Donnerstag, 04.04.2019 15:45 von Klaus Stopp | Aufrufe: 269

Und sie bewegt sich doch

Dann eben doch mit Jeremy Corbyn! Nachdem sich Theresa May bisher geweigert hatte, auf die Labour-Partei in Sachen Brexit zuzugehen, will sie nun mit Oppositionschef Corbyn zusammen nach einem Weg aus der Sackgasse suchen. Warum nicht schon früher, mag man sich in Deutschland fragen, wo man mit großen Koalitionen Erfahrung hat. Beide Gesprächspartner bezeichneten das Treffen als konstruktiv, aber ergebnislos. Es gibt also noch viel zu bereden.

May sucht Lösung mit der Opposition

Deshalb braucht die Premierministerin mehr Zeit und will die EU erneut bitten, den Austrittstermin noch einmal über den 12. April auf den 22. Mai zu verschieben. Sonst droht bekanntlich der ungeregelte Brexit. Ein geregelter Austritt mit einem Abkommen ist für May zwar die beste Lösung, aber ihr eigener Deal mit der EU ist bekanntlich im Parlament schon dreimal gescheitert.

Brexiteers bringen sich in Stellung

Wenn sie sich nun mit Corbyn, der Mays Angebot umgehend annahm, zusammensetzt, um sich auf einen gemeinsamen Plan zu einigen, ist das für beide nicht ohne Risiken. Zum einen kann es in den Gesprächen ohnehin nur um die politische Erklärung zur zukünftigen Partnerschaft gehen, nicht aber um den rechtsverbindlichen Kern des Austrittsabkommens. Denn die EU ist nicht bereit, diesen zu öffnen. Und zum anderen droht beiden Gesprächspartnern Widerspruch aus den eigenen Reihen. Insbesondere May muss die Hardliner unter den Brexiteers der Tories fürchten, wenn sie nun eine parteiübergreifende Austrittsregelung sucht. Denn Corbyn beharrt auf einer Zollunion mit der EU, die im Parlament als populärste Variante eines sanften Brexits gilt. Außerdem will er eine enge Anbindung an den Binnenmarkt. Sollten sich May und Corbyn auf einen Kompromiss einigen können, wäre eine vierte Abstimmung im Unterhaus aussichtsreich. Für einen Hardliner wie Boris Johnson aber wäre das natürlich reines Teufelszeug. Man könne nicht die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt aus der EU herausführen und sich trotzdem von der EU führen zu lassen, tönte er bereits. Corbyn wiederum könnte durch eine solche Einigung durch jene Abgeordneten von Labour unter Druck geraten, die gar nicht aus der EU austreten wollen.

May springt über ihren Schatten

Es ist nun vorgesehen, den gemeinsamen Plan, sollte er denn zustande kommen, nächste Woche den anderen EU-Staaten vorzulegen. Letztendlich riskiert May mit dieser Vorgehensweise die endgültige Spaltung der Tories, die so tief zerstritten sind, dass eine Loslösung der radikalen EU-Gegner ohnehin nur eine Frage der Zeit ist. Vielleicht wird man May, die in der Sache bisher eigentlich extrem unglücklich agiert hat, mal nachsagen, dass es ihr größter Verdienst war, die Interessen des Landes über die der Partei gestellt zu haben. Sie, die bisher Zugeständnisse an die Opposition kategorisch abgelehnt hatte, ist nun über ihren Schatten gesprungen. Denn was ein ungeregelter Brexit bedeuten würde, das hatte dieser Tage Wirtschaftsminister Peter Altmaier noch einmal unmissverständlich klargemacht: Es stehen tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel, insbesondere in der Exportindustrie.

Plan B in der Schublade

Falls bei den Gesprächen zwischen May und Corbyn am Ende kein gemeinsamer Vorschlag herauskommen sollte, hat sich die Premierministerin angeblich einen Plan B zurechtgelegt. Dann will sie sich mit der Labour-Opposition auf einen Katalog verschiedener Optionen verständigen, unter denen die Abgeordneten eine auswählen könnten. Was dann folgen würde, kennen wir bereits zur Genüge: Abstimmungsmarathons, die mit „No“ enden. Lassen wir uns einfach überraschen!

Doch auch das Parlament will sich nun endlich präsent zeigen und hat sich am gestrigen Abend mit einem Gesetzentwurf beschäftigt, der einen EU-Austritt ohne Abkommen unmöglich machen soll. Das Ergebnis lässt aufhorchen. Es wurde in der dritten Lesung angenommen! Zwar nur mit einer Stimme Mehrheit, aber immerhin. Bevor er allerdings zum Gesetz werden kann, muss noch das Oberhaus zustimmen!

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Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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