Meiner Ansicht nach hat entgegen der offiziellen Äußerungen auch die EZB nie an die transitory Inflation geglaubt (das ist natürlich spekulativ). Die Notenbanken sind sich doch vollkommen im Klaren darüber, dass Äußerungen bereits Auswirkungen auf die Märkte haben, deshalb sollte man die Äußerungen etwas spieltheoretischer betrachten und sie nicht 1 zu 1 auf die Waagschale legen. In diesem Sinne sollte man der EZB da auch keine Unfähigkeit unterstellen.
Man muss sehen, dass die größere Angst als ein Inflationsszenario ein lange andauerndes Japanszenario mit Liquiditätsfalle ist. Paul Krugman schrieb einmal, die Notenbanken müssten dafür "Credible Irresponsible" wirken, beispielsweise durch höhere Zielinflationsraten. Diesen Aufsatz hat er angesichts der aktuellen Entwicklungen im März 2022 revidiert (web.gc.cuny.edu/sites/default/files/...ibility-Revisited.pdf)
Ich denke aber, dass wir genau das in den letzten zwei Jahren gesehen haben, als die Zentralbanken bereits während der Pandemie signalisierten, dass sie höhere Inflationen tolerieren würden, um vorherige Zielunterschreitungen auszugleichen. Inflation ist für die (exportierenden) Länder gut, solange sie nicht außer Kontrolle gerät und die Wirtschaft abwürgt, da sie die Verbindlichkeiten real tragbarer macht und gleichzeitig den Export stimuliert. Die EU ist als Ganzes ein Exporteur. Für die Sparer hängt es davon ab, wie schnell die Zinsen mitziehen (vermutlich ist es erst einmal eher schlecht, da die Zinsen nur verzögert reagieren). Das funktioniert aber meiner Meinung nach alles nicht, wenn man schneller neue Schulden aufnimmt als man sie entwertet, beispielsweise um Inflationsfolgen abzufedern, hier wird es nämlich widersprüchlich, da man die Inflation weiter anheizen dürfte.