"Tatsächlich ist man in der EZB über den Preisschub gar nicht so unglücklich. Seit etwa zehn Jahren wird das selbst gesteckte Inflationsziel von knapp zwei Prozent nicht mehr erreicht, weil eine Krise die nächste jagt. Wenn das dieses Jahr anders ist, könnte man es als großen Erfolg der eigenen Geldpolitik verkaufen - selbst dann, wenn das Pendel über die eigene Vorgabe hinausschlägt. Außerdem schaut man mit Sorge auf die Finanzmärkte: Dort haben die Aktienkurse, auch und gerade wegen der ultralockeren Geldpolitik, ein Niveau erreicht, das in vielen Bereichen längst von der Realwirtschaft abgekoppelt ist. Die Notenbanker fürchten, dass eine Änderung der Geldpolitik zu heftigen Reaktionen führen und das fragile Kartenhaus erschüttern könnte."
"Kritik an Politik der US-Notenbank
Es gibt also viele Gründe, warum die Mehrzahl der Währungshüter die Füße derzeit lieber stillhält und sich über den Sommer retten will. Mit einer Änderung der Geldpolitik auf der Ratssitzung diese Woche wird nicht gerechnet, mittlerweile nicht einmal mehr mit einer Andeutung, dass die bald bevorstehen könnte. Lediglich das Tempo der Anleihekäufe könnte vielleicht etwas gedrosselt werden. Aber auch das ist unsicher. Wie lange die EZB ihren Kurs fortführen kann, hängt allerdings auch von der Welt um sie herum ab. In den USA etwa, wo die Inflationsrate mittlerweile bei 4,5 Prozent liegt und die Konjunktur wegen des zwei Billionen schweren Corona-Hilfsprogramms der Biden-Regierung langsam anfängt zu überhitzen, wird die Kritik an der lockeren Geldpolitik der Federal Reserve immer lauter. Ökonomen wie der ehemalige IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard oder der leitende Wirtschaftsberater der Allianz, Mohamed Aly El-Erian, befürchten, die Corona-Krise könne die Struktur der Wirtschaft geändert haben. Es sei daher gar nicht ausgemacht, dass die Inflation schnell wieder zurückgehe. Ein zu spätes und dann abruptes Handeln der Notenbanken könne zu Verwerfungen an den Finanzmärkten und zu einer Rezession führen. Die nächsten Monate dürften also ungemütlich für die europäischen Währungshüter werden. Und auch für die Menschen in der Euro-Zone. Denn eines ist klar: Es wird noch teurer."
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