Wirtschaft
Mittwoch, 12. Mai 2010
Geheimer Zusatz zur Euro-RettungBerlin feilscht um EZB-Krone
Nach der überraschend zügigen Einigung auf das Multimilliarden-Rettungspaket zur Stabilisierung der Euro-Zone treten immer mehr heikle Details zu Tage: Bisher unbestätigten Angaben zufolge könnte der Deal unter den EU-Finanzministern Bundesbank-Chef Axel Weber in den Chefsessel der EZB katapultieren. Deutschland fordert mehr Einfluss auf Europas Geldpolitik.
Oberster Währungshüter der Euro-Zone: Jean-Claude Trichet.
(Foto: dpa)
Die Bundesregierung soll einem Zeitungsbericht zufolge im Gegenzug zu ihrer Zustimmung zum milliardenschweren Rettungspaket zur Unterstützung finanzschwacher Euro-Länder den Chefposten bei der Europäischen Zentralbank (EZB) für den eigenen Wunschkandidaten beansprucht haben. Die deutschen Vertreter hätten bei den dramatischen Verhandlungen in der Nacht zu Montag auf weitreichende personalpolitische Konzessionen gedrängt, berichtete das "Handelsblatt" unter Berufung auf Regierungskreise. Demnach soll Bundesbankpräsident Axel Weber die Nachfolge von EZB-Chef Jean-Claude Trichet antreten.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel soll sich laut Bericht offenbar mit Erfolg in die Verhandlungen eingeschaltet haben. "Mehrere Euro-Länder haben dem Wunsch der Bundesregierung zugestimmt", zitierte die Zeitung einen Regierungsvertreter. Nach der Zustimmung Deutschlands zum Euro-Rettungspaket sind damit die Chancen von Webers wichtigsten Rivalen gesunken, oberster Währungshüter des Euro-Raumes zu werden.
Die Amtszeit Trichets endet im Oktober 2011. Die Bundesregierung drängt seit längerem auf Weber als Nachfolger. Bislang galt unter anderem der italienische Zentralbank-Gouverneur Mario Draghi als einer der Favoriten auf Trichets Nachfolge. Abgesehen von regierungsinternen Überlegungen spräche auch die symbolische Signalwirkung für die Einsetzung eines Bundesbankers. Unter Experten gilt die EZB als strukturelle Kopie der deutschen Bundesbank, deren geldpolitischer Umgang mit der D-Mark über Jahrzehnte von Erfolg gekrönt war. Angesichts der aktuellen Entwicklungen sieht sich die EZB allerdings mit dem Vorwurf konfrontiert, durch den Aufkauf von Staatsanleihen an Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit eingebüßt zu haben.
Bond-Staubsauger an, Geldstöpsel raus
Vor diesem Hintergrund hat EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Starknun die Intervention am Anleihenmarkt im Zuge der jüngsten Zuspitzung der Krise verteidigt. Der Kauf von Staatsanleihen sei "kein Tabubruch", sagte der Chefvolkswirt der EZB im Deutschlandfunk. Der Ankauf von Staatsanleihen sei nur dann ein Risiko, wenn die Liquidität nicht wieder eingesammelt werde. Genau dies werde die EZB aber tun, versicherte Stark. Stark verwies darauf, dass die EZB bereits am Dienstag dem Geldmarkt rund 320 Mrd. Euro entzogen habe. Es gebe keine Inflationsgefahr.
"Aber Nein", antwortete Stark zum Beispiel auf die Frage, ob sich die Bürger angesichts der jüngsten Hilfsaktionen zur Bekämpfung von Schuldenproblemen in der EU darauf einstellen müssen, dass ihr Geld zunehmend an Wert verlieren wird. "Vergessen sie nicht: wir haben eine unabhängige Zentralbank, unabhängig von der Politik", versicherte er. Bei politischem Druck gelte: "Wir werden dem widerstehen." Er unterstrich: "Wir sind eine wirklich überzeugte Truppe und Gruppe, die dem politischen Druck widerstehen wird."
Freiwillig mitgemacht
Stark wies damit Vermutungen zurück, die Politik hätte die Notenbank zum Kauf von Staatsanleihen gedrängt. Es habe keinen politischen Einfluss gegeben, betonte er ausdrücklich. Die EZB nehme ihre Aufgabe sehr ernst. Stark räumte allerdings ein, dass die jüngsten Nothilfeaktionen im Zuge der Griechenland-Krise, Sorgen und Befürchtungen bei den Bürgern auslöse könne.
Stark bemühte sich um beruhigende Worte. Die EZB nehme ihre Aufgabe, die Preisstabilität zu sichern, sehr ernst. "Wir beobachten sehr genau, wie sich die Märkte entwickeln, wir beobachten sehr genau, wie die Wirtschaft sich entwickelt und wo wir dann steuernd eingreifen müssen, um eine höhere Inflation zu vermeiden", sagte er. "Ich sehe auf jeden Fall für die überschaubare Zeit keine Inflationsgefahr", so Stark im Wortlaut.
Dies gelte für Europa insbesondere, solange die wirtschaftliche Dynamik so schwach sei. In anderen Weltregionen, in manchen aufstrebenden Ländern, könnte es dagegen etwas anders aussehen. Dort könnten Zentralbanken stärker unter politischen Druck kommen. Allerdings gebe es weltweit inzwischen sehr viel mehr unabhängige Zentralbanken als noch vor Jahrzehnten.
Keine Inflationsspiele mit der EZB
Stark warnte eindringlich davor, mehr Inflation zuzulassen. "Eine Inflation ist (...) schwer wieder unter Kontrolle zu bringen. Deshalb muss man den Anfängen wehren", sagte er. "Wir sind in einer tiefen Krise, wir sind in einer Weltwirtschaftskrise, nach wie vor, in einer neuen Phase, in der jetzt die öffentliche Verschuldung in den Blick geraten ist". Das gelte nicht nur für Europa. Einen Schuldenabbau über die Notenpresse der Zentralbank und damit eine höhere Inflation, eine "Monetisierung der Schulden", werde es mit der EZB nicht geben, versprach der EZB-Ökonom.
Zum Beginn der Woche hatten sich die Finanzminister aller EU-Staaten in Abstimmung mit EZB und IWF auf ein beispielloses Kreditprogramm zur Stützung finanzschwacher Euro-Länder und zur Stabilisierung der Euro-Zone geeinigt. Sowohl das Tempo als auch der Umfang der Maßnahme hatte Beobachter, Marktteilnehmer und EU-Bürger überrascht.
Das Kreditpaket von Europäern und IWF umfasst insgesamt 750 Mrd. Euro. Parallel dazu hat die EZB mit dem Ankauf von Staatsanleihen begonnen, eine Maßnahme, die von EZB-Vertretern noch vor wenigen Tagen strikt abgelehnt worden war...
Quelle: www.n-tv.de