdienten die Dealmaker derart hohe Gebühren für ihre Arbeitgeber und strichen so hohe Boni ein wie 2007. Das belegen die aktuellen Zahlen des Datendienstleisters Thomson Financial.
Vor allem die Gier der Private-Equity-Fonds trieb im ersten Halbjahr die Volumina in ungeahnte Höhen. Doch seit die Kreditkrise voll entbrannt ist, haben sich die Finanzinvestoren nahezu komplett von der Fusionsbühne verabschiedet und Platz gemacht für strategische Anleger - Unternehmen, die andere Firmen der gleichen Branche aufkaufen, um ihre Stellung im Markt zu festigen oder eine Giftpille gegen eine Übernahme schlucken. FTD-Online blickt zurück auf das M& A-Rekordjahr 2007 und nach vorn - auf das schwierige Umfeld 2008.
Wie viele M&A-Deals gab es 2007 weltweit und mit welchem Volumen?
Bereits im Juli 2006 war der Rekord des Vorjahres in greifbarer Nähe: Angekündigte Fusionen und Übernahmen im Wert von 3200 Mrd. $ standen im Sommer einem Volumen des Gesamtjahres 2006 von 3600 Mrd.
$ gegenüber. Doch bereits im August brachen die Zahlen ein: Wegen der sich entfaltenden Kreditkrise fiel das M&A-Volumen allein der Private-Equity-Fonds um 64 Prozent.
Doch dank der starken ersten Jahreshälfte summierten sich die Deals im Gesamtjahr 2007 bis einschließlich 30.12. zu bis dato noch nicht erreichten 4482 Mrd. $ - ein Zuwachs von 24,2 Prozent gegenüber 2006. Auch die reine Anzahl der Transaktionen legte kräftig zu: Wurden 2006 noch 38.580 Fusionen und Übernahmen getätigt, schnellte der Wert 2007 auf 42.437 hoch.
Gleiches gilt für die 2007 abgeschlossenen M&A-Geschäfte: Hier nahm die Anzahl der Deals auf 28.729 (2006: 27.250) zu, das Gesamtvolumen kletterte um 23 9 Prozent auf 3784 (3054) Mrd. $
Wie sind die Zahlen für die USA, Europa und speziell Deutschland ausgefallen?
Die Vereinigten Staaten verloren 2007 erstmals seit 2002 ihre Vormachtstellung im M&A-Markt an die Europäer. Dennoch legte das Geschäft auch jenseits des Atlantiks zu auf 11.219 (10.679) Transaktionen, die sich auf 1614 (1475) Mrd. $ summierten - ein Plus von 9,4 Prozent. Vor allem der schwache Dollar macht amerikanische Unternehmen zunehmend interessant für ausländische Interessenten.
Mit den Europäern konnte das Mutterland des Kapitalismus allerdings nicht mithalten: 13.684 (12.523) M&A-Deals im Wert von 1803 (1325) Mrd. $
bedeuteten einen Anstieg beim Volumen von satten 36,1 Prozent. Die Zahlen nach oben getrieben haben vor allem zwei spektakuläre Megadeals mit europäischer Beteiligung: Das Angebot des britischen Minenkonzerns BHP Billiton für den Konkurrenten Rio Tinto im Wert von 192,8 Mrd. $ - nach der Mannesmann-Übernahme durch Vodafone im Jahr 2000 die zweitgrößte M&A-Transaktion der Geschichte -
sowie der Poker um die niederländische Traditionsbank ABN Amro. Royal Bank of Scotland, Santander aus Spanien und der belgisch-niederländische Finanzkonzern Fortis gewannen das Fusionspoker gegen den britischen Bieter Barclays und verleibten sich ABN für 99,4 Mrd. $ ein.
Diese beiden Deals waren denn auch die größten im vergangenen Jahr - und zwar weltweit. Gleichwohl brach die Nachfrage durch Private-Equity-Fonds auch in Europa im zweiten Halbjahr wegen der Kreditkrise weg.
Wie ist die Lage im Boomland China?
Auch die Volksrepublik - wie kann es auch anders sein - meldet Rekordzahlen. 2007 wurden 2863 Transaktionen mit Beteiligung von Unternehmen aus dem Reich der Mitte im Wert von 112,2 Mrd. $
gemeldet. Und erstmals kauften die Chinesen stärker im Ausland ein als dass "Langnasen" in der Volksrepublik zuschlugen. Der Topdeal war der 5,6 Mrd. $
teure 20-prozentige Einstieg der staatlichen Industrial and Commercial Bank of China (ICBC) bei Südafrikas Marktführer Standard Bank, der zugleich die höchste ausländische Investition in Südafrika seit Ende des Apartheid-Regimes 1994 darstellt.
Besonders lukrativ ist das China-Geschäft für die beratenden Banken allerdings noch nicht: die höchsten M&A-Gebühren sackte die Schweizer UBS ein mit gerade einmal 37 Mio. $ - Peanuts im Vergleich zu den Summen, die die Investmentbanker mit Deals in den USA oder Europa verdienen.
Welche Banken haben am meisten Gebühren verdient?
Weltweiter Spitzenreiter wie seit Jahren schon ist die US-Bank Goldman Sachs. Sie beriet weltweit bei 421 Transaktionen und verdiente damit 3,1 (2,5) Mrd. $ Gebühren - Marktanteil: 7,1 Prozent. Platz 2 verteidigte der Wall-Street-Rivale Morgan Stanley mit 392 Deals und Gebühren von 2,6 (1,9) Mrd. $. Die Citigroup verdrängte JP Morgan knapp von Rang 3 mit 460 Deals und 2,0 (1,4) Mrd. $ Einnahmen. JP Morgan komplettiert die Phalanx amerikanischer Banken mit 3263 M&A-Deals und 2,0 (1,6) Mrd. $. Erste europäischer Bank ist wie 2006 auf Platz 5 die Schweizer UBS, die 391 Mal beriet und dafür 1,9 (1,3) Mrd. $ kassierte. Die Deutsche Bank verlor einen Platz und schloss das Jahr auf Rang 9 ab mit 232 Transaktionen und Gebühren von 1,1 (1,0) Mrd. $. Insgesamt strichen die Geldhäuser für ihre Dienstleistungen 44 Mrd. $
ein - rund 6 Mrd. $ mehr als noch vor Jahresfrist.
In Europa tauschten Morgan Stanley mit 188 Deals und 1,2 (0,9) Mrd. $ und Goldman Sachs mit 155 Transaktionen sowie 1,2 (1,0) Mrd. $ Honorar die Plätze. Auf Rang drei folgt die UBS, die Deutsche Bank rangiert auf 7. Sie wirkte bei 156 Fusionen mit und kassierte dafür 738 (761) Mio. $. Auch in Deutschland mussten sich die Deutschbanker den Rivalen von Goldman geschlagen geben: Hierzulande berieten die Amerikaner bei 36 Deals im Wert von 102,0 (62,8) Mrd. $
mit. Der ewige Rivale kam zwar immerhin auf 75 Transaktionen, die aber lediglich ein Volumen von 94,2 (70,0) Mrd. $ darstellten
Welches waren die größten Übernahmen des vergangenen Jahres?
Dass die strategischen Investoren die Schwäche der Private-Euqity-Fonds ausnutzen konnten, macht auch die Rangliste der größten Fusionen weltweit deutlich. Die Übernahme des britischen-australischen Minenkonzerns Rio Tinto durch BHP Billiton für 192,8 Mrd. $ sowie der Kauf der niederländischen Traditionsbank ABN Amro durch die Konkurrenten Royal Bank of Scotland, Santander und Fortis für 99,4 Mrd. $
standen einsam an der Spitze. Erst auf Rang 3 folgt eine Transaktion mit US-Beteiligung: Die Abtrennung des Lebensmittelherstellers Kraft Foods von der Mutter Altria mitsamt eigener Börsennotiz schlug mit 61,5 Mrd. $ zu Buche. Bis zum Viertplatzierten - der Übernahme des größten kanadischen Telekommunikationskonzerns BCE durch eine Investorengruppe unter Führung des Ontario Teachers' Pension Plan für 46,8 Mrd. $ - klafft bereits ein großes Loch. Ein Deal mit deutscher Beteiligung fehlt unter den Top-15 gänzlich.
Wie wird 2008?
Eines ist klar: Rekordjahre wie 2006 und 2007 wird es vorerst nicht mehr geben. Dafür sind die Folgen der Kreditkrise noch zu unabsehbar - wenngleich in jedem Fall klar ist, dass sie die Darlehensvergabe der Banken an Finanzinvestoren massiv eingeschränkt hat. Private Equity wird sich wie schon im zweiten Halbjahr 2007 bei den großen Übernahmen hinten anstellen müssen, allenfalls mittelgroße Deals sind machbar. Zwar sind viele der Fonds noch immer prall gefüllt und warten auf eine günstige Gelegenheit zuzuschlagen. Aber ihr ursprüngliches Investitionsmuster, den Einsatz eigener Mittel mithilfe von Bankkrediten massiv zu "hebeln" und so enorme Summen bieten zu können, ist einstweilen Geschichte - die Krise spielt eindeutig den strategischen Investoren in die Hände.
Die M&A-Experten der Banken rechnen für 2008 denn auch mit einer "weichen Landung" - 20 Prozent weniger Geschäft gilt gemeinhin als wahrscheinlich und zugleich verdaulich. Ein Absturz wie nach dem Boom um die Jahrtausendwende wird nicht befürchtet. Als Retter gelten maßgeblich mittelgroße Transaktionen im Wert von 1 Mrd. bis 5 Mrd. Euro. Hier kommen auch die Finanzinvestoren wieder ins Spiel. "Wir glauben, es ist ein Riesenfehler, Private Equity abzuschreiben", sagt JP Morgans deutscher M&A-Chef Dirk Albersmeier.
[strategische Auslassung ...]
Autor/Autoren: Tim Bartz (Frankfurt)
(c) FTD 04.01.2008 - 11:03 Uhr von finanztreff.de