Nach dem Platzen der Spekulationsblasen bei Immobilien und Öl suchen Investoren den nächsten Markt für Megarenditen. Wo sie einsteigen und die Preise treiben, die heißesten Kandidaten mit großem Kurspotenzial, und wie Privatanleger davon profitieren.
von Carsten Lootze
John Paulson hat gezeigt, wie es geht. Der US-Hedgefondsmanager wettete im vergangenen Jahr auf fallende Immobilienpreise in den USA – und verdiente damit 3,7 Milliarden US-Dollar. Denn Paulson hatte erkannt, dass die Eigenheimpreise weit über dem lagen, was aufgrund von Angebot und Nachfrage angemessen gewesen wäre. Das heißt: Es hatte sich eine Spekulationsblase gebildet.
Wer vor dem Crash ausstieg, konnte mit US-Immobilien ebenfalls satte Gewinne einstreichen. So stieg das Hauspreisbarometer S & P/Case-Shiller-Index von Anfang 1996 bis Ende 2006 um 136 Prozent. Auch die New-Economy-Blase war für hohe Renditen gut, bevor sie platzte: Der New Yorker Technologieindex Nasdaq legte von September 1998 bis September 2000 um 170 Prozent zu. Während der japanischen Aktienblase zwischen 1979 und 1989 waren – gemessen am Nikkei – sogar 775 Prozent Gewinn drin. Das zeigt: Wer solche Überhitzungen früh erkennt und rechtzeitig verkauft, kann damit in kurzer Zeit viel Geld verdienen. Die nächste Chance dazu dürfte nicht weit sein: "Nach dem Prinzip rollierender Blasen führt der Crash in einem Bereich zu Überinvestments in augenscheinlich sichere Anlageformen, die in der Vergangenheit schon hohe und stetige Wertsteigerungen erlebt haben", sagt Reiner Back, Leiter Portfoliomanagement Renten und Devisen bei der Meag, dem Vermögensverwalter der Münchener Rück. Soll heißen: Der Zusammenbruch einer Spekulationsblase ist Ausgangspunkt für die nächste.
Die wichtigsten Voraussetzungen dafür sind erfüllt: Trotz der Finanzkrise ist reichlich Liquidität für Investitionen vorhanden. Daher sind institutionelle Investoren nach dem Zusammenbruch des US-Immobilienmarkts und ihrem Rückzug aus Rohstoffen schon wieder auf der Suche nach neuen Renditequellen. Aber wo wird das Geld hinfließen und so die nächste Spekulationsblase erzeugen? Gemeinsam mit Investmentchefs und Bankstrategen, institutionellen Investoren sowie Finanzwissenschaftlern hat €uro am Sonntag fünf Marktsegmente ausgemacht, die dafür infrage kommen: Unternehmenskredite, Währungen, Agrarland, alternative Energien und Rohstoffe. Wer jetzt dort investiert und rechtzeitig wieder aussteigt, hat die Chance auf hohe Gewinne.
Investmentblasen sind nichts Ungewöhnliches. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts führte die Südseeblase in Großbritannien dazu, dass der Aktienkurs eines Handelsunternehmens binnen eines Jahres um 950 Prozent zulegte. "Sie entstehen immer dann, wenn sich der Marktpreis einer Ware – beflügelt von überzogenen Gewinnerwartungen – weit vom fundamentalen Wert dieser Ware entfernt", sagt Finanzkrisenforscher Paul G. Schmidt von der Frankfurt School of Finance & Management. "Das passiert üblicherweise bei Gütern, deren Angebot sich nicht beliebig ausweiten lässt."
Ungewöhnlich ist dagegen, wie häufig diese Überhitzungen zuletzt aufgetreten sind. Professor Robert Aliber von der Universität Chicago hat seit 1970 sechs große Blasenwellen beobachtet – so viele wie noch nie innerhalb so kurzer Zeit. Experten gehen davon aus, dass dieser Trend anhalten wird. "Dass die Internet- und Häuserblase innerhalb von nur zehn Jahren entstanden sind, ist in meinen Augen erst der Anfang", sagt Eric Jenszen. Mit seinem Unternehmen Itulipe untersucht der Amerikaner Finanzmärkte weltweit auf mögliche Spekulationsblasen. Jenszen: "Es wird und muss viele weitere solcher Booms geben, denn ohne sie kann die Wirtschaft der Vereinigten Staaten nicht länger funktionieren."
Vier Gründe sprechen dafür, dass die nächste Spekulationsblase nicht lange auf sich warten lassen dürfte: die nach wie vor hohe Liquidität, die Renditeziele der institutionellen Investoren, vereinfachte Investitionsmöglichkeiten für Privatanleger durch neue Produkte sowie der Überhang an Mitarbeitern in der Finanzbranche. Durch die Finanzkrise ist die weltweite Marktkapitalisierung von Aktien, Anleihen, Derivaten, Immobilien und so weiter seit Sommer 2007 um rund neun Billionen US-Dollar geschrumpft, schätzt die Nachrichtenagentur Bloomberg. Gleichzeitig vergeben Banken in den USA und Europa Kredite derzeit auf Sparflamme und zu sehr strengen Konditionen. Daher gehen einige Marktbeobachter davon aus, dass nicht genug Geld in Umlauf sei, um eine neue Spekulationsblase anzuheizen. "Billiges Geld ist eine Bedingung für spekulative Blasen", sagt zum Beispiel Merrill Lynchs Europa-Chefvolkswirt Klaus Baader.
Aber: Obwohl Banken weniger neue Darlehen ausreichen, nimmt die Geldmenge, die insgesamt in Umlauf ist, weiter zu. Im Euroraum ist die Geldmenge M3 – das sind alle Eurobarbestände in Banknoten und Münzen sowie Girokontenbestände, Einlagenzertifikate und Geldmarktkontenbestände in Euro – im Juli um 9,3 Prozent gegenüber Juli 2007 gestiegen. Das war zwar weniger als die zwölf Prozent Zuwachs Ende 2007, aber immer noch mehr als bis Ende 2006 jemals der Fall war.
Auch in den USA nimmt die Liquidität weiter zu, dort zuletzt um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr. "Gleichzeitig brauchen die Volkswirtschaften wegen der Konjunkturabkühlung weniger Geld als bisher, um die Realwirtschaft in Gang zu halten", sagt der Investmentchef von HSBC Trinkaus, Karsten Tripp. "Dadurch bleibt unterm Strich ähnlich viel Geld für Investitionen übrig wie vor der Finanzkrise." Dieser Meinung ist auch Magne Orgland, geschäftsführender Teilhaber der Schweizer Privatbank Wegelin: "Wahrscheinlich ist noch genug Liquidität in Umlauf, um eine neue Blase zu finanzieren."
Auch an der Nachfrage dürfte es nicht scheitern. Denn institutionelle Investoren brauchen Anlagemöglichkeiten, um ihre Renditeziele zu erreichen. "In den vergangenen Jahren haben etwa Versicherungen jährliche Renditen von fünf Prozent erzielt", sagt Klaus Esswein. Er ist Geschäftsführer von State Street Global Advisors in Deutschland – einem Finanzdienstleister, der Versicherungen und Pensionskassen bei ihren Investments berät. Diese konservativen Institute stecken etwa die Hälfte ihrer Vermögen in Geldmarktpapiere und Staatsanleihen. Allerdings rentieren die entsprechenden Papiere derzeit aber unter den anvisierten fünf Prozent. Daher brauchen die Investoren renditestarke Beimischungen. In den vergangenen Jahren setzten sie dabei auf Kreditderivate, die Hypotheken von US-Eigenheimbesitzern verbrieften. Doch nach dem Zusammenbruch des entsprechenden Markts müssen sie sich nun nach Alternativen umsehen. Esswein: "Die Suche danach läuft bereits seit einiger Zeit." Wohin sie führen wird, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander. "Noch ist nicht offensichtlich, wo die Investoren als Nächstes hinziehen werden", sagt Klaus Baader. Einige Marktsegmente würden sich jedoch dafür anbieten.
Damit Überhitzungen entstehen, müssen neben institutionellen Investoren auch Privatanleger Zugang zum jeweiligen Marktsegment haben. Die Voraussetzungen dafür sind derzeit so gut wie nie zuvor. "In den vergangenen Jahren sind viele neue Finanzderivate auf den Markt gekommen", sagt Professor Schmidt. "Mit denen kann fast jeder Privatanleger in Bereiche investieren, die vorher nur institutionellen Investoren offenstanden." Zudem gibt es Branchenkennern zufolge einen Selbsterhaltungstrieb in der Finanzindustrie, der immer neue Anlageprodukte hervorbringe. In den vergangenen Jahren haben Investmentbanken Zehntausende Mitarbeiter eingestellt, um neue Kreditderivate zu entwickeln. "Nach dem Zusammenbruch dieses Markts sitzt dort nun eine Menge Arbeitsloser", sagt Karsten Tripp. Einem Bloomberg-Bericht zufolge könnten bis zum Sommer 2009 etwa 175 000 Banker ihre Jobs verlieren. "Die Arbeitgeber können aber nicht einfach alle entlassen. Daher fragen sie sich: Was machen wir mit denen? Die Lösung heißt, neue Derivate zu entwickeln." Diese könnten dann – ähnlich wie bei den Kreditderivaten auf US-Eigenheime – die nächste Blase verschärfen. Die allgemeinen Bedingungen für eine neue Blase sind also günstig. Doch welche Anlageklassen kommen infrage? Conrad Mattern nennt die vier wichtigsten Voraussetzungen: "Das Marktsegment muss groß genug sein, um mehrere Hundert Milliarden Kapital aufnehmen zu können", sagt der Vorstand von Conquest Investment, einer Beratungsgesellschaft für institutionelle Investoren. "Zweitens sollte der jeweilige Markt zu Beginn günstig bewertet sein. Drittens müssen sich institutionelle Investoren engagieren. Und viertens sollte es ausreichend Produkte geben, die Privatanlegern leichten Zugang zum jeweiligen Marktsegment bieten."
Fünf Blasenkandidaten erfüllen diese Bedingungen. Damit ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich zumindest in einem der genannten Marktsegmente Preisübertreibungen bilden werden. Wo auch immer die nächste Übertreibung schließlich entstehen mag – John Paulson wird sicher wieder mitmischen. Schließlich hat er einen Titel zu verteidigen – als bestverdienender Hedgefondsmanager weltweit.