Finanzminister Eichel hat ein Problem:
Vor dem Bundesfinanzhof will er die aktuelle Besteuerungspraxis bei Spekulationsgewinnen verteidigen. Jetzt fällt ihm der Rechnungshof in den Rücken.
uhl/ke BERLIN/DÜSSELDORF. Die seit Mitte der neunziger Jahre sprunghaft steigende Zahl von Aktionären und Aktienfondsanlegern haben nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs auch den Umfang von Spekulationsgeschäften anschwellen lassen. Nicht nur institutionelle, sondern auch private Anleger würden Wertsteigerungen durch kurzfristige Verkäufe mitnehmen. Dadurch entstünden „beachtliche Steuerausfälle“, betonen die Rechnungsprüfer in einem Gutachten.
Denn die Finanzämter hätten keine ausreichende Handhabe, fehlende oder falsche Angaben zu erkennen oder zu überprüfen. Sie folgten außerdem den Angaben der Steuerpflichtigen, meistens ohne nähere Prüfung. Unterlagen und sonstige Aufklärungen würden selbst dann nicht angefordert, wenn die Steuererklärungen der Anleger unklar oder nicht nachvollziehbar seien. Diese „strukturellen Mängel“ gefährdeten den Verfassungsgrundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Um Abhilfe zu schaffen, schlagen die Rechnungsprüfer die Einführung einer Abzugsteuer oder von Kontrollmitteilungen vor. Mit einer Abzugsteuer würde im Prinzip der heutige Zinsabschlag für Einkünfte aus Kapitalerträgen von 30 % auf private Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren übertragen. Die Banken müssten dann auch bei der Realisierung von Kursgewinnen den Anlegern einen entsprechenden Betrag abziehen und an die Finanzämter abführen. Die Rechnungsprüfer legen sich freilich auf einen bestimmten Steuersatz nicht fest.
Zur Entlastung von Finanzämtern und Steuerpflichtigen plädiert der Rechnungshof für eine Abzugsteuer mit „Abgeltungswirkung“. Das heißt: Wessen individueller Einkommensteuersatz unter der Abzugsteuer läge, dem würde das Finanzamt nichts erstatten. Wer einem höheren Steuersatz hätte, müsste bei der Einkommensteuerveranlagung Spekulationsgewinne nicht nachversteuern. Als Alternative zur Abzugsteuer schlägt der Rechnungshof Kontrollmitteilungen vor. Die Banken müssten in diesem Fall die Finanzämter über alle Spekulationsgewinne informieren.
Das Bundesfinanzministerium hält die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren zwar für verbesserungsfähig. Die Feststellungen der Rechnungsprüfer reichten aber für die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht aus. Es lehnt sie aus „grundsätzlichen Erwägungen“ sogar ab. Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sieht dagegen Handlungsbedarf.
Nach Auffassung des Ministeriums verstößt eine Abzugsteuer mit Abgeltungswirkung gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Sie würde besser Betuchte begünstigen. Bei einer Abzugsteuer ohne Abgeltungswirkung würden Anleger mit einem höheren Steuersatz Spekulationsgewinne in der Steuererklärung weiterhin nicht angeben. „Im Übrigen wäre eine Kapitalflucht ins Ausland zu befürchten“, betont das Ministerium. Das gelte auch für die Einführung von Kontrollmitteilungen. Die Kreditinstitute würden außerdem wegen des erheblichen Verwaltungsaufwands Sturm laufen und das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde beeinträchtigt.
Da der Rechnungshof diese Einlassungen der Beamten von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) „nicht überzeugend“ nennt, kommt der Minister nun in Erklärungsnot. Denn der Bundesfinanzhof (BFH) hat ihn vor einer Woche aufgefordert, in einem Verfahren zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Am 16. Juli findet die Anhörung in München statt. Kläger ist der bekannte Kölner Steuerrechtler Klaus Tipke, der wie der Rechnungshof die Besteuerungspraxis für verfassungswidrig hält. Tipkes Fazit: „Der Ehrliche ist der Dumme“.
Nach dem Bericht des Rechnungshofs sieht es nun so aus, dass Eichel den BFH nicht mehr vom Gegenteil wird überzeugen können. Das Gericht hat bereits angedeutet, den Fall dann dem Verfassungsgericht vorzulegen. Dabei könnte auch das so genannte Bankgeheimnis auf den Prüfstand kommen. Denn es gilt als größtes Hindernis für eine Ermittlung der Spekulationsgewinne.
Quelle: Handelsblatt
Vor dem Bundesfinanzhof will er die aktuelle Besteuerungspraxis bei Spekulationsgewinnen verteidigen. Jetzt fällt ihm der Rechnungshof in den Rücken.
uhl/ke BERLIN/DÜSSELDORF. Die seit Mitte der neunziger Jahre sprunghaft steigende Zahl von Aktionären und Aktienfondsanlegern haben nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs auch den Umfang von Spekulationsgeschäften anschwellen lassen. Nicht nur institutionelle, sondern auch private Anleger würden Wertsteigerungen durch kurzfristige Verkäufe mitnehmen. Dadurch entstünden „beachtliche Steuerausfälle“, betonen die Rechnungsprüfer in einem Gutachten.
Denn die Finanzämter hätten keine ausreichende Handhabe, fehlende oder falsche Angaben zu erkennen oder zu überprüfen. Sie folgten außerdem den Angaben der Steuerpflichtigen, meistens ohne nähere Prüfung. Unterlagen und sonstige Aufklärungen würden selbst dann nicht angefordert, wenn die Steuererklärungen der Anleger unklar oder nicht nachvollziehbar seien. Diese „strukturellen Mängel“ gefährdeten den Verfassungsgrundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
Um Abhilfe zu schaffen, schlagen die Rechnungsprüfer die Einführung einer Abzugsteuer oder von Kontrollmitteilungen vor. Mit einer Abzugsteuer würde im Prinzip der heutige Zinsabschlag für Einkünfte aus Kapitalerträgen von 30 % auf private Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren übertragen. Die Banken müssten dann auch bei der Realisierung von Kursgewinnen den Anlegern einen entsprechenden Betrag abziehen und an die Finanzämter abführen. Die Rechnungsprüfer legen sich freilich auf einen bestimmten Steuersatz nicht fest.
Zur Entlastung von Finanzämtern und Steuerpflichtigen plädiert der Rechnungshof für eine Abzugsteuer mit „Abgeltungswirkung“. Das heißt: Wessen individueller Einkommensteuersatz unter der Abzugsteuer läge, dem würde das Finanzamt nichts erstatten. Wer einem höheren Steuersatz hätte, müsste bei der Einkommensteuerveranlagung Spekulationsgewinne nicht nachversteuern. Als Alternative zur Abzugsteuer schlägt der Rechnungshof Kontrollmitteilungen vor. Die Banken müssten in diesem Fall die Finanzämter über alle Spekulationsgewinne informieren.
Das Bundesfinanzministerium hält die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren zwar für verbesserungsfähig. Die Feststellungen der Rechnungsprüfer reichten aber für die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nicht aus. Es lehnt sie aus „grundsätzlichen Erwägungen“ sogar ab. Der SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sieht dagegen Handlungsbedarf.
Nach Auffassung des Ministeriums verstößt eine Abzugsteuer mit Abgeltungswirkung gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Sie würde besser Betuchte begünstigen. Bei einer Abzugsteuer ohne Abgeltungswirkung würden Anleger mit einem höheren Steuersatz Spekulationsgewinne in der Steuererklärung weiterhin nicht angeben. „Im Übrigen wäre eine Kapitalflucht ins Ausland zu befürchten“, betont das Ministerium. Das gelte auch für die Einführung von Kontrollmitteilungen. Die Kreditinstitute würden außerdem wegen des erheblichen Verwaltungsaufwands Sturm laufen und das Vertrauensverhältnis zwischen Bank und Kunde beeinträchtigt.
Da der Rechnungshof diese Einlassungen der Beamten von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) „nicht überzeugend“ nennt, kommt der Minister nun in Erklärungsnot. Denn der Bundesfinanzhof (BFH) hat ihn vor einer Woche aufgefordert, in einem Verfahren zu diesem Thema Stellung zu nehmen. Am 16. Juli findet die Anhörung in München statt. Kläger ist der bekannte Kölner Steuerrechtler Klaus Tipke, der wie der Rechnungshof die Besteuerungspraxis für verfassungswidrig hält. Tipkes Fazit: „Der Ehrliche ist der Dumme“.
Nach dem Bericht des Rechnungshofs sieht es nun so aus, dass Eichel den BFH nicht mehr vom Gegenteil wird überzeugen können. Das Gericht hat bereits angedeutet, den Fall dann dem Verfassungsgericht vorzulegen. Dabei könnte auch das so genannte Bankgeheimnis auf den Prüfstand kommen. Denn es gilt als größtes Hindernis für eine Ermittlung der Spekulationsgewinne.
Quelle: Handelsblatt