Hi Leute,
hier ein Artikel der den Nagel auf den Kopt trifft.
Rekordverluste im DAX: Seit einigen Wochen beherrschen zwei Hauptthemen die öffentliche Wahrnehmung: Das Wetter und die Börsen. Tatsächlich finden sich hier einige interessante Analogien – selten war der Sommer so verregnet und trübe, wie das Geschäft an den Börsen dieser Tage. Und so mag man ob der verhagelten Bilanzen beinahe sarkastisch anmerken, dass es trotz niedriger Temperaturen doch tatsächlich ein richtig unangenehm heißer Sommer ist:
Daimler, RWE, MAN, ThyssenKrupp, Volkswagen, HeidelbergerCement, Deutsche Börse, Deutsche Bank, Siemens, BASF, Eon, BMW, K+S, Bayer, Infineon, Allianz, Merck, Metro, Linde, Lufthansa, Commerzbank, Münchener Rück, Deutsche Post, Fresenius Medical, SAP, adidas – dies sind, in absteigender Reihenfolge nach Umfang der Verluste, die All Time Losers der XETRA-Liste im Rückblick auf die Monatsbilanz. Der DAX hat somit beinahe 17 Prozent seit Juli verloren und steht heute mit rund 5480 Punkten weit unter der 6000er-Marke, die noch im Laufe des Handelstages am 17.08.2011 kurz tangiert werden konnte.
Es gibt allerdings auch Positives zu vermelden: So verzeichnen VW, Linde, Fresenius, adidas, Infineon, BASF und Henkel im dreijährigen Rückblick trotz aller derzeitigen Verluste Zuwachsraten von 20 bis 33 Prozent und BMW konnte seit 2008 sogar mit sagenhaften 117 Prozent aufstocken – dies ist nicht zuletzt den Einlagen von BMW-Eignerin Klatten aus ihrem Privatvermögen im Zuge des Zukaufs von Carbon- und Akkumulatoren-Technologie zu verdanken, hat dem Unternehmen aber auch am Markt einen Vorsprung und Kaufanreize verschafft.
Schaut man auf die Gesamtbilanz des DAX seit 2008 ist klar erkennbar: Der tatsächliche Kursverlust des wichtigsten deutschen Börsenindex beläuft sich auf gerade einmal 5 Prozent. Mit anderen Worten: Der DAX bricht gar nicht so sehr ein, wie viele derzeit mit Blick auf tages- oder stundenaktuelle Kursverläufe befürchten werden, sondern schrumpft lediglich ein wenig, wo er eigentlich wachsen sollte.
Tatsächlich gibt die volkswirtschaftliche Theorie vor, dass Wachstumsraten über 10 Prozent regelrecht ungesund sind – nicht zuletzt weil man die teilnehmenden Märkte ausschließt, die nicht über das gleiche Wachstum verfügen. So bemüht sich China seit 2006 auf Bitten und Flehen der USA und EU Jahr ums Jahr, das gesamtwirtschaftliche Wachstum künstlich auf ca. 10 Prozent zu drosseln, wo 16 bis 18 Prozent durchaus drin wären. Das Reich der Mitte hätte sonst seit spätestens 2010 seine wichtigsten Handelspartner auf Augenhöhe verloren und abgesehen von der Schweiz wäre es kaum einem westlichen Staat gelegen, mit den Chinesen zu handeln.
Ein moderates Wachstum zwischen 3 und 10 Prozent sollte das Ziel sein, dass es langfristig zu erreichen gilt. Das bedeutet nun allerdings, dass über die rückblickende Drei-Jahres-Bilanz mindestens ein Ausgleich von etwa 10 Prozent Entwicklung die derzeitigen DAX-Verluste kompensieren müsste. Dafür stehen zwei Modelle zur Verfügung:
Entweder, es werden Kauf- und Investitionsanreize in jene bestehenden DAX-Unternehmen geschaffen, die tatsächlich noch über eine wirtschaftlich sinnvolle Wertsteigerung, sprich: Herstellung von physischen Produkten, verfügen. Oder es werden schlichtweg jene aus dem Index entfernt, deren Wertverluste überdurchschnittlich ausfallen und bevorzugt, wenn deren Wertverluste aus der Errichtung und Vernichtung rein virtueller Güter resultieren – etwa Banken und Versicherungen. So verlor die Commerzbank-Aktie über die letzten drei Jahre gerechnet sage und schreibe 87 Prozent ihres Wertes und sogar die Deutsche Bank, Fels in der Brandung für alle 25-Prozent-Rendite-Jäger, büßte rund 44 Prozent ihrer Performance ein. Die Allianz verlor ebenfalls einen bedeutenden Anteil im zweistelligen Bereich und musste beinahe ein Drittel seines Wertes an der Börse lassen.
Ein weiteres Übel stellen die Termingeschäfte dar, die nanosekundengenau von stumpfen Rechenprozessen ausgeführt werden. Dazu muss angesichts der ausgiebigen Diskussion unter Fachleuten und Händlern kaum etwas gesagt werden, nur so viel: Es dürfte vermutlich dem Letzten klar sein, was passiert, wenn innerhalb komplexer Systeme das intelligente Korrektiv entfernt wird. Ebensogut könnte man aus einem Konzern die Controlling-Abteilung entfernen: Es geht … aber nicht lange gut. Dass rund 50 Prozent aller weltweit getätigten Transaktionen vollautomatisch und binnen Sekunden nach festen Buy-/Sell-Grenzwerten ablaufen, ist gewissermaßen genau so sinnvoll, wie Schach gegen einen Computer zu spielen. Das Ding reagiert einfach schneller und ist den meisten Kontrahenten schlichtweg Meilen voraus.
Entschleunigung und Bereinigung
Was der Markt tatsächlich dringend nötig hat, sind Entschleunigung und Bereinigung. So sollten Termingeschäfte möglichst verboten und Computerhandel weitgehend eingestellt werden, da diese unterm Strich erwiesenermaßen kaum eine Veränderung gegenüber langfristigen Anlagen in der Gewinnentwicklung aufweisen, jedoch im Gegenzug ein gigantisch höheres Risiko für Panikreaktionen, Leerverkäufen und Flucht umfassen. Salopp gesprochen ist das, was derzeit an den Aktienmärkten zu beobachten ist, wie ein Zustand aus Schlafmangel und Stress, der mit Kokain und Kaffee kompensiert wird: Es wird zwangsläufig mit einem Infarkt enden.
Bereinigen heißt dabei: Alles raus, was keine Miete zahlt. Solange also Unternehmen wie Deutsche Bank, Commerzbank, Eon und RWE Verluste zwischen 40 und annähernd 90 Prozent einfahren, sind sie eben nicht „too big to fail“, sondern „in the middle of big failure“ und sollten somit ihren Platz in der DAX-Liste bei wiederholtem Versagen schlichtweg entzogen bekommen. Denn der volkswirtschaftliche Nutzen ist nur solange gegeben, wie die Unternehmen funktionieren. So stellt ein Unternehmen wie Eon das Staatsgefüge und die Volkswirtschafts vor enorme Probleme, wenn man jahre- und jahrzehntelang Steuervergünstigungen und Subventionen mit dem Totschlagargument der Arbeitsplatzsicherung erschleicht und damit de facto Millarden an Steuergeldern geschenkt bekommt. Wenn man dann Gewinne über Tochterunternehmen, Auslandspartner und Kartelle widerrechtlich abzweigt, damit nicht nur Steuern in Milliardenhöhe hinterzieht und der Volkswirtschaft enthält, sondern auch die tatsächlichen Bilanzen und somit den Wert der Aktien verfälscht. Um schlussendlich, wenn das ganze Geschäftsmodell zu bröckeln beginnt, weil die Geschäftsleitung nicht rechtzeitig den Dreh schafft, noch zehntausende Stellen abbaut, die anschließend durch Sozialausgaben kompensiert und neu eingegliedert werden müssen. Der Verlust von Eon seit 2008 macht 63 Prozent am Aktienmarkt aus – wie hoch ist wohl der gesamtwirtschaftliche Schaden für Deutschland?
Entschleunigen heißt, dass mehr Eigenkontrolle und Selbstdiziplin bei den Akteuren am Markt eingefordert werden sollte, notfalls auch mit exekutiver Gewalt oder mittels Strafsanktionen. Denn die Computersysteme machen nur ein Detailaspekt der Probleme am Markt aus. Weitere werden ganz gezielt gezüchtet und ins Leben gerufen – und zwar in den verheerendsten Fällen von eben jenen Unternehmen, die ausschließlich auf virtuelle Produkte bauen. Entfernt man also zusätzlich Unternehmen wie die Commerzbank, Allianz und die Deutsche Bank, Triebfedern so mancher Krise an den Finanzmärkten, entfernt man ein enormes Risikopotential und schafft Platz für ehrliche Akteure, die zudem über die Wertschöpfung aus realen Gütern eine vielfach höhere Sicherheit gewährleisten. Deren Wertschöpfung ist nämlich naturgemäß an die Produktion gekoppelt und sekundengenaue Wertänderungen ergeben sich damit als völlig sinnlos. Mit anderen Worten: Je mehr Unternehmen natürliche, produktive Prozesse fahren, desto weniger unnötige Hektik ergibt sich am Markt. Eile mit Weile.
Fakt ist zudem, dass die Politik und die aufsichtsführenden Behörden eklatant darin versagt haben, den DAX-Unternehmen beizeiten auf die Finger zu schauen und kriminelle Tendenzen im Keim zu ersticken. Vielmehr lassen sich die staatlichen Organe erstaunlich oft überzeugen oder sagen wir einmal: kaufen und agieren heute als willfährige Lakaien von Industrie und Finanzelite. Dass die Unternehmen jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um Gewinne abzuschöpfen und Kosten zu vermeiden, dürfte dabei sogar dem letzen Ministerchen klar sein.
Während Bürger und kleine Unternehmen fiskalisch nackt dastehen und selbst geringste Verstöße brachial geahndet werden, wird den sogenannt systemrelevanten Halbgöttern jedes Verbrechen freigestellt. Während der Mittelstand bröckelt, werden Milliardensummen an Banken und Staaten gezahlt, die sich ihr eigenes Versagen selbst zuzuschreiben haben – denn nahezu jedes Beben an den Märkten der vergangenen Jahre war schlichtweg hausgemacht, von der Dotcom-Blase bis zur Eurokrise.
Inzwischen allerdings kommen die Liquiditätskrise, die Kreditklemme und die Auswirkungen der fehlenden Milliardensummen auch hierzulande an der Basis an und mischen sich unter die Empörung über die offene Korruption der Konzerne und die hilflosen Versuche von Politikern, Strohfeuer mit Papier zu löschen. Während Griechenland, Frankreich, Spanien, England und Italien bereits brennen, lodert das Feuer in Deutschland bisher nur stellenweise; die Glut aber schwelt schon heute bundesweit, unterschwellig. Es fehlt nicht mehr viel, dann entlädt sich auch hierzulande die berechtigte Wut der geschröpften Kleinstverdiener und es wird sich endgültig ein Feuersturm im ganzen Euro-Raum ausbreiten.
Schönes WE
Justinjan