Sonntag, 09.06.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 1331

Rom bastelt an Parallelwährung

Giuseppe Contes Geduld ist weitgehend erschöpft. Genervt von den „kindischen Querelen“, wie der „Corriere della Sera“ den Dauerstreit innerhalb Italiens populistischer Regierung aus Lega und MoVimento 5 nannte, drohte Italiens parteiloser Premier mit Rücktritt. Die beiden Parteichefs sollten ihm klar, unmissverständlich und insbesondere rasch sagen, ob sie bereit seien, im Sinne des Koalitionsvertrags weiterzumachen oder vorgezogene Parlamentswahlen anstrebten. Wenn nicht, werde er sein Amt niederlegen.

Conte pocht auf Einhaltung der Schuldenregeln

Dieser Wink mit dem Zaunpfahl des Premiers erwischt die Regierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn dem hoch verschuldeten Land steht ein Defizitverfahren der EU ins Haus, da es die Schuldengrenzen gebrochen hat. Die EU-Kommission kam nämlich zu dem Schluss, die Regierung in Rom habe 2018 keine ausreichenden Gegenmaßnahmen getroffen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat. Dies könnte für Italien Strafen in Milliardenhöhe nach sich ziehen, da die EU-Kommission sich gestern für eine Einleitung eines Strafverfahrens ausgesprochen hat. Die endgültige Entscheidung hierüber wird jedoch von den EU-Finanzministern zu treffen sein.

Während Lega-Chef Matteo Salvini nach den für ihn erfolgreich verlaufenen Europawahlen davon schwadronierte, die Wähler hätten ihm ein Mandat erteilt, die geltenden Schuldengrenzen in der EU neu zu verhandeln, pocht Conte darauf, die Schuldenregeln gefälligst einzuhalten. Ein Defizitverfahren gegen Italien würde dem Land „sehr wehtun", sagte der Premier und forderte dazu auf, die Verhandlungen mit Brüssel nicht zur Grundlage neuer Provokationen zu machen. 

Rom beschließt Mini-Bots

Indessen verfolgt Salvini in Sachen Währung seine eigene Agenda. Vergangene Woche hat die italienische Abgeordnetenkammer die Ausstellung kurzfristiger Schuldscheine in Stückelungen von fünf bis 500 Euro beschlossen, wie sie bereits im Koalitionsvertrag von 2018 festgeschrieben waren. „Mini-Bots“ (BOT steht für „Buoni Ordinari del Tesoro“) nennt man diese „Schatzanweisungen“ mit Laufzeiten zwischen drei und zwölf Monaten, welche der italienische Staat einsetzen will, um Rechnungen innerhalb seiner Grenzen zu begleichen. Darüber hinaus sollen Bürger und Unternehmer damit ihre Steuern bezahlen können. Jedoch kann man mit diesen Mini-Bots die Fiskalkriterien nicht umgehen, da diese nicht auf die Art der Finanzierung, sondern auf Schuldenstand und Defizit gründen.

Drohpotenzial für den Budget-Streit mit Brüssel

Natürlich schafft Rom damit de facto eine Parallelwährung und könnte letztendlich den Einstieg in den Ausstieg Italiens aus dem Euro einläuten. Allerdings fällt auch für die wirtschaftlich stärkeren Länder die Gefahr der Mithaftung weg. Zur endgültigen Beurteilung dieser Maßnahme bedarf es noch der praktischen Erfahrung. Anzunehmen ist freilich, dass Italien die Mini-Bots nutzten wird, um im Budget-Streit mit der EU Drohpotenzial aufbauen zu können. Man darf gespannt sein, ob sich Brüssel hier von Rom auf der Nase herumtanzen lässt, denn Schulden in Höhe von 2,3 Bill. € sind kein Pappenstiel.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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