Sonntag, 21.04.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 452

Regierung in Rom auf Abwegen

Was sich derzeit in Italien zusammenbraut, verheißt nichts Gutes. Nachdem die drittgrößte Volkswirtschaft in Europa noch vor Kurzem einen Konjunkturschub von einem Prozent prognostiziert hatte, steuert das Land nun auf ein Nullwachstum zu, wie Wirtschaftsminister Giovanni Tria bereits gewarnt hat. Damit wird das geplante Neuverschuldungsziel von 2,04% des BIPs verfehlt. Stattdessen wird das Budgetdefizit auf ca. 2,40% steigen, worüber Rom lange mit Brüssel gestritten hatte. Bekanntlich will die Regierung aus populistischer Fünf-Sterne-Bewegung und rechter Lega mit dem höheren Haushaltsdefizit eine kostspielige Rentenreform und neue Sozialleistungen bezahlen. Vor diesem Hintergrund bewertet der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, Konflikte mit Italien als ein viel größeres Risiko für die europäische Wirtschaft als einen harten Brexit. Schließlich würde sich eine tiefe Rezession in Italien auch auf Deutschland - als einen der wichtigsten Handelspartner des Landes - auswirken.

Defizit droht noch höher auszufallen

Und im schlimmsten Fall kann das Defizit noch höher ausfallen. Zumal die OECD bereits heute befürchtet, dass die Wirtschaftsleistung des Landes in diesem Jahr sogar um 0,2% schrumpfen wird und die Schuldenquote auf 134% ansteigen könnte. Nicht von Ungefähr forderte jüngst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von der Regierung in Rom zusätzliche Kraftanstrengungen, um die schwächelnde Konjunktur anzukurbeln. Denn sonst läuft das Land Gefahr, bei der nächsten Rezession in größere Schwierigkeiten zu geraten – und würde damit natürlich auch die EU vor Probleme stellen.

Populisten wollen von eigenen Versäumnissen ablenken

Hierbei zeigt sich zum wiederholten Male, dass die in Rom regierenden Populisten gerne andere Institutionen - wie in diesem Falle die EU - zum Sündenbock machen, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken. Dabei gäbe es genügend vor der eigenen Haustür zu kehren. Ein zentraler Punkt sind hier die italienischen Banken, die nicht nur milliardenschwere faule Kredite mit sich herumschleppen, sondern auch noch italienische Staatsanleihen im Volumen von ca. 400 Mrd. € in den Büchern haben. Dies birgt die Gefahr in sich, dass bei fallenden Kursen die kriselnden Banken entsprechende Abschreibungen vornehmen müssen. Derzeit beträgt der Renditespread italienischer Bonds im Zehnjahresbereich ca. 252 BP gegenüber deutschen „Bunds“ – Tendenz wieder leicht steigend.

Damoklesschwert eines Downgrades

Und über allem schwebt das Damoklesschwert eines Downgrades der Kreditwürdigkeit des Landes. Erst im März hatte die Ratingagentur Moody’s die Bonität Italiens mit „Baa3“ gerade noch im Bereich „Investment Grade“ belassen. Damit liegt die Bonitätsnote des Landes nur eine Stufe über dem sogenannten Ramschbereich. Unter anderem sollen neue günstige Langfristkredite der EZB den Absturz in Richtung Non-Investment Grade verhindern.

Daher hängt viel davon ab, ob es dem Land gelingt, internationale Investoren und Ratingagenturen von seiner Kreditwürdigkeit zu überzeugen. Ein vernünftiges Sparprogramm, gekoppelt mit weitreichenden Reformen, würde hier sicher helfen. Allerdings scheint die Regierung in Rom gerade auf Abwegen, also in eine ganz andere Richtung, unterwegs zu sein.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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