Dienstag, 22.10.2019 08:24 von BlackRock Investment Institute | Aufrufe: 175

Marktausblick Woche 43: Warum uns Brexit noch Jahre nerven wird

Beklagenswertes Europa: Zu sagen, in Brüssel habe man vom Brexit die Nase voll, wäre eine vornehme Untertreibung. Zuletzt wurde dies deutlich in der genervten Intensität, mit der eine Lösung für Nordirland gesucht wurde, um das leidige Thema nun endlich vom Tisch zu bekommen.

Das Update zur Woche mit Dr. Martin Lück



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Die Nase voll.

Zu sagen, in Brüssel habe man vom Brexit die Nase voll, wäre eine vornehme Untertreibung. Zuletzt wurde dies deutlich in der genervten Intensität, mit der eine Lösung für Nordirland gesucht wurde, um das leidige Thema nun endlich vom Tisch zu bekommen. Schließlich hatten beide Seiten ein bisschen nachgegeben, ein wachsweicher Kompromiss war gefunden, nur damit am letzten Samstag alle Beteiligten lernen mussten, dass man in dieser Frage keine Rechnung ohne das britische Unterhaus machen darf. Nun muss erst die gesamte Ratifizierung des Austrittsabkommens in trockenen Tüchern sein, bevor der Brexit zum 31. Oktober doch noch erfolgen kann. Das ist machbar, aber ambitioniert.

Die damit verbundene und allseits greifbare Verwirrung lässt sich auch an den Preisen britischer Finanzaktiva ablesen. Zwar hat es eine merkliche Erholung, vor allem beim Pfund Sterling gegeben, das allein seit der jüngsten Abwertung Anfang Oktober in den letzten Tagen um 4,3% gegenüber dem Euro zugelegt hat (und sage und schreibe 8% seit dem 9. August, seinem bisherigen Tiefststand), aber gerade das wilde Hin und Her der Kurse während der letzten Handelstage zeigt, wie sehr Investoren auf die sich geradezu im Minutentakt ändernde Nachrichtenlage anspringen. Zwar erscheint es aus unserer Sicht rational, graduell Positionen in britischen Anlagen aufzubauen. Zu denken wäre etwa an Anleihen, deren Verzinsung deutlich über denen der Eurozone liegt, oder an britische Small- und Mid-Cap-Aktien. Aber Investoren, die in dieser Weise auf einen gütlichen Ausgang des Brexit-Dramas setzen, werden noch einen langen Atem brauchen. Denn wie hart oder weich die Beziehungen der Rest-EU zu Großbritanniens auf lange Sicht sein werden, dürfte erst in vielen Jahren endgültig absehbar sein. Üblicherweise dauert das Aushandeln von Freihandelsabkommen mindestens fünf Jahre, meistens mehr. Jede Erleichterung der genervten Brüsseler Beamten über das vermeintlich absehbare Ende des Brexit-Geschachers dürfte damit verfrüht sein.

Goethes Faust

Schon Goethes Faust musste auf schmerzliche Weise lernen, dass ein Pakt mit dem Teufel sehr teuer sein kann. Als die EU, im Angesicht des von Assad begangenen Völkermordes in Syrien, mit der absehbaren Flüchtlingskatastrophe konfrontiert wurde, schloss sie eilig den naheliegendsten Pakt, nämlich mit dem Nato-Partner in der Region. Erdogans Türkei versprach, die verzweifelten Syrer an der Grenze abzufangen und dort in Lagern zu beherbergen, wofür die EU der Türkei rund 6 Mrd. Euro in Aussicht stellte. Nun hat der türkische Autokrat aber, wie lange angedroht, die Möglichkeit des US-Truppenabzugs ergriffen, in Nordsyrien einzumarschieren, um die nunmehr schutzlosen dort lebenden Kurden zu vertreiben, stattdessen syrische Flüchtlinge unterzubringen und eine Art Pufferzone zur Türkei zu schaffen. Das Ergebnis ist, wie nicht anders zu erwarten, eine humanitäre Katastrophe. Rund 200.000 Kurden sind seitdem auf der Flucht, vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen. Wer erwartet hätte, die EU würde entschlossen reagieren, etwa mit Wirtschaftssanktionen, der Beendigung des türkischen EU-Beitrittsstatus‘ oder einem Einfrieren von Finanzanlagen des Erdogan-Clans, hatte die Rechnung ohne Mephisto gemacht. Der nämlich drohte Europa nur für den Fall, dass man den militärischen Überfall auf Nordsyrien eine Invasion zu nennen wage damit, die rund 3,6 Millionen flüchtenden Syrer aus den türkischen Lagern direkt nach Europa zu schicken. Die EU hat auf diese Erpressung bis heute keine Antwort gefunden. Wenn asiatische oder amerikanische Investoren Europa als blutarm, gesichts- und mutlos empfinden und ihre Fonds lieber woanders anlegen, hat dies auch mit der fehlenden Vorstellung davon zu tun, was Europa eigentlich will.

Was das für Anleger bedeutet?

Anleger auf der Suche nach überzeugenderer politischer Führung werden heutzutage auch in den USA kaum fündig. Immer irrationaler werden die Tweets des Präsidenten, immer mehr muss man an seiner geistigen Gesundheit zweifeln. Vermutlich ist eine vorzeitige Beendigung seiner Amtszeit im Rahmen des 25. Zusatzartikels der Verfassung inzwischen ebenso denkbar wie die bereits laufende Prüfung eines Impeachment-Verfahrens. Zusatzartikel 25, insbesondere Absatz 4, sieht vor, dass der Präsident abgesetzt werden kann, wenn er sein Amt nicht mehr ausüben kann, etwa weil er geisteskrank ist. Das klingt angesichts des täglichen Irrsinns aus dem Weißen Haus auch aus Anlegersicht nicht wirklich gut. Dass die USA dennoch für viele Investoren das bevorzugte Ziel sind, liegt denn auch nicht an Trump, sondern an den US-Unternehmen. Denn diese sind im Vergleich zu ihren europäischen Pendants viel besser darin, technologische Innovationen zu großen und erfolgreichen börsennotierten Unternehmen weiterzuentwickeln. Gewinnwachstum und Margen sind robuster, Breite und Tiefe der Aktienmärkte bilden den globalen Maßstab. Gerade in Zeiten politischer und ökonomischer Unsicherheit ist es daher kein Wunder, wenn weltweit Anleger ihr Heil eher in amerikanischen Aktien suchen. Europa steht derweil zaudernd an der Seitenlinie. Auch wir bleiben übergewichtet in Aktien, und auch wir ziehen US-Unternehmen solchen aus anderen Teilen der Welt vor.





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