...Ohne Rechtsbrüche wäre das Finanzsystem schon 2008 zusammen gebrochen. Unter der Flagge „Scheitern ist keine Option“ und mit vielerlei Angstkulissen kam es dann in den Jahren danach zu weiteren Rechtsbrüchen bis hin zum völligen Ignorieren bestehender Verträge.
Dieser Pfad der Untugend wird sich fortsetzen. Ansonsten hieße es wirklich Game Over. Es geht darum, den Tag der Abrechnung zu vertagen. Von daher könnte es noch etwas dauern, solange man es schafft, die Schulden auf andere umzubuchen, die dazu noch in der Lage sind, diese zu schultern. Letztlich bleibt in der Endkonsequenz nur noch die Zentralbank. Die EZB wird eines Tages, vielleicht schon im Herbst 2012 vor der Wahl stehen, ihre Prinzipien zu opfern oder mit dem Finanzsystem unter zu gehen. Sie wird sich den Gepflogenheiten der US-FED und der Bank of Japan annähern. Und die Bundesbank kann nur hilflos protestieren.
wirtschaftsfacts.de: Was halten Sie von den zuletzt vereinbarten Brüsseler Gipfelbeschlüssen? Wer hat denn nun wen am Nasenring durch die Manege geführt? Ist Italien tatsächlich der große Sieger?
Frank Meyer: Spanien und Italien sind die eigentlichen Sieger wie bei der Fußball-EM. Sie sind diejenigen, denen Kredite aus dem ESM zufließen. Vielmehr aber sind spanische und italienische Banken die Gewinner, die aus dem ESM irgendwann direkt bedient werden können, ohne dass sich dadurch statistisch gesehen die Staatsschuld erhöht. Durch die Manege geführt werden diejenigen, die Steuern zahlen – nicht nur in Deutschland. Politisch haben sich Italien und Spanien durchgesetzt. Kein Wunder, sitzen sie doch am längeren Hebel und können immer mit dem Ende des Eurolands drohen, wenn keiner deren Rechnungen bezahlen will.
...wirtschaftsfacts.de: Nachdem auf europäischer Ebene bereits die No-Bailout-Klausel und die Defizitkriterien außer Kraft gesetzt wurden, bricht jetzt ein vertraglicher Damm nach dem anderen zur „Rettung“ der Euro-Währung. Auf was müssen wir uns in Deutschland eigentlich noch alles gefasst machen?
Frank Meyer: Auf Zahlungen, die fällig werden, wenn die bisher gegebenen Garantien, die ja angeblich nichts kosten, fällig werden. Dieses Spiel geht so lange, bis die noch zahlungsfähigen und -willigen Länder finanziell ausgeblutet sind, bis ihnen niemand mehr Kredit gibt und die Steuerquote nicht weiter erhöht werden kann. Die EZB kann dann noch Deutschland direkt finanzieren. Alles machbar. Was das aber für das Vertrauen in den noch bestehenden Euro bedeutet, steht auf einem anderen Blatt. Man wird das am Goldpreis ablesen können.....
Frank Meyer: Wenn 80 Prozent der Bevölkerung gegen eine Sache ist, aber 80 Prozent ihrer Volksvertreter diese beschließen, sollten sich die Befürworter des ESM fragen, ob sie sich ein neues Volk suchen sollten. Ich nenne es Ausverkauf der Mehrheitsinteressen – ausgelöst durch eine notfallähnliche Situation, die abzusehen war – und aus Sorge vor noch größeren Schäden.....
Ohne die Eingriffe der weltweiten Notenbanken wäre das System längst implodiert und die Welt sähe jetzt ganz anders aus. Damit ist die Arbeit der Notenbanken noch längst nicht am Ende. Sie werden mit weiteren und groteskeren unkonventionellen Maßnahmen das System am Laufen halten, koste es, was es wolle – auch wenn sie, so wie es aussieht, das meiste Pulver längst verschossen haben. Sie können als „Lender of last Ressort“ die Staaten und deren Wirtschaftssubjekte ohne Kosten direkt finanzieren und Geldmengen weiter zu erhöhen. Sie werden das wie jetzt weiter tun müssen, und können nur die Folgen ihres Tuns mit Worten und Potter`schen Statistiken vernebeln. Die Geschichtsbücher sind voller solcher Episoden – nur diesmal läuft es global. Das Ende kennen wir. Nur nicht den Tag der Abrechnung.
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