Rote Zahlen und erste Pleiten: Die Branche steckt in der Krise / Von Markus Preiß
Der Börsenboom hat sie groß gemacht. Doch nun, wo die Kurse fallen,
Internet-Finanzportale in die Krise. Parallel zu den Börsen stürzten im
Dezember erstmals die Nutzungszahlen ab. wallstreet:online, Boerse.de
und OnVista verbuchten bei den abgerufenen Seiten Einbrüche von bis
zu 35 Prozent. Gatrixx musste für sein TV-Angebot im Internet
Konkursantrag stellen. Auch die Seite Fool.de, Ableger eines
US-Angebots, machte dicht: „Vor einem Jahr hing der Himmel voller
Geigen“, schreibt die Redaktion ernüchtert, „Motley Fool nicht
Schmerzhafte Abschiede stehen den Machern anderer Finanz-Portale
wohl noch bevor. Zwar sahen die Klick-Zahlen im Januar wieder
freundlicher aus. Aber der Einbruch hat die Anbieter vorsichtig gemacht.
Sie überlegen, wie das Geschäft auf weniger wacklige Füße gestellt und
endlich profitabel gemacht werden kann. Allen ist klar, die
Fehlermeldung „Seite nicht gefunden“ dürfte bald manche Homepage
ablösen.
Das Erkrather Unternehmen wallstreet:online setzt nun verstärkt auf die
Zulieferung von redaktionellen Inhalten an Lizenznehmer. Die Analysen
und Nachrichten des Redaktionsteams werden unter anderem von
Comdirect und Focus-Online gekauft. Mit dem so genannten
Content-Providing erzielt wallstreet:online 25 Prozent des Umsatzes.
Mehr als 70 Prozent entfallen auf Werbeeinnahmen im Netz, die von den
schwankenden Klick-Raten abhängen. Von Gewinnen ist das
Unternehmen weit entfernt: 3,2 Millionen DM Verlust bei 2,1 Millionen
Umsatz – das sind die letzten Zahlen.
Teure Echtzeitkurse
Auch die Berliner Gatrixx AG plant nach dem Aus für das TV-Angebot, das
Content-Providing „überproportional“ auszuweiten. Die Firma bastelt
zudem eifrig an einer Restrukturierung. Von ihren sieben Finanzseiten,
darunter Finanztreff und Mainvestor, sollen Ende März einige
zusammengelegt werden. „Es ist einfach zu teuer, so viele Marken zu
positionieren“, sagt eine Sprecherin.
Die hohen Marketingkosten machen auch den andere Finanzportalen zu
schaffen. Millionen wurden ausgegeben, um die Namen bekannt zu
machen. Zudem stellten die Unternehmen in Zeiten der Börseneuphorie
dutzende Mitarbeiter ein. Heute stöhnen sie unter hohen Personalkosten
und müssen entlassen.
Selbst die Prunkstücke vieler Portale, kostenlose Echtzeit-Kurse, sind
kaum refinanzierbar: Etwa einen Pfennig verlangt die Deutsche Börse pro
abgefragtem Kurs. Ein teurer Service für Seiten wie Finanztreff: Hier kann
der Kunde eine Watchlist von zehn Realtime-Kursen anlegen. Jeder
Abruf dieser Liste kostet Gatrixx damit zehn Pfennige. Die Werbung bringt
dagegen nur drei bis acht Pfennige. „Die Zeiten von so viel kostenlosen
Realtime-Kursen sind vorbei“, kündigt das Unternehmen an.
Dass sich Wachstum und Gewinn bei den Finanzportalen nicht
ausschließen, beweist aber OnVista. Das Kölner Unternehmen macht
Gewinne. 65 Prozent des Umsatzes werden mit Content-Zulieferungen
erwirtschaftet. Zu den 100 Mitarbeitern kommen jeden Monat zehn neue
dazu.
Auch das Daytrading-Portal Tradewire trotzt der Krise und arbeitet
profitabel. Die Umsatzrendite liegt bei 50 Prozent. Die Hamburger
beschäftigen nur vier feste Mitarbeiter, verzichten auf teure Echtzeit-Kurse
und konzentrieren sich voll auf das Thema Daytrading. Die Werbebanner
auf der Seite verkauft das Unternehmen selbst und umgeht damit die
Provisionen der Agenturen, die 30 bis 50 Prozent vom Werbeumsatz
einstreichen. Für ihren Erfolg hat sich die Firma nun belohnt: Statt in
einer Dreizimmerwohnung schreiben die Redakteure seit kurzem in
einem Haus an der Elbe – mit offenem Kamin und finnischer Sauna.
Gruß Dampf