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Berlusconi versus Reformkurs
Der Wahlkampf in Italien vor der Parlamentswahl am Sonntag und Montag ist im Endspurt. Seit Wochen blickt ganz Europa gebannt in Richtung Rom. Politiker und Ökonomen fürchten vor allem die Wiederwahl des Ex-Ministerpräsidenten Berlusconi, eine Abkehr vom Reformkurs und damit das erneute Aufflammen der Euro-Krise. „Es drohen erneut ganz erhebliche Verwerfungen in der Euro-Zone, wenn erkennbar ist, dass sich Italien Reformen verweigert“, sagte etwa der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Gerken am Donnerstag
Worst-Case-Szenario: Reformblockade
Ganz Europa sieht einer Wiederwahl Silvio Berlusconis mit Schrecken entgegen. Diesen Eindruck erwecken zumindest die warnenden Rufe zahlreicher Politiker, insbesondere aus Deutschland. Groß ist vor allem die Furcht, dass Italien vom bisherigen Sparkurs abrücken und die Eurokrise verschärfen könnte.
Die Hoffnungen auf ein Wahlergebnis, das Aussicht auf wirtschaftliche Reformen gibt, sind enorm. Diese würden sich aus Sicht vieler europäischer Polit- und Wirtschaftsexperten mit Berlusconis Rückkehr aufs politische Parkett schlagartig in Luft auflösen. Auch der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), ist überzeugt, dass der skandalumwitterte Politiker nicht die richtige Wahl wäre. Italien würde die so dringend erwarteten Reformen blockieren, hieß es zuletzt auch in zahlreichen europäischen Medien.
Deutschland: Proeuropäischer Kurs in Gefahr
Der Ex-Ministerpräsident, gegen den derzeit mehrere Gerichtsverfahren laufen, ist für Wirtschaftsexperten und Politiker gleichermaßen ein Worst-Cace-Szenario. Im Falle einer Wiederwahl befürchten deutsche Politiker, dass die Staatsschuldenkrise Italiens wieder neu aufflammen würde.
Über die Konsequenzen, die eine Rückkehr des skandalumwitterten und rechtspopulistischen Politikers hätte, scheinen sich alle einig zu sein. Die Italiener sollten sich bei der Wahl für einen proeuropäischen Kurs entscheiden, betonte Guido Westerwelle (FDP) in den letzten Tagen wiederholt.
Berlusconi für Rückkehr zu nationalen Währungen
„Sollte Herr Berlusconi die Wahl gewinnen, könnte dieser Kurs in Gefahr sein“, warnte auch Norbert Barthle, haushaltspolitischer Sprecher der CDU. Italien brauche eine Führungspersönlichkeit, die man mit Zukunft verbinde, und das sei Berlusconi nicht, sagte er gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ Anfang der Woche.
Unter Berlusconi sei Barthle zufolge das Risiko zu hoch, dass Italien von der Stabilitätspolitik abweicht, was für den Euro schwere Folgen haben könnte. Diese Befürchtungen nährte Berlusconi laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters selbst, als er die Europäische Zentralbank (EZB) angriff. „Wenn es so weitergeht, dass sie keine Staatsanleihen garantiert und nicht zum Gelddrucken bereit ist, werden einige Länder zu ihren nationalen Währungen zurückkehren müssen“, sagte der Rechtspopulist.
Können Märkte Sparkurs erzwingen?
Für Wirtschaftsexperten wie Stefan Bielmeier von der DZ Bank ist es durchaus wahrscheinlich, dass das Mitte-links-Bündnis von Pierluigi Bersani den Vorsprung der letzten Umfragen beibehalten könnte und die neue Regierung ohne Berlusconi gebildet wird. Das berichtete das „Handelsblatt“ am Donnerstag. Bersani will im Fall eines Wahlsiegs den Reformkurs Montis fortsetzen, der mit seinen Maßnahmen Italien aus der Schuldenkrise zu führen versuchte. Berlusconi kündigte hingegen die Rückerstattung der 2012 eingeführten Immobiliensteuer an und versprach Steuersündern eine Amnestie.
Fraglich sei aber, ob Bersani beim Sparkurs dem Druck der Gewerkschaften standhalten könne, sagte Martin Lück, Volkswirt bei der UBS Investment Bank in Frankfurt am Mittwoch. „Monti hatte es da als Parteiloser und Technokrat einfacher, Bersani steckt dagegen tief im System der politischen Verflechtungen drin“, so Lück.
Die deutsche Fondsgesellschaft Fidelity hingegen befürchtet keinen wirtschaftlichen Zusammenbruch mit Berlusconi als Ministerpräsidenten. „Selbst wenn die Wahl überraschend eine Regierung unter Berlusconi hervorbringen sollte, werden die Märkte die Rückkehr zum Sparkurs durch Abstrafen sehr schnell erzwingen“, zitierte das Handelsblatt die Fondsgesellschaft. Das Vertrauen in den Euro wieder aufzubauen würde mit Berlusconi an der Spitze allerdings zweifellos erschwert, sind sich Wirtschaftsexperten laut „Handelsblatt“ sicher.
Berlusconi mit Deutschland-feindlichen Parolen
Indes kehrt Berlusconi wieder zu gewohnt rabiaten Äußerungen über seine europäischen „Gegner" zurück. Während die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch recht vorsichtig auf „weitere Reformen auch nach der Wahl“ hofft, punktet Berlusconi bei seinen Unterstützern mit harschen Anti-Deutschland-Slogans. Im krisengebeutelten Italien wettert er gegen den „Nazi-Budgetkurs“ der Kanzlerin und die bezeichnet sie als die „Diktatorin“, die „für die ganze Misere verantwortlich ist“. Gleichzeitig fordert Berlusconi einen EU-Austritt Italiens.
Berlusconi-Rivale tritt zurück
Indes verbuchte Berlusconi einen kleinen Erfolg über seinen Mitte-rechts-Konkurrenten und scharfen Kritiker Oscar Giannino. Der angesehene Wirtschaftsjournalist trat zurück. Sein Lebenslauf, in dem er behauptete, zweimal promoviert und einen Wirtschaftsmaster an der University of Chicago erworben zu haben, obwohl er nie an der Universität studiert hatte, war ihm zum Verhängnis geworden. An die Oberfläche gebracht hat die Details Gianninos rechte Hand, Luigi Zingales, der sich zuvor im Streit von ihm getrennt hatte und selbst Professor an selbiger Universität ist. Der Imageschaden ist für den Journalisten umso größer, als er sich stets für mehr Transparenz in Wirtschaft und Politik eingesetzt hatte.
Monti: Berlusconi unglaubwürdig
Auch der scheidende Ministerpräsident Mario Monti warnte vor Berlusconi. Ihm zufolge sei dieser nicht in der Lage, einen liberalen und fairen Staat zu gewährleisten. Vor dem Hintergrund zahlreicher Skandale, in die der „Cavaliere“ verwickelt ist, betonte Monti, dass Berlusconis Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung unglaubwürdig sei.
Umfragen zufolge lag Montis Bündnis zuletzt nur an vierter Stelle, also noch hinter der populistischen Protestbewegung „5 Stelle“ (fünf Sterne) des Komikers Beppe Grillo. Den aktuellsten Erhebungen von Anfang Februar zufolge könnte Bersanis Partito Democratico, (PD) die Mehrheit im Abgeordnetenhaus bkommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird sie eine Koalition mit Montis Bündnis eingehen müssen. Berlusconi holte auf und lag laut letzten Umfragen mit seiner Mitte-rechts-Allianz sechs Prozentpunkte hinter der führenden Partei. Seit dem 9. Februar dürfen in Italien keine Umfragen mehr veröffentlicht werden, um die Wählerschaft in den letzten Wahlkampfwochen nicht zu beeinflussen.