Sicherheit ist das Gebot der Stunde. Das Bedürfnis danach kann man niemandem vorwerfen. Und dass Fundamentaldaten in unsicheren Marktphasen wenig zählen, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Aber mitunter grenzt die Flucht der Investoren in Sicherheit an gesteigerte Irrationalität.
Bestes Beispiel ist die Entwicklung deutscher Bundesanleihen. Seit Wochen ziehen die Kurse deutscher Staatsbonds kontinuierlich an, weil Anleger ihr Geld aus anderen Regionen abziehen und in den vermeintlich sicheren Hafen bringen. Und an der Diagnose, dass Deutschland Stabilität verspricht, ist ja auch nichts verkehrt. Anders als etwa in den USA hat das “AAA”-Rating der Bundesrepublik noch niemand in Frage gestellt.
Die andere Seite der Medaille sind die Anlagechancen, die Bundesanleihen bieten. Der Kursanstieg hat die Renditen massiv zusammenschrumpfen lassen – und trotzdem kaufen die Investoren weiter. Das Ganze gipfelt heute in der historischen Konstellation, dass die Realzinsen zehnjähriger deutscher Staatsanleihen ins Minus gedreht haben, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Bei einer Rendite von 2,395 Prozent und einer Inflationsrate von 2,4 Prozent reicht die Verzinsung von Bundesanleihen demnach erstmals seit mindestens 54 Jahren nicht mehr aus, um den Wertverlust durch Geldentwertung auszugleichen.
Nach allen Regeln der Logik kann es von diesem Punkt eigentlich nur noch in die Gegenrichtung gehen, da kein Investor freiwillig Geschäfte eingehen dürfte, mit denen er einen sicheren Verlust erleidet. Das gilt erst recht, wenn man in Erwägung zieht, dass Deutschland zwar alles andere als insolvent ist, aber wie andere Staaten auch auf einem erklecklichen Schuldenberg sitzt, der in den kommenden Jahren noch zu wachsen droht – nämlich dann, wenn sich die Euro-Krise weiter verschärft und die Bürgschaften, die die Euro-Staaten für kriselnde Nachbarn in reale Zahlungsströme umgewandelt werden sollten.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es so weit kommt, steigt mit jedem Tag, an dem die Kurse von Anleihen aus Südeuropa weiter in den Keller rutschen – jedem Tag, an dem Bundesanleihen weiter gekauft werden und gleichzeitig doch an Attraktivität verlien. Irgendwie seltsam, oder?
Quelle:
http://blog.handelsblatt.com/globalmarkets/2011/08/02/was-wollt-ihr-mit-bundesanleihen/