DJ: BÖRSEN-AUSBLICK/DAX segelt in unruhigem Fahrwasser
FRANKFURT (Dow Jones)--Hinter dem Aktienmarkt liegt, zumindest in den USA, der
beste September seit 1939 und vor ihm das vierte Quartal, und damit eine der
saisonal besten Börsenphasen. Trotzdem warnen Marktteilnehmer vor einer zu
hohen Erwartungshaltung: Die Aktienmärkte könnten die aufgelaufenen Gewinne
erst einmal verdauen oder, auf Börsianer-Deutsch, auf Konsolidierungskurs
einschwenken.
Für den DAX spricht auf den ersten Blick die nahende US-Berichtssaison, die
am kommenden Donnerstag traditionell von Alcoa eröffnet wird. Dabei dürften die
Gewinne nochmals kräftig zugelegt haben - laut Peter Seipel von der BHF Bank um
rund 30% im Vergleich zum dritten Quartal 2009.
Vermutlich werden die Unternehmen die Konsens-Schätzungen überwiegend wieder
leicht schlagen: "Das ist ein Spiel", meint Andrew Lapthorne von der Societe
Generale: Die Unternehmen schürten eine Erwartungshaltung, in der sie die
Prognosen für den Gewinn je Aktie um mindestens einen Cent übertreffen könnten.
Für den Markt spricht auch die immense Liquidität. Solange der
US-Arbeitsmarkt nicht anspringt, wird der Markt voraussichtlich über
"Quantitative Easing 2" spekulieren, also über Ankäufe von Staatsanleihen mit
Geld frisch aus der Notenbankpresse. "Das Ziel ist eine günstige Refinanzierung
der US-Hypothekendarlehen", meint Alexander Hirsekorn von Wellenreiter-Invest.
Hier fielen die Zinsen sehr viel schneller als bei Unternehmensanleihen. Eine
günstigere Refinanzierung steigere die verfügbaren Einkommen in den USA.
Daneben könnte mit dem Quantitative Easing Geld anderer Anleger aus dem
Anleihenmarkt in Aktien umgeschichtet werden, und das stütze
Verbrauchervertrauen und Investitionen.
Die Deutsche Bank meint, ein Ankauf von Anleihen für eine Bill USD könnte die
Renditen am langen Ende um 50 Basispunkte drücken und die Aktienkurse um 5%
hieven. Allerdings sei bei guten US-Konjunkturdaten kurzfristig kein
zusätzliches Quantitative Easing zu erwarten. Im Blick stehen könnten in der
kommenden Woche vor allem der Arbeitsmarktbericht am Freitag mit dem
ADP-Vorläufer am Mittwoch und der ISM-Index für das nichtverarbeitende Gewerbe
am Dienstag.
Für die Aktienmärkte sprechen auch die niedrigen Investitionsgrade der
Anleger. Laut Morgan Stanley sind die Anleger in Staatsanleihen stark
überinvestiert, in US-Aktienfonds seien dagegen schon seit Monaten Abflüsse zu
sehen, der potenzielle Verkaufsdruck gehe also eher zurück.
Gegenwind könnte dagegen vom Umfeld drohen. Chris Zwermann von Zwermann
Financial meint, der DAX habe in den vergangenen Monaten vor allem von zwei
Entwicklungen profitiert: vom schwachen Euro und von den rückläufigen
langfristigen Zinsen. "An der Währungsfront bricht nun ein Krieg aus", meint
der Finanzanalyst. Voraussichtlich lasse China den Yuan gegen den Dollar nur
aufwerten, wenn sich die Wettbewerbssituation gegenüber anderen Währungsräumen
nicht verschlechtere. Leidtragender sei der Euro, der nun nicht nur gegen
Dollar, Pfund, Yen oder Schweizer Franken Stärke zeige, sondern auch gegen die
"Stark-Währungen" Brasilianischer Real oder Australischer Dollar.
"Damit trägt der Euro die ganze Last der Dollar-Abwertung", meint Zermann,
der noch in diesem Jahr einen Anlauf an die Euro-Hochs vom vergangenen Herbst
erwartet. Dann könnten sich die Geschäftserwartungen der exportorientierten
DAX-Unternehmen aber eintrüben. Auch die Refinanzierungsbedingungen könnten
ihre besten Zeiten hinter sich haben: Der Bund-Future als Indikator für die
langfristigen Zinsen deute eine Trendwende an. Grund seien die
Inflationserwartungen, die bereits nach oben zeigten. In der Autoindustrie sei
die Phase der großzügigen Rabatte vorbei, und in der Textilindustrie gebe es
ebenfalls die Tendenz, steigende Baumwollpreise weiterzureichen.
Ein Zeichen für eine nahende Konsolidierung sehen Marktteilnehmer auch in der
Beanspruchung des Kapitalmarkts. So hat die Deutsche Bank zuletzt nicht nur
ihre eigene Kapitalerhöhung über etwa 10 Mrd EUR platziert, sondern auch Pakete
in Springer, Kabel Deutschland und Brenntag. Die Commerzbank denkt laut
Medienberichten über eine Kapitalerhöhung nach, in Brasilien wurde mit
Petrobras die vermutlich größte Aktienemission der Börsengeschichte
abgeschlossen, und auch in China wird der Kapitalmarkt weiterhin stark
beansprucht. "Normalerweise ist der Markt in solchen Phasen eher oben als
unten", so ein Marktteilnehmer.
Als Favoriten für die kommenden Tage oder Wochen haben Marktteilnehmer die
Aktien der Deutschen Bank ausgemacht. Nach dem Ende der Kapitalerhöhung sollte
eine starke Erholung möglich sein, vielleicht nicht auf das Niveau vor der
Kapitalmaßnahme um 50 EUR, aber um 5% bis 10%.
Die Börse in Shanghai bleibt in der gesamten kommenden Woche geschlossen. Die
Bank of Japan tagt am Dienstag, die Europäische Zentralbank am Donnerstag. Am
Mittwoch gibt es Zahlen zum deutschen Auftragseingang im August, am Donnerstag
folgt die Industrieproduktion. Gerresheimer Glas äußert sich am Mittwoch zur
Geschäftsentwicklung und Douglas am Donnerstag. In Berlin tagt ab Donnerstag
die International Federation of Technical Analysts. Aus technischer Sicht gilt
der DAX bei 6.150 und knapp 6.000 Punkten als unterstützt, Widerstände sehen
Marktteilnehmer bei 6.342 und 6.387 Punkten.
-Von Herbert Rude, Dow Jones Newswires, +49(0)69-29725217,
herbert.rude@dowjones.com
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(END) Dow Jones Newswires
October 01, 2010 07:47 ET (11:47 GMT)
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