Dr. Copper und das Massaker bei den Rohstoffpreisen
Kurse von Gold, Silber und Kupfer sacken ins Bodenlose. Kupfer – auch "Dr. Copper" genannt – diagnostiziert treffend den Zustand der Weltwirtschaft.
Nouriel Roubini, Paul Krugman, Joseph Stiglitz, Olivier Blanchard, Hans-Werner Sinn. Sie alle sind prominente Ökonomen, auf deren Stimme die Welt hört. Doch mehr noch auf das, was diese klugen Köpfe sagen, achten erfahrene Investoren auf das, was die Rohstoffpreise machen.
Was die Zukunftsaussichten für die Weltwirtschaft und damit auch die Börsen angeht, irrt der empfindliche Markt für die Schätze der Erde fast nie.
Das verheißt wenig Gutes. Denn die Preisentwicklung von Kupfer, Silber und Erdöl sendet gerade ein bedenkliches Signal für die Börsen – und auch für die politischen Entscheider.
Hohe Preise zeigen stabile Nachfrage
„Nachdem der Krach zunächst auf Aktien und manche Staatsanleihen beschränkt geblieben war“, geht es jetzt auch mit den Schätzen der Erde nach unten“, sagt Andreas Hürkamp, Chefstratege bei der Commerzbank in Frankfurt. Damit jedoch ist eine weltweite Rezession deutlich wahrscheinlicher geworden.
Solange die Preise für Öl, Bauholz und Kupfer stabil bleiben, kann es nicht allzu schlimm stehen um die Weltwirtschaft. Denn hohe Preise zeigen eine stabile Nachfrage der Unternehmen an. Besondere Bedeutung wird den Kupfer-Notierungen beigemessen.
Börsianer bezeichnen das Industriemetall gelegentlich sogar als „Dr. Copper“, dessen Diagnose über den Zustand der Weltwirtschaft – fast – immer zutreffend ist.
Und was sagt Dr. Copper? Er diagnostiziert: Der Zustand des Patienten Weltwirtschaft verschlechtert sich rapide.
Diese Woche ist der Kupfer-Preis um 15 Prozent eingebrochen – so stark wie seit der Finanzkrise von 2008 nicht mehr. Allein am Freitag ging es mit dem Preis des roten Metalls vorübergehend um mehr als sechs Prozent nach unten. Seit Ende Juli hat Kupfer 27 Prozent an Wert verloren.
Damit befindet es sich in einem Bärenmarkt, der als Abschwung von über 20 Prozent definiert ist.
Silber verliert kräftig
Auch die Notierungen anderer Rohstoffe brachen ein. Silber verlor am Freitag vorübergehend elf Prozent. Öl und Gold gaben bis zu drei Prozent nach.
Das Massaker bei den Rohstoffpreisen treibt die hartnäckigsten Börsen-Optimisten zur Verzweiflung. So wundert es nicht, dass der Deutsche Aktienindex am Freitagmittag kurze Zeit unter die Marke von 5000 Punkten abtauchte, ehe er sich später erholen konnte.
Der letzte Bärenmarkt den Rohstoffen ging mit dem globalen Abschwung als Folge der Finanzkrise einher. Allerdings ist die Lage noch nicht ganz so eindeutig wie im Herbst 2008. „Damals brach auch der Transport von Rohstoffen ein. Das können wir bislang noch nicht beobachten“, sagt Hürkamp.
Offen ist zudem die Frage, wie schwer die Rezession ausfällt – wenn sie denn kommt.
Viel wird von dem weltgrößten Rohstoffkonsumenten China abhängen. Die Volksrepublik industrialisiert sich so schnell wie kein anderes Land auf der Welt. In 30 Jahren baut China so viele Produktionsstätten und Infrastruktur wie die Vereinigten Staaten in hundert Jahren. Der dafür notwendige Bedarf an Erzen und Energie ist immens.
Großer Bedarf in China
Nach Berechnungen des Forschungsinstituts Antaike soll zum Beispiel die Nachfrage nach Kupfer und Aluminium im Reich der Mitte in den nächsten Jahren zweistellig wachsen. In vielen Lagerhäusern des Landes hätten sich die Vorräte bereits halbiert.
Außerdem gehen die Experten davon aus, dass Peking bei Kupferpreisen von unter 8000 Dollar je Tonne im großen Stil Bestände des strategischen Metalls aufkaufen wird. Am Freitagnachmittag lagen die Notierungen bei 7350 Dollar.
Ähnliches gilt für andere Industriemetalle wie Aluminium und Nickel. All diese Rohstoffe erlebten im Jahr 2008 einen grandiosen Absturz. Aluminium gab aufs Jahr gerechnet 36 Prozent nach, Kupfer 54 Prozent und Nickel 56 Prozent.
Als sich allerdings herausstellte, dass die Abkühlung der Weltkonjunktur China nicht so stark in Mitleidenschaft zog wie befürchtet, stiegen die Kurse wieder – und zwar rasant.
Mutige Investoren, die zum Jahreswechsel 2008/2009 nahe der Tiefstände gekauft hatten, konnten fulminante Gewinne machen. Im Jahr 2009 steig der Kupfer-Preis zum Beispiel um 140 Prozent, im Jahr 2010 nochmal um 33 Prozent. Hedgefonds und andere spekulative Akteure warten daher nur darauf, sich günstig mit Kontrakten auf Industriemetalle einzudecken.
Auch beim Gold liegen viele Investoren auf der Lauer. Ebenso wie die Industriemetall hat das Edelmetall vor drei Jahren merklich an Wert verloren, vor allem als die Banken in der Kreditklemme alles verkauften, was nicht niet- und nagelfest ist, um Liquidität zu haben.
In der Spitze betrug das Minus im Herbst 2008 ein Fünftel. Doch schon nach wenigen Wochen ging es wieder nach oben. Von einem Preis knapp über 700 Dollar je Unze (31,1 Gramm), wie er im November 2008 verzeichnet wurde, träumen heute viele Anleger. Am Freitagnachmittag kostete das gelbe Metall 1675 Dollar.
Gold als Alternativwährung
Durch die Euro-Schuldenkrisen und die Banken-Dämmerung haben sich die langfristigen Aussichten für Gold eher verbessert. Die Stabilisierungsmaßnahmen der amerikanischen wie der europäischen Notenbanker, drohen den Wert der Papierwährungen zu unterhöhlen. Daher sollte das gelbe Metall als Alternativwährung schon bald wieder gefragt sein „Bei Gold dürften die starken Hände rasch wieder das Ruder übernehmen“, ist Commerzbank-Rohstoffexperte Eugen Weinberg überzeugt.
Eine andere Geschichte ist Silber. Das Weißmetall ist eben nicht in jeder Lebenslage „Das bessere Gold“, wie der Titel eines populären Anleger-Buchs lautet. Eher ist es ein Rohstoff mit zwei Gesichtern. Einerseits strahlt es wie sei großer Bruder, das Gold, als Alternativwährung, andererseits verhält es sich wie ein Industriemetall auf Steroiden.
Kein anderer Rohstoff erlebt derart extreme Preisausschläge. Allein in den vergangenen drei Jahren sah es Kursstände zwischen neun und 49 Dollar je Unze. Silber, der Stoff der Extreme, ist in seiner Prognosekraft daher in etwa so zuverlässig wie die Star-Ökonomen.
http://www.welt.de/finanzen/article13622177/...n-Rohstoffpreisen.html