Man beachte, dass die Gebühr für die Nutzung von Europace mit 0,1% der Kreditsumme optisch sehr "klein" ist. Z.B. entspricht dies bei einem Kredit in Höhe von 250.000 EUR lediglich 250 EUR Provision für Hypoport. Hierin liegt jedoch in meinen Augen gerade die große Perspektive für Hypoport verborgen.
Zunächst mal muss man sehen, dass bereits 13% aller deutschen Immobilienkredite über Europace abgewickelt werden. Dies führt dazu, dass die "kleinen" 0,1% für Europace mittlerweile bereits 56% des Gesamt-EBITs von Hypoport generieren, auch wenn jede Einzelzahlung "nur" in der Größenordnung von 250 EUR sind. Auf Basis des Nettogewinns ist der Anteil von Europace sogar noch deutlich höher. Denn Europace wird als Softwareplattform aus Irland betrieben. Dies führt dazu, dass auf den Großteil der Europace-Umsätze lediglich 12,5% Steuern gezahlt werden müssen, während Hypoports andere Geschäftsbereiche dem normalen deutschen Steuersatz von 30% unterliegen. De facto ist Europace daher schon heute der Haupttreiber der Gewinne--auch wenn es auf EBIT-Basis (welche Hypoport ausweist) deutlich balancierter aussieht.
Europace hat heute bei Finanzvermittlern (wie Dr. Klein) einen Marktanteil von rund 50%. Bei Geschäftsbanken liegt der Marktanteil bei ca. 20%. Bei Sparkassen und Volks-/Raiffaisenbanken hingegen liegt der Marktanteil bei erst rund 2%. Letzteres ist ein potenzielle sehr großer Wachstumshebel für Hypoport. Denn Europace hat mit diesen Instituten genau auf sie zugeschnittene Europace-Versionen geschaffen: Finmas (für Sparkassen) und Genopace (für Genossenschaftsbanken). Ziel von Hypoport ist es insbesondere, dass diese Institute Europace auch für eigene Kreditvergaben als Software nutzen (und nicht nur für Vermittlungen von Krediten), weil Europace ein so praktisches Software-Tool ist.
Dass Europace "nur" 250 EUR kostet ist hierbei in meinen Augen ein großer Vorteil, denn die Effizienzeinsparung duch Outsourcing der Softwarelösung dürfte für die Institute deutlich höher sein. Allerdings ist dieser Prozess langwierig, weil man jede Sparkasse einzeln überzeugen muss, die neue Software zu nutzen. In den Calls hat Herr Slabke suggeriert, dass man hier potenziell eine Vollabdeckung anstrebt. Er hat die "interne" Marktanteilsgewinnung als einen zähen Prozess beschrieben: man gewinnt erst langsam einen Kundenberater nach dem anderen, bis irgendwann der Netzwerkeffekt einsetzt und auf einmal alle Europace nutzen (wenn man Erfolg hat, so wie erhofft).
Was wären die finanziellen Implikationen davon, wenn Sparkassen und Genossenschaftsbanken die für sie und mit ihnen entwickelten Plattformen Genopace und Finmas in ein paar Jahren dann tatsächlich voll einsetzen würden, so wie Hypoport hofft? Da ist die Mathe recht schön: diese Institute haben einen Marktanteil von ca. 60% bei Baukrediten allgemein. Europace hat bei ihnen, wie oben beschrieben, derzeit eine Durchdringung von 2%. Es können also potenziell noch 98% von 60% bei diesen Instituten gewonnen werden. Das sind 58,8%. Wenn das gelänge, würde der Gesamt-Marktanteil von Europace also von heute 13% auf dann fast 73% steigen...
Wir sprechen hier im Idealfall also potenziell von einer Verfünffachung des Umsatzes bei Europace: dem Segment, das bei Hypoport bereits heute den absoluten Löwenanteil der Net Earnings ausmacht. Ist es sicher, dass das klappt? Nein, natürlich nicht. Vielleicht eiern die Sparkassen auch in 10 Jahren weiter mit antiquierter Technik herum, die den Beratern das Leben schwer macht. Das kann niemand genau wissen. Was mich hier allerdings zuversichtlich stimmt, sind die folgenden Punkte:
- Europace und Genopace sind Joint Ventures mit den jeweiligen Gesellschaften. Es dürfte daher einen gewissen institutionellen Willen geben, die Plattformen intern zu fördern.
- Der Druck, effiziente Digitallösungen einzuführen wird immer größer
- Die regulatorischen Anforderungen/der Papierkram wird immer größer
- Der Preis ist mit 0,1% sehr gering
- Europace wird als Plattform immer besser, so dass der Nutzen für die Institute und deren Mitarbeiter in Zukunft nur immer weiter zunehmen dürfte
Was die potenziellen Auswirkungen auf die Earnings angeht, muss man auf der negativen Seite zunächst anerkennen, dass Hypoport die Finmas/Genopace Einnahmen nicht komplett selbst behalten kann (wie dies beim klassischen Europace der Fall ist). Z.B. gehört Finmas Hypoport zu 50%.
Andererseits: die Kosten von Europace sind Fixkosten. D.h., dass bei weiterer Nutzung der Plattform kaum zusätzliche Kosten für Hypoport entstehen. Damit gehen potenzielle Umsatzzuwächse zu einem sehr hohen Teil direkt in die Earnings und die Marge wird größer. Sprich: Europace hat ein enormes Skalierungspotenzial mit potenziell deutlich höheren EBIT Margen.
Nur mal als fiktives Rechenbeispiel: Nehmen wir an, die Sparkassen und Genossenschaftsbanken würden in ein paar Jahren wirklich vollständig Europace nutzen und der Umsatz sich somit verfünffachen. Nehmen wird weiter an, 50% der Erlöse müssten an Sparkassen und Volksbanken abgeführt werden und die EBIT-Marge auf die inkrementellen Einnahmen sei 50%. Dann würde dies auf Basis heutiger Zahlen zu einer Verachtfachung des EBIT von Europace führen (welches, wie beschrieben, bereits heute der Haupttreiber der Earnings von Hypoport ist).
Ich will mit dieser hypothetischen Rechnung nicht sagen: so wird es kommen. Da spielen viele Variablen rein. Was ich sagen will ist vielmehr: die bescheidenen 0,1% Gebühr von Europace sind nicht so "bescheiden", wie es zunächst den Anschein erwecken mag. In Wahrheit bergen sie ein enormes Earnings-Potenzial. Wer hier investiert ist, hofft bzw. erartet, dass es zumindest teilweise gehoben wird.