Samstag, 06.04.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 353

Notenbanken und die Quadratur des Kreises

Nachdem bereits seit Jahren der Nullzins die Notenbankpolitik in Japan beherrscht, droht inzwischen der Eurozone ein ähnliches Schicksal. Denn der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat bereits vor Wochen angedeutet, dass man im Falle einer stärkeren Eintrübung der Konjunktur die Zinswende weiter nach hinten verschieben werde. Schenkt man den Worten der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, Glauben, so hat das weltweite Wirtschaftswachstum an Schwung verloren. In diesem Zusammenhang sei auf eine Auswertung des auf Logistik spezialisierten Unternehmens S&P Global Market verwiesen, das bei der Seefracht in die USA den ersten Rückgang seit zwei Jahren ermittelte. Somit ist weiterhin viel Fingerspitzengefühl bei den geldpolitischen Entscheidungen in den bedeutenden Notenbanken gefragt.

Für die US-amerikanische Notenbank Fed ist deshalb nach Meinung Lagardes ein „geduldiges Tempo“ bei der Normalisierung der Geldpolitik notwendig, um das konjunkturelle Wachstum in der zweiten Jahreshälfte 2019 zu unterstützen. In der Eurozone hingegen ist die Situation eine ganz andere. Dort wurden die in der Finanzkrise 2008 aufgetretenen Probleme nicht wirklich gelöst, sondern nur in die Zukunft verschoben. Das bedeutet allerdings zugleich, dass bei einer neuerlichen Krise die EZB die Zinsen nicht mehr weiter senken kann, sondern auf andere geldpolitische Instrumente zurückgreifen muss. Bereits jetzt können die europäischen Banken - nach dem neuesten Global Risk Report der Boston Consulting Group - für sich in Anspruch nehmen, den geringsten Gewinn nach Abzug der Risiko- und Kapitalkosten zu erwirtschaften - und das wird ohne Zinswende auch noch lange so bleiben. Es besteht aber kein Grund, auf diesen Spitzenplatz stolz zu sein. Zumal in den Jahren 2013 bis 2017 die Banken in Nordamerika auf ein Plus von 195 Mrd. € verweisen können und in Europa im gleichen Zeitraum ein Fehlbetrag von 465 Mrd. € erwirtschaftet wurde. Sogar die Regionen Asien-Pazifik, Südamerika sowie Nahost mit Afrika konnten mit positiven Ergebnissen punkten.

Nicht zuletzt ist dies ein Grund für die inzwischen aufkommenden Überlegungen, der sinkenden Profitabilität der europäischen Banken mit einer Staffelung der Einlagenzinsen zu begegnen. Im Rahmen einer Staffelung könnten Teile der Bankeinlagen mit einem geringeren Strafzins belegt werden. Jedoch ist die Diskussion hierzu noch im Anfangsstadium, da eine solche Anpassung Interpretationsspielraum schaffen würde. Denn ein solcher Schritt könnte als Vorbote einer möglichen Zinswende empfunden werden und zugleich die Zinskurve flacher werden lassen. Nutznießer eines Staffelsystems wären sicherlich die Banken Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Luxemburgs und der Niederlande. Ob man im Gegenzug den Banken der anderen Euroländer mit günstigen Konditionen bei der dritten Serie der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte entgegenkommen könnte, wird eine auf EZB-Arbeitsebene zu überprüfende Variante sein. Aufschluss über den Stand der Diskussion zu diesem Thema erhofften sich die Marktteilnehmer auch von der Veröffentlichung des EZB-Sitzungsprotokolls vom 7. März des Jahres. Jedoch wurde diese Hoffnung enttäuscht.

Es sind also keine einfachen Zeiten für die Notenbanker Englands, der Eurozone, Japans, der Schweiz und den USA, in denen es gilt, die doch sehr unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die geldpolitischen Entscheidungen richtig zu bewerten. Aber zumindest haben die Präsidenten der anderen Notenbanken nicht noch zusätzlich unter solchen Anfeindungen zu leiden, wie sie Fed-Chef Powell erfährt. Dieser war zuletzt wieder in Trumps Fadenkreuz geraten und wird nicht zum ersten Mal für alle negativen Entwicklungen beim US-Haushaltsdefizit, bei den Börsenindices und auch beim Handelsbilanzdefizit verantwortlich gemacht. Doch Powell lässt die Kritik an sich abprallen und verweist auf die seinem Vertrag zugrundliegende Laufzeit, die sogar über die momentane Amtszeit von D.T. hinausgeht.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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