Samstag, 23.03.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 339

Großfusion und Niedrigzins

Die bundesdeutsche Wirtschaft weist viele internationale Champions auf. Neben Großkonzernen der Automobil-, Chemie- oder Pharmaindustrie sind dies auch eine lange Liste jenes sprichwörtlichen Deutschen Mittelstands, der oft unauffällig seine Weltmarktnische pflegt. Was der deutschen Wirtschaft aber aktuell fehlt, ist ein starker nationaler oder gar internationaler Champion in der Kreditwirtschaft. Dass ein solcher benötigt wird, um die deutsche Exportwirtschaft zu begleiten, ist ja durchaus ein ernst zu nehmendes Argument. Deutsche Bank und Commerzbank können diese Rolle aber nur noch bedingt erfüllen, bewegen sie sich international höchstens im Mittelfeld. Doch neben allen vorgebrachten Argumenten darf eine Ursache für die Schwäche der beiden Institute nicht vergessen werden: die anhaltende Nullzinsphase.

Eins und eins wäre weniger als zwei

Dass eine Fusion aus Deutscher Bank und Commerzbank, die beide immer noch hausgemachte Probleme mit sich herumschleppen, einen neuen nationalen Champion schaffen würde, wird derzeit immer wieder stark bezweifelt. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die beiden Institute bei einer Fusion automatisch ihre Positionen addieren können. Eins und eins wäre weniger als zwei. Vielmehr würde es vorkommen, dass Unternehmen etwa bei Konsortialkrediten aus Gründen der Risikostreuung eine neue Bank mit ins Konsortium nehmen würden. Damit dürften auch bei Mittelständlern mehr Auslandsbanken als bisher zum Zuge kommen. Es ist ein Schelm, der Böses dabei denkt, dass dieser Platz vielleicht von Goldman Sachs, dem ehemaligen Arbeitgeber des Staatssekretärs im Bundesfinanzministeriums, Jörg Kukies, eingenommen werden könnte.

Berlin will nicht noch mal eine Bank retten müssen

Dabei dürfte hinter den Bemühungen der Bundesregierung, unter Führung von Finanzminister Olaf Scholz, den Zusammenschluss der beiden Banken voranzutreiben, noch eine andere Motivation stecken. Berlin will einfach nicht noch einmal in die Verlegenheit kommen, eine Großbank auf Kosten des Steuerzahlers retten zu müssen. Mit einem Gebilde aus Deutscher Bank und Commerzbank aber dürfte dieses Risiko nicht unbedingt abnehmen – im Gegenteil, eine neue Großbank wäre erst recht „too big to fail“, von der Sinnhaftigkeit einer solchen Fusion mal ganz abgesehen. Denn in diesem Zusammenhang sei auch nochmals daran erinnert, dass vor Jahren die Deutsche Bank mit der Dresdner Bank, die dann an die Allianz und später an die Commerzbank verkauft wurde, fusionieren sollte. Es kommt also mit Verspätung doch zum Zusammenschluss. Nur wäre man damals noch groß und bedeutend gewesen!

Eigenkapitalschwäche geht auch auf Niedrigzins zurück

Ungeachtet dessen würde es ohnehin keinen wundern, wenn das neue Gebilde noch eine Kapitalspritze aus Steuergeldern benötigen würde, um mit genügend Eigenkapital ausgerüstet zu sein. Denn ein üppiges Kapitalpolster haben sich die beiden Partner bisher kaum ansammeln können. Zugegeben, dabei spielen insbesondere bei der Deutschen Bank die Sünden der Vergangenheit eine große Rolle. Ein weiterer Grund aber, warum die beiden größten deutschen Banken sich so schwertun, genügend Speck anzusammeln, liegt nun mal in der anhaltend expansiven Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). In einem Umfeld, wo Niedrig- und Negativzinsen langfristig zum Alltag geworden sind, fällt es jeder Bank schwer, eine ordentliche Marge zu verdienen. Je niedriger das Zinsniveau, desto geringer ist nun mal auch die Zinsmarge - und desto stärker der Druck auf die Profitabilität der Banken. Deshalb hat die aktuelle Debatte um die Zukunft der Deutschen Bank und der Commerzbank ihre Ursachen eben auch in der Geldpolitik der EZB. Erhalten US-Banken für ihre bei der US-Notenbank gehaltene Mindestreserve Zinsen, so müssen beispielsweise deutsche Kreditinstitute Strafzinsen an die Europäische Zentralbank zahlen. Das tut doppelt weh!

Hoher Wettbewerbsdruck in Deutschland

Hinzu kommt im Falle von Deutschland eine weitere Besonderheit – und zwar die starke Stellung von Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken, die den Wettbewerb in jedes Dorf tragen.  Auch dies führt zu einer Senkung des Preisniveaus im Markt – zur Freude der Kunden und zum Verdruss der Kreditwirtschaft.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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