Hallo zusammen,
danke an der Stelle an viele der engagierten Analysten (selbstverständlich in diesem Kontext sehr positiv gemeint) und Informationsverbreiter hier im Forum für die tollen und gut analysierten Beiträge trotz der vielen Leute, die einfach nur unnötige Kommentare bringen. Ich möchte gerne meine Notizen, Erkenntnisse und Einschätzungen ebenfalls mit euch teilen und hoffe, auf diese Weise auch mal wieder etwas zurückgeben zu können. Vieles wurde natürlich schon genannt, aber auf ein paar Dinge möchte ich dennoch kurz eingehen.
Zunächst zur viel besprochenen Thematik der EBITDA-Marge: Ich kann den Analysten von JPM in gewissem Maße verstehen, da die Marge, die sich auf die reine Prognoseveränderung bezieht, mit 25% natürlich unter den vorher für 2025 durchschnittlich anvisierten 33% liegt. Man darf jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass die EBITDA-Marge bei Wirecard seit 2007 (frühere Daten habe ich leider aus den Geschäftsberichten auf der Homepage nicht finden können) im Schnitt bei 27,5% liegt, ziemlich konstant und mit minimal steigender Tendenz. Dementsprechend sind die für 2025 anvisierten durchschnittlichen 31,7% nach wie vor eine enorme Steigerung. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass diese Prognoseerhöhung durch die vielen neuen und großen Kunden sowie die strategische Partnerschaft mit Softbank zustande kommt. Die 25% sind also die Marge, die bei den neuen Großkunden verdient wird und dafür sind 25% trotz deren deutlich stärkeren Verhandlungsposition in meinen Augen ein sehr guter Wert.
Ganz nebenbei wurde auch gesagt, dass die Marge, die kurzfristig durch zusätzliche Consulting- und Audit-Aufwände im Rahmen der FT-Vorwürfe etwas gelitten hatte, nun wieder stark („sharply“) steigen soll.
Ein weiterer in meinen Augen etwas vernachlässigtes Thema ist die Take-Rate (Verhältnis von Umsatz zu Transaktionsvolumen). Diese ist in den vergangenen Jahren seit 2008 mit 2,34% bis 2018 mit 1,61% kontinuierlich gesunken. Das passt auch mit der Aussage von Markus Braun zusammen, dass durch das reine Payment Processing in Zukunft immer weniger verdient wird. Man muss sich an der Stelle aber natürlich auch vor Augen führen, dass die immer noch deutlich über der Take-Rate von Konkurrenten wie Adyen liegt. Bei genauerer Betrachtung ist mir aufgefallen, dass die Take-Rate in der Vision 2020 nur noch bei 1,39% (3,2 Mrd Umsatz aus 230 Mrd TX-Volumen, ich rechne immer gerne mit den konservativen Untergrenzen) liegt. Dies spricht auch für diesen Trend. Allerdings soll die Take-Rate in der Vision 2025 mit 1,48% (12 Mrd aus 810 Mrd) dann schon wieder ansteigen im Vergleich mit 2020. Betrachtet man sich aber auch noch die alte Vision 2025, so lag die Take-Rate dort bei 1,41% (10 Mrd aus 710 Mrd), sodass sie sich mit der Prognoseanhebung ebenfalls gesteigert hat, was bisher merkwürdigerweise noch gar nicht thematisiert wurde. Betrachtet man wieder nur die reine Prognoseerhöhung, so liegt die dort veranschlagte Take-Rate sogar bei 2% (2 Mrd aus 100 Mrd). Betrachtet man das EBITDA im Verhältnis zum Transaktionsvolumen, so sieht man ebenfalls eine Steigerung im Rahmen der Prognoseerhöhung (von 0,465% auf 0,469%), sodass die geringe Bedeutung des Absinkens der EBITDA-Marge (von alter Vision 2025 auf neue Vision 2025) in meinen Augen nochmal unterstrichen wird, da es nur eine sehr eingeschränkte Betrachtung ist.
Abschließend zur Take-Rate möchte ich mich nochmal auf Herrn von Knoop (könnte aber auch Herr Braun gewesen sein) beziehen, der gemeint hat, dass die Take-Rate bei Wirecard im wesentlichen eigentlich mindestens stabil bleiben soll in den kommenden Jahren und zwar durch drei wesentliche Gründe: 1. Die breite Diversifikation bei den Kunden (von klein bis sehr groß), 2. Der Fokus auf Asien, wo die Take-Rate höher ausfällt, als in Europa oder den USA und 3. Durch die vielen von Wirecard angebotenen Services, an die ich an dieser Stelle gar nicht näher eingehen möchte, da sie zur Genüge besprochen wurden.
Kurz noch meine Infos zur Verwendung der Mittel von Anleihe und Wandelanleihe (korrigiert mich gerne, falls ich etwas falsch aufgenommen haben sollte). Die 500 Mio aus der Anleihe wurden mit 13 Mio aus dem Cashbestand und 340 Mio aus der Wandelanleihe dazu genutzt, um die bestehenden Kreditlinien (revolving credit facilities, RCF) zurückzuzahlen. Das weitere Geld aus der Wandelanleihe soll in die Entwicklung neuer Produkte investiert werden und ggf. in ein ARP fließen, worüber man sich gerade in letzten Abstimmungen befindet (klang zwar noch nicht beschlossen, aber sehr wahrscheinlich, da man es ansonsten vmtl. auch nicht erwähnt hätte).
Abschließend noch ein paar Sätze zur Guidance für 2019, 2020 und 2025: Kosten für die Ausweitung von Governance und Reporting Lines in den weltweiten Standorten von 2 – 2,5 Mio sind bereits in den Prognosen enthalten. Die drei großen Wachstumstreiber der kommenden Jahre sind 1. Große Kunden, 2. Machine Learning / AI Services zur Datenauswertung und 3. Die Verstärkung der globalen Präsenz. Zu ersterem Punkt wurde erwähnt, dass in 2019 so viele Milliarden-Kunden (Transaktionsvolumen) gewonnen wurden, wie in allen Jahren bisher. Beispiele waren Mizuho Bank, UnionPay, Aldi und OYO. So sollen in 2025 auch nur noch etwa 2/3 des Transaktionsvolumens von SMEs (kleinen und mittleren Unternehmen) kommen und schon etwas über ein Drittel von den Großkunden. Von besonderer Bedeutung sei auch der B2B2C Ansatz und dabei vor allem das 2C, da man B2B Kunden besonders durch Mehrwerte für den Endkunden gewinnt. Außerdem erwähnte Herr Braun, dass das Core Business von Wirecard nicht mehr Payment Processing ist/sein wird, sondern die Conversion Rate des Kunden zu erhöhen (diese soll wohl bei einem Wechsel zu Wirecard um 5-10% erhöht werden können; egal von wo!), beispielsweise durch das Anbieten der richtigen Finanzierungsprodukte zum richtigen Zeitpunkt, um somit ein optimales real-time Shopping-Erlebnis zu ermöglichen. Durch Datenanalysen und die sich ergebenden Wahrscheinlichkeiten sollen außerdem die Customer Acquisition Costs (Kosten für die Gewinnung von Neukunden) deutlich verringert werden, was seiner Meinung nach einer der wichtigsten Services sei.
Ganz zum Schluss doch nochmal ein zwei Worte zu den Zahlen und der Take-Rate. Die Zahlen von 3,8 Mrd EBITDA und einer Take-Rate von 1,48% in 2025 seien wohl sehr konservativ und man hält sich nur Raum für Steigerungspotential offen. Intern wird mit einer Take-Rate gerechnet, bei der die Data und Financing Services die weitere Abschwächung im Payment Processing nicht nur ausgleichen, sondern deutlich übersteigen, was deutliches Aufwärtspotential bieten kann.
Soweit von meiner Seite zum Innivation Day. Sorry, dass es jetzt doch ein deutlich längerer Text wurde! Ich hoffe, für den ein oder anderen war trotzdem etwas Interessantes dabei.