Sonntag, 02.06.2019 10:15 von Klaus Stopp | Aufrufe: 809

Geldpolitik mit diversen Nebenwirkungen

Mit Blick auf die in der kommenden Woche stattfindende Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) ist es bereits jetzt an der Zeit, sich mit den zu erwartenden Entscheidungen und allen möglichen Tagesordnungspunkten zu beschäftigen. So wird am 6. Juni damit gerechnet, dass die Details der neuen langfristigen Refinanzierungsgeschäfte der dritten Serie (TLTRO3) bekanntgegeben werden. Ob es in diesem Zusammenhang auch Neues bezüglich gestaffelter Einlagensätze geben wird, ist zu bezweifeln. Denn inzwischen mehren sich die Befürchtungen, dass Staffelzinsen als ein falsches Signal an die Kapitalmärkte interpretiert werden könnten. Nicht von Ungefähr hat Bundesbank-Vorstand Sabine Mauderer auf die Gefahr hingewiesen, dass dies als „Türöffner für weitere Zinssenkungen“ gedeutet werden könnte und EZB-Vize Luis de Guindos merkte an, dass es keinen Grund für die oft diskutierte Staffelung der Strafzinsen gebe.

Strafzinsen an EZB über acht Milliarden pro Jahr

Es ist also auch weiterhin davon auszugehen, dass Banken für überschüssige Gelder Zinsen an die EZB zahlen müssen. In den USA werden diese Gelder zwar seit dem 1. Mai 2019 trotz unverändertem Leitzins-Korridor „nur“ noch mit 2,35% verzinst, aber das bedeutet zugleich ca. 38 Mrd. USD als jährliche Überweisung der US-amerikanischen Notenbank (Fed) an in den USA operierende Banken. Bei der EZB hingegen ist wegen des Strafzinses eine Zahlung der Banken an die Zentralbank i.H.v. ca. 8 Mrd. € zu erwarten. Vor diesem Hintergrund sollte der EZB-Rat die möglichen Folgen der Negativzinsen erörtern, auch wenn die Gewinnschwäche der Geldhäuser im Euro-Raum sicherlich noch andere Ursachen hat. Allerdings hat auch Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau bereits seine Meinung kundgetan. Er behauptet, dass die Auswirkungen überbewertet würden und eine sorgfältige, seriöse Analyse nicht von heute auf morgen erfolgen könne.

Billiges Geld als Verlockung für französische Firmen

Doch dürfte auch ein anderer Aspekt der EZB-Geldpolitik bei dieser Diskussion zum Tragen kommen, der in den vergangenen Tagen immer wieder Thema an den Finanzmärkten war. Insbesondere französische Unternehmen haben laut einer Auswertung von Dealogic das billige Geld genutzt, um ausländische Konkurrenten aufzukaufen und in den USA zu expandieren. So wurden 2017 und 2018 jeweils rund 100 Mrd. USD von französischen Unternehmen für Übernahmen aufgewendet. Dies belegen die jüngst von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) veröffentlichten Zahlen. Nach ihnen belaufen sich die Schulden von Unternehmen in Frankreich auf ca. 143% des BIPs, im Vergleich dazu die Zahlen für deutsche (ca. 55% des BIPs) und amerikanische Unternehmen (ca. 74% des BIPs). In manchen Fällen versorgten französische Gesellschaften sogar ihre ausländischen Tochterunternehmen mit billigem Geld aus dem Euroraum.

Aufsicht in Sorge

Die Aufsichtsbehörde in Frankreich und die EZB beobachten diese gefährliche Entwicklung bei den Unternehmensschulden mit Sorge und befürchten bei einer nachhaltigen Abschwächung des Wirtschaftswachstums eine Destabilisierung des Finanzsystems. Aus diesem Grund wurden die französischen Banken in den vergangenen Jahren mehrfach aufgefordert, ihre Kredite an Unternehmen mit höheren Rücklagen abzusichern. Da es sich hierbei aber nicht nur um ein französisches Problem handelt, sondern auch in Deutschland beim Zusammenschluss von Bayer und Monsanto eine Rolle spielte, darf man auf die Risikoanalyse durch die europäischen Notenbanker gespannt sein. Mehr dazu in Kürze.

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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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