Immobilienblase in Spanien
Haus- und Mietpreise schnellen nach oben EU-Kommission spricht Verwarnung aus
Von Ralf Streck
Nicht die höchste Arbeitslosigkeit, die große Zahl ungesicherter Arbeitsverhältnisse oder die vielen Arbeitsunfälle brachten die EU dazu, eine Warnung an Spanien auszusprechen. Grund für Brüssels erhobenen Zeigefinger ist die reale Gefahr, dass die Immobilienblase platzt, die sich in Spanien in den letzten Jahren entwickelt hat.
Mit Sorge, teilte der jährliche Herbstbericht der EU-Kommission mit, sehe man die Tatsache, dass die Preise für Immobilien in Spanien stark steigen. Eine jüngst veröffentlichte Marktstudie zeigt, dass die Preise im vergangenen Jahr um sage und schreibe 13,1Prozent gestiegen sind. Steigerungen über zehn Prozent verzeichneten auch Griechenland und Irland.
Bei den Zahlen handelt es sich um den realen Anstieg der Immobilienpreise, die Inflation von knapp vier Prozent in Spanien wurde da schon abgezogen. Nach Angaben der Bank von Spanien sind die Immobilien schon jetzt zwischen 8 und 20Prozent überbewertet. Deshalb warnt sie auch vor einer »schroffen Anpassung«, also vor einem Crash am Immobilienmarkt. In einigen Regionen haben sich die Preise für Wohnungen und die Verschuldung der Haushalte seit 1997 verdoppelt.
Nach Angaben der EU-Kommission birgt die »überdurchschnittlich hohe Verschuldung« privater Haushalte in Spanien große Gefahren. Wer in Spanien an Wohnraum kommen will, kauft diesen traditionell eher, als diesen anzumieten. Deswegen haben sich viele Menschen extrem verschuldet. Die hohe Mietpreise auf der einen und die derzeit besonders günstigen Angebote für Immobiliendarlehen auf der anderen Seite, veranlassen viele Familien zum Kauf einer teueren Wohnung, was die Preise weiter steigen lässt.
Gefördert wurde die Verteuerung auch durch die Spekulation, gegen die die konservative spanische Regierung nichts unternimmt. Vielmehr sind vor allem in der Region Madrid zahlreiche Parteigänger der regierenden Volkspartei (PP) in das Geschäft verwickelt. Gefördert wurde das Boden- und Immobiliengeschäft aber auch, weil an der Börse in den letzten Jahren nur wenig zu verdienen war. So floss viel Geld in Immobilien.
Ein direkter Effekt: Die Verschuldung der Haushalte wegen Immobilienkäufen erhöhte sich in einem Jahr um 23,2Prozent. Mit dieser Zahl unterstrich die Nationale Statistikbehörde (INE) die Angaben der EU. Während Brüssel nur die Entwicklung bis zum Jahresende 2002 betrachtete, verglich INE den Monat Juli 2003 mit dem Juli vor einem Jahr. Damit wurde klar, dass die Immobilen-Blase immer größer wird.
Parallel dazu zeigt die jüngste Bilanz der Stiftung der Sparkassen (Funcas), dass die Sparquote fällt, weil viele Familien einfach nicht genügend Geld haben. Lag die Sparquote 1995 noch bei 16Prozent der Einkommen, sank sie im letzten Jahr auf etwa 13Prozent. Deshalb befürchtet die EU, dass ein Ansteigen der Zinsen und eine weitere Verschlechterung der Situation am Arbeitsmarkt zu einem Crash führen könnte. Einer von beiden Faktoren könnte viele Haushalten ökonomisch das Genick brechen und zu einer »schroffen Anpassung« der Preise führen. Das hätte nach Angaben von Experten gravierende Folgen für die Konjunktur. Auch hier sieht es nicht gerade rosig aus, auch wenn Spanien in der EU mit einem relativ hohen Wachstum von 2,3Prozent liegt. Das Wachstum schlägt sich aber nicht in mehr Beschäftigung nieder. Mit 11,4Prozent gibt die europäische Statistikbehörde die Arbeitslosigkeit in Spanien an, die höchste in der EU.
Vor allem im Baskenland, wo die Immobilienpreise extrem hoch sind, beschloss die Regionalregierung Maßnahmen gegen die Spekulation und kurbelte den sozialen Wohnungsbau an. Das hat die Preise stabilisiert. Die Stadt Bilbao hat im letzten Monat die Grundsteuer für leer stehende Wohnungen um 50Prozent zu erhöht, um einer künstlichen Verknappung von Wohnraum entgegenzuwirken. Das betrifft mehr als 10000 Wohnungen. Der Quadratmeter einer Eigentumswohnung kostet dort im Schnitt etwa 2000 Euro.
(ND 15.11.03)