Griechenland Kampf gegen Schulden
Autor: Florian Hassel| 19:26
Griechische Behörden ignorieren Sparanweisungen
Das Parlament hat bereits harte Sparpläne verabschiedet. Doch die angekündigten Maßnahmen werden von vielen Beamten nicht umgesetzt.
Es war eine klare Anweisung des Finanzministeriums: 151 griechische Ministerien, Behörden und Staatsfirmen sollten eine Namensliste einreichen, um ein Zehntel ihrer Stellen einzusparen. Spätestens zum Jahresende will Griechenland 30.000 Staatsdiener in eine „Arbeitsreserve“ überstellen: ein Umschulungsprogramm mit 60 Prozent des bisherigen Gehalts und folgender Entlassung aus dem Staatsdienst.
Die Einsparung von 30.000 Staatsdienern wäre nur ein erster Schritt: Auf Dauer muss Griechenland seinen mindestens 1,3 Millionen Menschen starken Apparat aus rund 700.000 Beamten und nochmals 600.000 Angestellten meist verlustbringender Staatsfirmen wohl um mehrere Hunderttausend Stellen verkleinern.
Athens Kreditgeber der Troika – EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) – sollen die Entlassung von mindestens 100.000 Staatsdienern verlangen. Dass die Regierung dazu nicht bereit war, war einer der Gründe dafür, dass Troika-Prüfer Mitte September aus Athen abreisten – und Griechenland weiter auf acht Milliarden Euro Kredite wartet, mit der es eine Pleite zumindest verzögern kann. Am Donnerstag nehmen die Troika-Prüfer ihre Arbeit in Athen wieder auf.
Zuvor versprach Ministerpräsident Giorgos Papandreou in Berlin, Griechenland werde endlich alle Verpflichtungen umsetzen. Doch Finanzminister Evangelos Venizelos kann den Prüfern wieder nur wenig Konkretes bieten. Die Anweisung, Namenslisten für Entlassungen vorzulegen, ignorierten die meisten Ministerien und Behörden. Stattdessen schrieben sie dem Minister, wie viele zusätzliche Stellen ihr Haus benötige. „Solches Handeln können wir uns nicht mehr leisten“, schimpfte Venizelos.
Reformunwille ist symptomatisch
Der Reformunwille auch auf der staatlichen Führungsebene ist symptomatisch für das weitgehende Scheitern bisheriger Spar- und Reformversuche. Dazu kommt der Widerstand vieler Lobbys. Meist werden Streiks in Griechenland von wenigen organisiert – aber treffen viele.
Am Mittwoch legten U-Bahn-Angestellte, Bahn- und Busfahrer, die ihre Jobs und teils üppige Pfründe bedroht sehen, per Streik den öffentlichen Nahverkehr Athens lahm. Bei vorangegangenen Streiks konnten Einheimische und Touristen zumindest auf Taxis ausweichen. Am Mittwoch aber begannen auch die Taxifahrer einen Ausstand: Sie wollen die Gewerbefreiheit auf dem Taximarkt verhindern.
Bereits am Dienstagabend lieferten sich Polizisten Tränengasschlachten mit militanten Demonstranten. Auch die Polizeigewerkschaft hat freilich schon zu Protesten gegen drohende Gehaltskürzungen aufgerufen. Der Protest der Lobbys ist umso effektiver, als sie eng mit der regierenden Pasok-Partei verbunden sind. Die hat nach sechs Austritten und Parteiausschlüssen im 300 Abgeordnete zählenden Parlament nur noch eine Mehrheit von vier Stimmen.
Am Dienstag funktionierte diese: Da beschloss das Parlament eine unpopuläre höhere Grundsteuer. Doch schon kündigten einflussreiche Pasok-Parlamentarier wie Ex-Arbeitsministerin Louka Katseli an, weitere Einschnitte trügen sie nicht mit.
Schon ist Athen wieder hinter seinem Zeitplan zurück. Gesetze zum Abbau im Staatsdienst werden frühestens Ende Oktober im Parlament eingebracht, gab Venizelos am Dienstag zu. Auch versprochene Privatisierungen bleiben bisher aus - und das, obwohl Griechenland damit bis Jahresende fünf Milliarden Euro einnehmen sollte. Die Kreditgeber sind mittlerweile so misstrauisch, dass IWF-Chefin Christine Lagarde als Vorbedingung für die Rückkehr ihres Inspektors durchsetzte, dass Athen einen verbindlichen Terminplan unterschrieb.
Misstrauen unter Beamten ist groß
Freilich gibt es verbindliche Termine zwischen Griechenland und der Troika seit Mai 2010: Immer wieder wurden Zusagen nicht gehalten. Die Zeitung „Kathimerini“ berichtete, die Troika-Inspektoren würden sich Zeit lassen, bevor sie Fortschritte in Griechenland feststellten und so grünes Licht für die Auszahlung der acht Milliarden Euro geben.
Statt Plänen müssten Gesetze rechtsgültig beschlossen, Privatisierungen definitiv sein. Mit der Rechtsgültigkeit ist es in Athen freilich so eine Sache. Die höhere Grundsteuer ist wegen des hohen Anteils haus- oder wohnungsbesitzender Griechen auf dem Papier sehr ertragreich: Sie soll allein bis Jahresende zwei Milliarden Euro einbringen.
Doch der Finanzminister traut weder Bürgern noch Finanzbeamten: Deshalb soll die Grundsteuer mit der Stromsteuer abgebucht oder bezahlt werden. Wer nicht zahlt, dem wird der Strom abgedreht – selbst, wenn er nicht Eigentümer, sondern nur Mieter ist. Eine juristisch fragwürdige Methode: Schon werden Klagen gegen das Gesetz vorbereitet.
Stellen die Inspektoren der Troika trotz Reformstau und zunehmender Rezession in Griechenland Fortschritt fest, beraten die Finanzminister der Eurozone auf einer neuen Sondersitzung über Griechenland. Ob sie dann nur die Freigabe der acht Milliarden entscheiden oder auch über einen weiteren Schuldenschnitt, ist offen.
Der „Financial Times“ zufolge sind mittlerweile sieben der siebzehn Euroländer für einen Schuldenschnitt Griechenlands, bei dem private Anleihehalter nicht ein Fünftel ihrer Forderungen gestrichen wird, sondern mindestens die Hälfte. Voraussetzung für einen weiteren Schuldenschnitt ist, dass die Troika in ihrem anstehenden „Fortschrittsbericht“ zum Schluss kommt, dass Griechenlands Schulden wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sind.
„Wir müssen jetzt abwarten, was die Troika… herausfindet und was sie uns sagt: Müssen wir neu verhandeln oder müssen wir nicht neu verhandeln“, beantwortete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im griechischen Staatsfernsehen vielsagend-offenlassend die Frage, ob Griechenlands Sanierungsprogramm neu verhandelt wird.
Dem FT-Bericht zufolge sind vor allem Deutschland und Holland mittlerweile für einen radikalen Schuldenschnitt. Die EZB und Frankreich, dessen Banken in Griechenland mit Abstand am meisten zu verlieren haben, sollen indes noch vehement dagegen sein.
http://www.welt.de/wirtschaft/article13631508/...Sparanweisungen.html