So. Hier nun meine Exegese zum Geschäftsbericht (GB) 2023:
Vorab, der Cyberangriff. Laut GB handelt es sich um einen Ransomware-Angriff. Es geht also weniger darum, dass exklusive Daten abfließen (tatsächlich meine erste Befürchtung), sondern relativ klassisch heutzutage um Lösegeld für den Zugriff auf Dateien/Betriebssysteme.
Nach wenigen Tagen war man wohl wieder arbeitsfähig, jedoch sind einige Systeme immer noch betroffen und Teams von Fachkräften untersuchen diese Systeme forensisch. Mit Versicherungsvertretern geht man jetzt das Thema Kostenerstattung der Betriebsausfallversicherung für die betreffenden Tage an, über die Erstattungshöhe weiß man noch nichts. Jahresziele werden bestätigt.
Soweit die Aussagen im GB, an mehreren Stellen.
Meiner Meinung nach natürlich kein schönes Thema, kann jedoch jeden treffen.
Und Evotec als Datenkrake und Spinne im Forschungsnetzwerk ist wahrscheinlich täglich an irgendeiner Stelle irgendwelchen Angriffen ausgesetzt - einer hat nun mal jetzt gesessen...
Man ist dran, man arbeitet wieder und traut sich weiter zu die Prognose zu schaffen. Finanziell sollte die Versicherung einstehen und Daten sind wohl nicht verloren.
Für mich ist damit die Sache erledigt.
Zu den Zahlen... diese sind ja schon bekannt, Betriebsergebnis positiv (weil immer mal Mitforisten seltsame Ansichten zu den Gewinnkennzahlen bei Evotec in den Raum stellen...) wenn auch halbiert zum Vorjahr aufgrund erhöhter Herstellkosten der Umsätze, welche wiederum vor allem am J.POD-Aufbau in Redmond liegen. Ohne den J.POD-Aufbau hätte sich die Bruttomarge sogar verbessert, heißt bei erhöhten Umsätzen zum Vorjahr sind die Herstellkosten dieser Umsätze nicht im gleichen Schritt mitgewachsen, Evotec ist also bei Umsatzgenerierung effizienter geworden (S.49 Geschäftsbericht schön hergeleitet).
Der Gewinn ist mit den Equity-Veränderungen negativ vor Steuern, Aussagekraft jedoch gleich null wie letztes Jahr auch. Da es bei Evo Equity vor allem darum geht, an innovativen/neuartigen/aussichtsreichen Verfahren und Projekten beteiligt zu sein und ggf. später darauf zugreifen zu können bzw. die eigenen Plattformen ergänzen/erweitern zu können.
Auf dem Weg dahin unterliegen die jeweiligen Firmenwerte eben Schwankungen und somit auch die Anteile die Evotec an diesen Firmen hält.
Der Bilanzverlust hat sich in letztem Jahr dadurch natürlich wieder vergrößert...
Interessant für mich der operative Cashflow - nach Cristian W. Röhl die maßgebliche Kennzahl für den geneigten Investor, wenn in der Berichterstattung viel bereinigt, im Geschäftsjahr viel investiert und im Equity-Bereich viel Geld in Beteiligungen gesteckt wird (und somit viele klassische Kennzahlen Bottom-Line nur schwer verständlich werden) - und dieser ist nicht nur positiv, nein er steigt ansehnlich.
Mehr als 203 Millionen € operativer Cashflow in 2022, nach 122 Millionen im Jahr 2021, nach 44 Millionen im Jahr 2020.
Die Cashflow-Umsatzrendite lag in 2022 bei 27 % nach knapp 20% im Vorjahr und einstelliger Rendite in 2020. ... Ordentlich. ;-)
Evotec steigert also nicht nur die Umsätze (Zahlen sind ja bereits bekannt), nein davon bleibt auch jedes Jahr mehr im Cashflow hängen und steht somit für weitere Investitionen oder irgendwann mal Ausschüttungen zur Verfügung.
Und hier nochmal zum Mitschreiben: Evotec entscheidet sich BEWUSST für die massive Investitionen, weil man Bedarf im Markt erkannt hat. Bedarf den man zukünftig decken will. Und Evotec kann sich das leisten. Allen mehr oder weniger qualifizierten Unkenrufern in den Foren zum Trotz...
Das bereinigte EBITDA-Ziel hat man knapp verpasst, S.39 und S.40... höhere Energiekosten, ausbleibende Meilensteine (Bayer...) und der langsame Start der Auftragsproduktion der Biologika-Sparte konnten nicht ganz aufgefangen werden. Schauen wir mal. 2025 wollen wir hier bei dieser Zahl 300 Millionen sehen...
Die unverpartnerte F& E als Zielgröße wurde am unteren Prognoseband erreicht.
Was bleibt nun von diesen Zahlen?
Fazit ist denke ich, dass 2022 ein weiteres Jahr mit Wachstum und vielen Investitionen für noch viel stärkeres Wachstum in der Zukunft war.
Und trotzdem ist Evotec kein Hoffnungswert, der irgendwie auf die Pipeline hoffen muss, wie das ja gerade einige Mitforisten hier immer mal wieder behaupten.
Im Gegenteil, die Pipeline (Innovate) spielt derzeit eine untergeordnete Rolle. Auftragsforschung als "CRO" (contract research organization) bei Execute und der massive Kapazitätsaufbau bei der Biologika-Produktion für Dritte als "CMO" (contract manufacturing organization) mit Just-Evotec Biologics (J.PODs - auch Execute) deuten eher darauf hin, dass der Erfolg in Zahlen der heutigen Evotec und der Evotec in naher Zukunft vor allem durch die Dienstleisteraktivitäten bestimmt wird und nicht durch Innovate.
Dies soll sich natürlich in der Zukunft und dem größten Royaltiy-Pool der Branche ändern (plus EvoEquity wo ja durchaus Potenziale in der Zukunft warten), aber heute kann man sagen, dass Evotec vor allem Dienstleister für andere ist und die eigenen Plattformen so auslastet und ständig verbessert.
Und mit der Zeit will man vom Auftragsforscher in den frühen Phasen zum voll-integrierten Dienstleister werden, der für andere Forschung und Produktion übernehmen kann (technisch wäre das also "CDMO" plus "CRO" also "CRDMO" .... ....) . Ich weiß viele Abkürzungen...
Wir als Aktionäre sind also in der glücklichen Lage NICHT mit bangen Blicken auf die Pipeline und einzelne Phasen schauen zu müssen, sondern jeden Tag generiert Evotec Cash mit seinem Dienstleistergeschäft auf dem Weg hin zum Pipelinefortschritt.
Es bleibt dabei - hier wird bereits mit Forschung Geld verdient und nicht wie anderswo Geld verbrannt.
Evotec ist also kein klassisches Biotech sondern Dienstleister/Zulieferer für die ganze Branche und setzt dabei auf Innovation und gegenseitige Befruchtung von Dienstleisteraktivitäten und den eigenen Plattformen und der verpartnerten Pipeline.
Das streut das Risiko und macht gleichzeitig die Umsätze/Gewinne daraus planbarer. - Und das egal ob eine Zulassung kommt oder ein Projekt bei Innovate scheitert.
Wann der Markt das endlich erkennt?
Keine Ahnung, ich weiß ja nicht mal wann das der letzte Foren-Schreiber hier erkennt und hier in den Foren steht ja theoretisch schon alles... es wird also dauern.
In nächster Zeit wird dann mal mein Vergleich von Execute und anderen CROs weltweit erscheinen, dann schauen wir weiter.
@alle Longies: Hinlegen und weiterschlafen.
Grüße
Euer Connaisseur