Lieber Werkzeugrolf,
tut mir leid, aber wir sollten uns auf die üblichen Definitionen verständigen! Und da sind gesamtwirtschaftlich Forderungen und Schulden immer gleich groß.
Beispiel: Der Sparer bringt sein Bargeld auf die Bank, hat dafür eine Forderung an die Bank und die Bank eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe an den Sparer. Die Bank ihrerseits zahlt einem Kreditnehmer (unter Berücksichtigung der Reserveneinhaltung) das Geld wieder aus, hat dafür in geicher Höhe eine Forderung an den Kreditnehmer und der Kreditnehmer in ebenfalls gleicher Höhe eine Verbindlichkeit an die Bank. Der Kreditnehmer kauft von dem Geld z.B. ein Auto, der Verkäufer bringt das Geld vielleicht wieder zur Bank und der Kreislauf beginnt von vorne.
Man sieht, Geld ist im Wesentlichen nur Tauschmittel. Hätten sich der erste Sparer und der Autokäufer gekannt und einander vertraut, hätte der Sparer dem Autokäufer sein Geld geliehen. Der Sparer hätte dann eine Forderung an den Autokäufer und dieser in gleicher Höhe eine Verbindlichkeit an den Sparer. Insgesamt sind deshalb Forderungen und Verbindlichkeiten immer gleich hoch.
Wichtig ist, dass Geld davon abhängt, wie es definiert ist und die Marktteilnehmer dieser Definition vertrauen. Obiges Beispiel wäre deshalb auch in der Währung "Zigaretten" möglich (wie es ja in Notzeiten schon mal üblich war). Da aber Banken keine Zigaretten akzeptieren, sind in diesem Fall die Banken ausgeschaltet und es gibt nur Tauschwirtschaft in Zigarettenwährung.
Ihr Irrtum, lieber Werkzeugrolf, ist m.E., dass Sie Geld ("Baumwollzettel") und Buchvermögen für eine Forderung auf einen Sachwert halten. Geld kann in einen Sachwert (z.B. ein Auto), in einen immateriellen Wert (z.B. Software) oder eine Leistung (z.B. Handwerkerleistung) getauscht werden. Dies wird aber nur solange möglich sein, wie der andere Marktteilnehmer darauf vertraut, dass er seinerseits das Geld wieder in andere Waren oder Leistungen tauschen kann. Andernfalls wird er auf den Tausch nicht eingehen und z.B. nur Zigaretten, Gold oder Silber als Geld akzeptieren.
Auch ist Buchvermögen keine Forderung auf einen Sachwert, sondern nur die Forderung auf die Auszahlung von Geld in der jeweiligen Währung (€, $, Yen, brit. Pfund usw). Man kann nicht zu seiner Bank gehen und für seine Einlage (=Forderung) von z.B. 20.000 € ein Auto, Gold, ein kleines Grundstück usw. verlangen. Man hat nicht mal den Anspruch, die Einlage in eine andere (z. B. längerfristige) Anlage oder in Aktien anzulegen. Dazu muß der andere Marktteilnehmer das Geld als Tauschobjekt in die andere Anlage akzeptieren. Da gegenwärtig die EZB noch ausreichend Vertrauen bei allen Marktteilnehmern genießt, sind derzeit allerdings alle €-Tauschgeschäfte möglich.
Weiterhin, lieber Werkzeugrolf, wüssen Sie unterscheiden zwischen nominalen und realen Größen. Richtig ist, dass durch Gelddrucken (tendenziell) die Inflation steigt und die Waren und Leistungen nominal teurer werden. Da aber - mit einem timelag - auch die Löhne und Gehälter steigen, werden sich langfristig (außer vielleicht bei Hyperinflation) die realen Werte nicht ändern bzw. durch den techn. Fortschritt und Rationalisierung sogar sinken. Deshalb muß man heute für die meisten Waren weniger lang arbeiten als vor z.B. 30 Jahren und kann sich Waren kaufen, die es damals noch gar nicht oder nicht in dieser Qualität gab (z.B. Handys, Computer). Darüber hinaus müssen die Menschen nicht Schulden aufnehmen, um ihren Bedarf zu decken! Zumindest sollten sie es m.E. nur in Ausnahmefällen wie z.B. für das eigene Haus oder Wohnung oder z.B. Studenten zur Finanzierung ihres Studiums.
Richtig ist dagegen: Die Menschen müssen, um ihren Bedarf zu decken, mehr Bargeld zu Transaktionszwecken (=Tauschmittel) halten, wenn die EZB Geld druckt und dadurch die Preise steigen. Dadurch steigen aber nur die nominalen Preise, nicht die realen Preise. Wenn z.B. die EZB durch Gelddrucken und andere Maßnahmen die Geldmenge verdoppelt, werden sich die nominalen Preise verdoppeln, aber längerfristig auch die Löhne und Gehälter. Nach diesem Anpassungsprozess sind aber die realen Werte wieder in etwa gleich.
Die Geldmenge wird durch Gelddrucken und unter Berücksichtigung des Geldschöpfungsmultiplikators durch die Kreditvergabe der Banken, aber nur zeitweilig durch Zinsen ausgeweitet. Zinsen sind das Entgelt, das der Schuldner dem Gäubiger für die zur Verfügungstellung von Geld zahlen muß. Dadurch steigt bis zum Zeitpunkt der Zinszahlung die Verbindlichkeit des Schuldners und in gleicher Höhe die Forderung des Gläubigers. Zu berücksichtigen ist ferner, dass bei bei Inflation (die praktisch fast immer stattfindet) die Schulden durch "entwertetes" Geld zurückgezahlt werden. Nominal steigen zwar die Schulden und Forderungen, real aber durch die Inflation viel weniger und nach Berücksichtigung der Steuern oft gar nicht (derzeit sinken sie real sogar). Begünstigte bei der Ausweitung der Geldmenge und der darauf folgenden Inflation sind deshalb die Schuldner, Benachteiligte sind die Gläubiger (Sparer, Anleihengläubiger, Sparer in Lebensversicherungen).
Dies ist letzten Endes auch der Grund dafür, dass man durch Sparen in Form von Sparguthaben, Anleihen und Lebensversicherungen sein reales Vermögen nur geringfügig vermehren kann. Ich kenne keinen reichen Menschen, der durch diese Form des Sparens vermögend geworden wäre.