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Schwellenländer lesen Europäern die Leviten
Brasilien beschwert sich bitter über das mangelnde Euro-Krisenmanagement und fordert ein Konjunkturprogramm.
Mit ungeahnt harschen Tönen haben die Finanzminister und Notenbankchefs der fünf größten Schwellenländer die Krisenpolitik der Euro-Zone kritisiert. Die Lage der Weltwirtschaft habe sich verschlechtert, sagte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega bei einer Pressekonferenz zur Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington.„Das Epizentrum der Krise ist dieses Mal die Europäische Union.“ Wie seine Kollegen aus Russland, China, Indien und Südafrika beklagt er die Uneinigkeit und das unabgestimmte Vorgehen in Europa. Mantega fordert, dass sich das ändern müsse, bevor die Auswirkungen die Schwellenländer mit herunterrissen. Deutlicher kann man es kaum sagen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will in den Gesprächen mit den Kollegen trotzdem nichts von dieser Kritik vernommen haben. „Die Turbulenzen und Nachrichten aus der Euro-Zone werden als eine der Hauptursachen für die Schwierigkeiten gesehen, insofern stehen wir Europäer auch im Fokus der Gespräche hier“, sagt er. Aber insgesamt sei alles ganz freundlich gewesen, so der Deutsche. Entweder reden die Kollegen untereinander nicht so offen, wie sie es gegenüber der Presse tun. Oder Schäuble hat die scharfen Töne lieber überhört.
Während die Schwellenländer schnellere Maßnahmen zur Rettung Griechenlands und des Euro fordern,drängen die USA die Europäer und damit vor allem das finanzstarke Deutschland zu Konjunkturhilfen, um die schwächelnde Weltwirtschaft zu unterstützen. Deutschland lehnt das aber weiterhin ab. „Die zu hohen Defizite sind eine Hauptursache für das mangelnde Vertrauen“, sagte der Minister.
Es gebe daher einen breiten Konsens in Europa, dass die Europäer an dem Weg der Defizitreduzierung festhalten müssten. „Wir in Europa sind auf einem grundsätzlich richtigen Weg, wir in Deutschland allzumal“, gab sich Schäuble selbstbewusst.
Unterstützung durch den Bundesbankpräsidenten
Unterstützung erhielt er in diesem Punkt von Bundesbankpräsident Jens Weidmann. „Man muss an den Ursachen der Staatsschuldenkrisen ansetzen“, sagte Weidmann. Daher müsse man die Stabilität der Staatsfinanzen und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einiger Euro-Länder verbessern. Weidmann warnte zunächst vor Panik. „Wenn man die Lage der Konjunktur in wenigen Worten zusammenfassen würde, könnte man sagen: Die Lage ist derzeit deutlich besser als die Stimmung.“
Dann aber goss er selbst Wasser in den Wein. „Allerdings greifen die Turbulenzen an den Finanzmärkten allmählich auf die Stimmung über.“ Die Konjunktur der Weltwirtschaft sei daher schon im Frühjahr mit deutlich weniger Schwung unterwegs gewesen. Eine erneute Rezession halte er zwar für unwahrscheinlich – zumal Deutschland sich noch immer positiv vom Rest Europas abhebe. Da sich der Unterschied zu den Euro-Partnern aber verringere, schloss auch Weidmann eine Wachstumsdelle für die Bundesrepublik nicht mehr aus.
Weidmann warnt vor der Abkehr vom Sparkurs
Weidmann warnte davor, dem Drängen der Amerikaner nach einer Abkehr vom deutschen Sparkurs nachzugeben. „Keine Option ist die Abwendung vom Konsolidierungskurs“, so Angela Merkels früherer Wirtschaftsberater. Das würde Deutschlands Position als Stabilitätsanker der Euro-Zone nur gefährden. „In der Unsicherheit, in der wir uns befinden, ist Verlässlichkeit ein ganz wichtiges Element“, warnte Weidmann.
So schätzt der IWF die Wirtschaftsentwicklung ausgewählter Länder ein...
Anders als beim Thema Konjunkturpakete konnten sich die Finanzminister der 20 größten Industrie- und Schwellenländer zumindest auf ein Communiqué zurLage der Banken einigen. „Wir verpflichten uns zu allen notwendigen Maßnahmen, um die Stabilität des Bankensystems und der Finanzmärkte zu sichern, soweit das notwendig ist“, heißt es darin. Die Zentralbanken stünden bereit, den Geldhäusern mit Liquidität über Engpässe hinwegzuhelfen.
„Die Staaten werden sichern, dass die Banken ausreichend kapitalisiert sind und ausreichenden Zugang zu Finanzmitten haben, um mit den gegenwärtigen Risiken fertig zu werden“, heißt es in dem Papier weiter. Ursprünglich war von einem derartigen Communiqué überhaupt nicht die Rede. Nachdem am Donnerstag die Börsen aber weltweit auf Talfahrt gingen, getrieben vor allem vom Einbruch der Bank-Aktien, sahen sich die Finanzminister zu dieser Maßnahme gezwungen, die Vertrauen schaffen soll.
Der Bundesbankpräsident warnte allerdings vor übereilten Schlüssen. „Natürlich ist eine angemessen Eigenkapital-Ausstattung vor dem Hintergrund der Turbulenzen an den Märkten wichtig“, sagte er. Man müsse aber auch sehen, dass die Kapitalausstattung der Banken heute besser sei als 2008. „Undifferenzierte Forderungen nach einer höheren Kapitalausstattung halte ich nicht für richtig“, schickte Weidmann an die Adresse des IWF, der von den Europäern genau das gefordert hatte. Schäuble verwies vor allem auf das deutsche Bankenrestrukturierungsgesetz. Damit sei Deutschland besser aufgestellt als viele andere Länder, die so ein Verfahren zur Abwicklung maroder Banken nicht hätten, sagte der Finanzminister.
Auch die Forderung der Vize-Vorsitzenden der EU-Kommission, Viviane Reding, nach einer Einführung gemeinsamer europäischer Staatsanleihen, kurz Euro-Bonds, konnte die Deutschen nicht begeistern. „Das wäre dann ein großer kerneuropäischer Anleihemarkt“, hatte Reding der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ gesagt. „Ein Fels in der Brandung – mit starker Liquidität und Bonität.“ Beteiligen daran sollten sich nur die Staaten mit der höchsten Bonität – also Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Österreich, die Niederlande und Finnland. Schäuble war davon keineswegs überzeugt. „Zum Thema Euro-Bonds ist alles gesagt“, fauchte er. „Und ich kann nicht erkennen, welche besondere Zuständigkeit Frau Reding dafür hat.“ Die Vertreter der Schwellenländer werden sich von solchen Auseinandersetzungen der Europäer mitten in der Krise in ihrer Kritik nur bestätigt sehen.