Zusammengefasst kann man sagen: Es ist egal wie es ausgeht, bei WDI ist Schicht im Schacht. Stärkstes Argument ist aus meiner Sicht das Operative. Selbst WENN da jetzt die nächsten Monate alles erstmal glimpflich abläuft, sprich keine Insolvenz / Finanzierung erstmal gesichert / Betrug von WC kann nicht nachgewiesen: Wer will denn bitte so einer Firma seine Geldströme anvertrauen? Stell dir mal vor Aldi verlöre alle Kartenzahlungen der letzten 3 Tage, weil Wirecard von jetzt auf gleich Insolvenz anmeldet und alle Konten eingefroren werden (oder gar nicht erst existiert haben, ...). Auf sowas haben die garantiert keine Lust und ich bin mir ganz sicher, dass bei denen die Integration eines neuen Anbieters gerade auf Hochtouren läuft. Das dauert sicher ein paar Wochen oder Monate, aber die Entscheidung ist durch. Da braucht man sich keinerlei Illusionen hingeben.
Ich habe noch 130 Aktien und bleibe trotzdem erstmal drin. Ich bin mir relativ sicher, dass es, für den Fall dass keine schnelle Insolvenz kommt, sich wieder Leute finden werden, die davon träumen das WDI irgendwann wieder 3-stellige Kurse hat. Wenn der Kurs nochmal 50-60 Euro erreichen sollte verkaufe ich. Wenn er das nicht tut, dann ist es jetzt auch egal. Ich habe schon 4/5 meines Invests verloren. Wenn das letzte fünftel auch noch weg ist, ist es kein großer Unterschied mehr.
Insgesamt muss ich wirklich sagen: Am Freitag hätte ich am liebsten geweint, und habe es irgendwann sogar mal getan. Das Geld ist die eine Sache, 130 Aktien sind ja nicht so viel. Das andere ist wie perfide ich betrogen wurde. Ganz besonders traurig macht mich, dass die Hedge Funds und großen Funds ganz genau gewusst haben was los ist. Es gab da in den letzten Tagen starke Indizien, dass Wirecard Mitarbeiter die Information dass das Testat nicht kommen wird weiterverkauft haben. Ich bin normalerweise der allerletzte der an Verschwörungstheorien glaubt, aber in dieser Sache muss man nur 1 und 1 zusammenzählen um zu wissen, dass es so gelaufen ist. Es muss dutzende Mitarbeiter bei WDI und EY gegeben haben, die gewusst haben dass 1,9 Mrd. Euro verschwunden sind. Und einer oder mehrere haben sich kaputtgelacht über die dummen Kleinanleger, die davon träumen ihre Ersparnisse zu verdoppeln und haben die Info einfach verkauft und kaufen sich demnächst privat eine Eigentumswohnung in München.
Auch wenn ich an Markus Braun denke wird mir ganz anders. Ich war nie so ein Fan von ihm wie andere hier im Forum. Habe ihn von Anfang an für zu dilettantisch gehalten für so einen Job. Seit dem KPMG Bericht schrieb ich hier regelmäßig, dass Braun die Sache jetzt erstmal klären muss, damit es nicht als Schuldeingeständnis ausgelegt wird und dann sofort zurücktreten muss. Daraufhin wurde ich per Boardnachricht von einem User mehrere Wochen lang beleidigt. Der hatte was dagegen, dass ich etwas gegen Braun schrieb.
Man muss sich nochmal vor Augen führen wie krass dieser Mensch agiert hat. Er wusste Ende März, dass 1,9 Mrd. Euro nicht vorhanden sind. Er wusste, dass seine Firma vor der insolvenz steht, wenn das Geld wirklich weg sein sollte. Und trotzdem gibt er Mitte Mai eine Meldung heraus, dass alles in bester Ordnung sei und es keine Findings gebe. Und er verfasst den berühmten "When the dust has settled..."-Post. Und er kauft ein paar Aktien zu einem Kurs von 100 um den Kleinanleger zu suggerieren, dass alles prima sei. Ich frage mich wirklich, wie dieser Mann den Anblick seines Spiegelbilds noch erträgt. Aber vermutlich ist er ein durch und durch psychisch gestörter Narzisst und ist sich bis heute keiner Schuld bewusst. Seine Abschiedsmail lässt das zumindest vermuten ("Tolles Geschäftsmodell mit toller Zukunft").
Ich bin trotzdem nicht ausgestiegen, weil ich dachte mich emotionslos an die Fakten zu halten. Dass KPMG ein Problem mit der Salden-Bestätigung hatte wusste ich. Aber EY hatte das im Vorjahr ja noch anstandslos testiert und bei Cashpositionen sind Prüfer ja ultra vorsichtig. Ich wäre nie im Traum auf die Idee gekommen, dass das Geld nicht existiert. Ich habe so etwas sogar mal hier im Forum in einem Post geschrieben. Nämlich dass es überhaupt nicht sein kann, dass da viel Umsatz gefälscht wird, denn beim Gewinn wäre das ja aufgefallen. Der Gewinn ist ja vorhanden.
Und dann muss ich wieder an ein Interview eines Leerverkäufers aus dem April denken, dass ich gelesen habe und dass mich zum nachdenken gebracht hat. Darin sagte der Leerverkäufer, dass er Kleinanleger rät sich einmal anzuschauen wie glaubhaft es ist, dass Wirecard wirklich jedes Quartal genau in den Erwartungen der Analysten wächst. Der Vorwurf klang so ungeheuerlich, dass ich es nicht wahr haben wollte. Und siehe da - er hatte halt einfach Recht.
Und ich denke an Fanatic, Bardoolina, BrokerSteve, Kostolenin und Newbeast75. Mir waren die Personen von Anfang an maximal unsympathisch, weil sie hier eine Attitüde wie im Knuddels-Chatroom an den Tag gelegt haben. Und weil es Leute ohne Fachkenntnis, aber dafür ganz viel überheblicher Bauernschläue waren, die aus der Geschichte eine Art Glaubenskampf gemacht haben. Entweder du bist bedingungslos für Wirecard und hilfst aktiv mit jeden Indiz für Ungereimtheiten schönzureden - oder du bist ein "bezahlter Basher". Ich habe mich mehr als einmal mit den Idioten angelegt. Da ich oft kritische Beiträge geschrieben habe, wurde ich regelmäßig mit überheblichen Kommentaren bedacht.
Ich lerne aus der Geschichte so einiges. Nämlich dass man wirklich mit dem allerschlechtsten rechnen muss - auch wenn ich nicht versuche dieses Denken jetzt überall anzuwenden, denn wenn man an der Börse so denkt kann man direkt in Festgeld oder einen ETF investieren. Ich glaube, einen Betrüger wie Braun, hat man in einem normalen Unternehmen nicht. In einem normalen Unternehmen sind die Vorstände auch nicht Miteigentümer. Im Prinzip ist dass der größte Fehler an Wirecard gewesen. Ich lerne noch etwas bezogen auf dieses Forum hier: Immer wenn ich zukünftig eine Aktie finde, die im Forum hochgejubelt wird, werde ich verkaufen. Es ist wirklich faszinierend wie unfassbar falsch die Schwarmintelligenz das Thema jedes Mal eingeschätzt hat.
In diesem Sinne: Ich erwarte wirklich, dass Wirecard nochmal ein paar Prozent nach oben geht, wenn die Finanzierung für's erste gesichert ist. Ich erwarte, dass ganz viele Leute dann wieder naiv glauben was Braun zum Abschied gesagt hat, und glaube, dass Wirecard eine irgendwie überlegene Technologie hätte (haben sie nicht). Und dann glaube ich, dass Wirecard operativ in 1-2 Jahren nicht mehr die geringste Rolle spielen wird, weil einer solchen Drecksbude kein großes Unternehmen auch nur einer Cent zur Verwaltung anvertraut, und sei es nur für 24 Stunden.