Tradernumber 197254 04:01 an Wulf Bley
betrifft Mitarbeiterverlust im Falle einer Insolvenz und Vergleich mit dem Kohleausstieg und den damit verbundenen Kosten einer Umstrukturierung.
Vorab: Leider kann ich erst heute auf sein Statement antworten.
Der hoch besternte Beitrag seines gesellschaftsrechtlichen Versuches den Verlust von Arbeitsplätzen im Falle einer Insolvenz zu leugnen, ist geradezu naiv und zeugt davon, dass er gesellschaftsrechtliche Zusammenhänge in nicht ausreichendem Masse begriffen hat. Er meint, «der Steinhoffkonzern, sowie auch jeder andere Konzern, sei eine Fiktion einer wirtschaftlichen Einheit». Er meint weiterhin, «dass eine Holding im krassen Unterschied zum Stammhausgeschäft nur ganz normale Beteiligung an rechtlich selbstständigen und in der Regel vitalen Unternehmenseinheiten erworben hat, sodass selbst nach einem fiktiven Untergang der Holding, z. B. eine Pepcor, wirtschaftlich weitermachen kann wie bisher.»
Wenn das so einfach ist, wäre das toll.
Zunächst möchte ich hier klarstellen, dass eine Holding, wenn sie insolvent wird, dies vor allen Dingen wird, weil etwaige Tochtergesellschaften oder Beteiligungen nicht profitabel oder stark verschuldet sind. Beeindruckende Unternehmensinsolvenzen und die damit einhergehenden Arbeitsplatzverluste und Wirtschaftsstrafverfahren gehören zum festen Bestandteil der Medienberichterstattung in Deutschland und in den westlichen Industrienationen. Insolvenzen von Investmentbanken und die nachfolgende verstaatlichungsinsolventer renommierter britischer und schottischer Kreditinstitute 2008, die die weltweite Wirtschaftskrise auslösten dienen dazu als Beispiel. Die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Schäden und diejenigen, die durch die Verluste der Arbeitsplätze entstehen, sowie die Folgeschäden der beteiligten Lieferanten sind den meisten Anlegern gar nicht bekannt. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf die unterschiedlichen Delikte eingehen, die das bewirken können, das werde ich gegebenenfalls ein andermal in einem Video machen aber zu leugnen, dass durch Insolvenzen Arbeitsplätze verloren gehen, ist nicht nur falsch, sondern irreführend. Ein gutes Beispiel ist das Insolvenzverfahren der «A-Tec». Im Oktober 2010 gab die Gesellschaft den Beginn eines Insolvenzverfahrens bekannt. Die Anmeldung des Sanierungsverfahrens mit Eigenverwaltung war laut eigenen Angaben auf Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Refinanzierung einer Anleihe sowie der Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der australischen Tochtergesellschaft der AE & E- Gruppe zurückzuführen. Am 26. November 2010 musste auch die operative Gesellschaft AE & E Austria GmbH & Co.KG Insolvenz anmelden. Am 3. Dezember wurde der Kauf der AE & E- Austria durch die Andritz AG bestätigt. Dies wurde dadurch bewerkstelligt, dass die neu gegründete «Andritz Energie & Envirement GmbH» als Auffanggesellschaft Projekte und die meisten Mitarbeiter übernahm. In der Folge wurden sämtliche Tochtergesellschaften verkauft oder mit anderen Unternehmen verschmolzen, sodass am Ende nur noch eine leere Hülle bestand und schließlich die Liquidation der Gesellschaft erfolgte. Was innerhalb dieses Insolvenzverfahrens juristisch geschah, kann man im Internet nachforschen. Natürlich könnte man jetzt einwenden, man kann die AE & E- Gruppe nicht mit Steinhoff vergleichen. (Natürlich nicht. Dies ist Gott sei Dank auch gar nicht notwendig, da Steinhoff bislang noch keinen Insolvenzantrag stellen musste.)
Im September 2018 wurde bekannt, dass auf der Hauptversammlung am 8. Oktober 2018 über die Liquidation der Gesellschaft entschieden werden soll. Der Beginn der Liquidation per Oktober 2018 wurde im Februar 2019 ins Firmenbuch eingetragen. In meinem o. a. Beitrag hatte ich lediglich klarmachen wollen, dass mit einer Insolvenz in der Regel auch der Verlust von Arbeitsplätzen verbunden ist und, dass eine Holding nicht davor schützt. Denn nochmals muss ich erwähnen: wenn die Tochtergesellschaft insolvent wird, muss in der Regel nach den üblichen Haftungsregelungen auch die Holding dafür geradestehen. Bricht nämlich in einer der Tochtergesellschaften bei vertraglicher Gewinnabführung und Haftung, Stichwort: Beherrschungsvertrag, das Geschäft weg, entstehen Liquiditätsengpässe, die aufgrund der firmenrechtlichen Konstruktion schnell auf das Gesamtunternehmen, also auch auf die Holding, übergreifen. Schlimmstenfalls droht dann nämlich dem gesamten Unternehmen, so auch der Steinhoff Holding, die Insolvenz, obwohl nur ein Geschäftsbereich bzw. eine Tochter tatsächlich betroffen ist. Nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist die beherrschende Gesellschaft nämlich dazu verpflichtet, die Verluste des Tochterunternehmens auszugleichen und nach dessen Beendigung seinen Gläubigern Sicherheit zu gewährleisten. Wenn die Arbeitsplätze und Schulden bei den Töchtern von Steinhoff im Falle einer Insolvenz keine Rolle spielen würden, dann könnte man ja ganz einfach die unrentablen Töchter samt ihren Schulden in die Insolvenz schicken und mit dem Rest weitermachen. Warum aber dann das ganze Theater mit dem CVA Verfahren? Warum dann die Angst der Anleger und der derzeitige niedrige Aktienkurs? Primär nämlich haftet die Muttergesellschaft gegenüber einem Gläubiger ihrer Tochter, wenn sie selbst neben der Tochtergesellschaft Partei eines Vertrages mit dem Gläubiger geworden ist. Dies kann explizit geschehen, wenn etwa die Muttergesellschaft als formelle Vertragspartei erwähnt wird oder dem Vertrag später beitritt (Schuldbeitritt oder Schuldübernahme), bzw. stillschweigend, wenn Äusserungen und das Verhalten der Muttergesellschaft, aber auch der Tochter selbst, von einem objektiven Standpunkt aus als Übernahme einer bindenden Verpflichtung verstanden werden durften. Das nennt man das sogenannte Vertrauensgrundprinzip beim Beherrschungsvertrag. Konzernvertrauen bedeutet das Vertrauen der Gläubiger einer Tochtergesellschaft darauf, dass die Muttergesellschaft aufgrund des Konzernverbundes eine Pflicht zu einem bestimmten Handeln erfüllen wird, etwa dass die Mutter die Tochter mit genügend Eigenkapital ausstattet oder die Tochter dazu anhält, ihren vertraglichen Pflichten nachzukommen. Grundlage für die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens bildet dabei grundsätzlich eine Mehrheitsbeteiligung, das bedeutet die Kapital- und/oder Stimmenmehrheit. Wird dieser faktische Konzerneinfluss dazu ausgenutzt, dass die Tochtergesellschaft durch ihre Muttergesellschaft dazu veranlasst wird, nachteilige, also verlustbringende Rechtsgeschäfte einzugehen, so muss die Muttergesellschaft diesen Schaden noch im selben Geschäftsjahr nach Paragraf 317 Aktiengesetz ausgleichen. Die Muttergesellschaft, hier die Steinhoff AG, kann nach der strengen Organhaftung des Aktienrechts, wenn sie als faktische Organ ihrer Tochter tätig wird, in die Haftung genommen werden. Und dies ist immer dann der Fall, wenn sie einen entscheidenden Einfluss auf die Meinungsbildung der Tochtergesellschaft ausübt. Aber ich möchte mir hier weitere Erklärung zum Gesellschaftsrecht ersparen und gerne weitere Ausführungen in einem Folgevideo machen, immerhin habe ich mich gefreut, dass «Tradernumber» sehr viele grüne Sterne für seine Einwände bekommen hat, was mir aber nur eines verrät, nämlich, dass viele Leser oder Foristen keine Ahnung oder nur wenig Ahnung von Gesellschaftsrecht und deren Haftungsmechanismen haben.
Nochmals: Gott sei Dank ist der Fall bei Steinhoff anders. Es gibt keinen Insolvenzantrag und es wird auch keinen geben. Die Tochtergesellschaften soweit sie nicht schon äusserst profitabel sind, sind auf dem besten Weg dahin. Mir ging es in meinem Beitrag nur darum, einmal den Gedanken aufzugreifen, dass es auch im Interesse der Mitarbeiter vernünftig ist das Gesamtunternehmen zu retten, zumal die Verluste nicht im operativen Geschäft, sondern durch manipulierte Bilanzen entstanden sind. Viele mit Steinhoff verbundenen Rechtsfragen sind derart komplex, insbesondere die Haftungsfragen der Verantwortlichen, dass es keine einfachen Lösungen gibt, und daher Verzögerungen verständlich sind.