Die internationale Presse analysiert Barack Obamas Rede. "Champion der Mittelklasse", "eloquent und deprimierend" heißt es. Washingtons Unfähigkeit hingegen sei "erschreckend, aber nicht überraschend". Die Presseschau.
Die Unfähigkeit der beiden Parteien, sich zu einigen, sei das Ergebnis zweier lang anhaltender Trends in den USA, analysiert das Wall Street Journal. Einmal die ungelöste Debatte über die Rolle des Staates und dann Hyperparteilichkeit des Kongresses. Diese beiden Tendenzen führten dazu, dass sich die Parteispitzen bekämpften, als seien sie Gegner im Kalten Krieg und nicht Partner im Regieren einer Nation. Noch eine Politikergeneration zuvor habe es im Lager der Demokraten genügend konservative Politiker gegeben, die den liberalen Republikanern sehr ähnlich gewesen seien. Die Zeiten, in denen der republikanische Präsident Reagan seine Haushaltspläne mit den Stimmen von 60 Demokraten bewilligt bekommen habe, seien längst vorbei. „Die Unfähigkeit Washingtons, sogar seinen einfachsten Aufgaben gerecht zu werden wie das finanzielle Standing der Nation zu verteidigen, ist zwar erschreckend, aber nicht überraschend“, so das WSJ.
In seiner Rede gestern Abend habe der amerikanische Präsident Barack Obama versucht, Oberhand im Streit um die Schuldendecke zu gewinnen, schreibt die kanadische Financial Post. Dabei wollte er sich selber als “den Champion der Mittelklasse“ und die Republikaner als Verteidiger von Reichen und Großunternehmen darstellen . Statt die Investoren und Rating-Agenturen anzusprechen, die über die Blockade besorgt seien, habe er seine 15-minütige Rede dazu benutzt, direkt zu den Wählern zu sprechen. Er habe sich als „den Erwachsenen“ darstellen wollen, in dem er mehrfach das Wort „Kompromiss“ benutzt und zu einer „ausgewogenen Politik“ mit Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen aufgerufen habe. Die Republikaner dagegen folgten „sturen Ideologien“ und seien seiner Meinung dafür verantwortlich, dass den USA das erste Mal in der Geschichte das Geld ausgehen könnte.
Die Washington Post nennt die Rede Obamas gleichzeitig eloquent und deprimierend. In seiner Rede habe er sich für einen Kompromiss ausgesprochen und für eine ausgewogene Politik plädiert, die unter anderem vier Billionen Dollar über die nächsten zehn Jahre einsparen werde. Darunter seien auch Einschnitte bei der sozialen Sicherung und beim Medicare-Programm. Der Präsident habe monatelang gezögert, bis er schließlich zu Einschnitten in diesen Bereichen bereit gewesen sei. „Monate, die er hätte nutzen könne, um Unterstützung für diesen Kompromiss zu bekommen“, meint das Blatt. Nur leider sei der Kompromiss am Wochenende gestorben. Der Vorschlag des demokratischen Senators Larry Reid beinhalte eigentlich kaum Kürzungen. John Boehner von den Republikanern wolle dagegen die Axt am Haushalt ansetzen, ohne das neue Einnahmen dazukommen sollen.
Die Financial Times Deutschland kritisiert die Entscheidung der Deutschen Bank, Joseph Ackermann zum Aufsichtsrat zu machen. „Der Deal widerspricht den Prinzipien guter Unternehmensführung“, meint das Blatt. Ein Aufsichtsrat könne schlecht die Arbeit des Vorstandes beurteilen, wenn er sie bis vor kurzem selber geprägt habe. Darüber hinaus prophezeit die FTD einen Machtkampf an der Spitze. Schließlich werde sich Ackermann kaum mit einer Rolle im Hintergrund abfinden, sondern „lieber weiter den Bankchef spielen und sich mit der Kanzlerin und dem Notenbankchef zeigen“. Die künftigen Vorstandschefs könnten dies entweder tolerieren und sich in die Rolle von Ackermanns Gehilfen zurückziehen, oder sich gegen die mögliche Einmischung ins Tagesgeschäft wehren. „Beides ist schlecht für Deutschlands wichtigstes Geldhaus“, resümiert das Blatt.
Die Börsen-Zeitung erinnert an Ackermanns wiederholte Aussage, er sei ein schlechter Aufsichtsratschef. Er sei zu stark ins Geschäft involviert und zu ungeduldig und werde deshalb mit Sicherheit kein Aufsichtsratschef. Zwar sei es nicht verwerflich, im Lichte neuer Umstände seine Meinung zu ändern, so das Blatt. Das Problem bei Ackermann sei nur, dass seine Selbsteinschätzung immer noch zutreffe. Es sei kaum vorstellbar, dass „dieser Vollblutbanker“ die nötige Distanz zum operativen Geschäft wahren könne. Die beiden künftigen Co-Chefs Anshu Jain und Jürgen Fitschen müssten sich daher mit einem „Übervorstandsvorsitzenden“ als höherer Instanz abfinden. Nachdem nun mit dem Abgang von Clemens Börsig ein Konfliktherd beseitigt worden sei, bleibe zu befürchten, dass es nicht der letzte gewesen sei.
Die Zeitung Shanghai Daily glaubt nicht an einen Blitz als Ursache für das Zugunglück vom Samstag mit über 40 Todesopfern. „Wenn unsere Züge noch nicht ein Mal einen Blitz aushalten können, dann war es offensichtlich voreilig, einen solchen Hochgeschwindigkeitszug in Betrieb zu nehmen“, meint das Blatt. In jedem Fall könne der Blitz nicht für die Kollision verantwortlich sein, schließlich seien 25 Minuten zwischen Einschlag und Crash vergangen. Genügend Zeit also, um die Katastrophe zu vermeiden. Der Eisenbahnsektor sei der einzige in China, der gleichzeitig ein Amt und ein Unternehmen sei. Das Monopol werde damit begründet, dass es so einfach sei, Großprojekte zu schultern. Offensichtlich habe die dominante Position der Korruption Tür und Tor geöffnet. „Eine höhere Machtkonzentration wird nur mehr Tragödien nach sich ziehen“, kommentiert die Zeitung.
Das US-Magazin Fortune huldigt dem Fiat Chef Sergio Marchionne und US-Präsident Obama für die erfolgreiche Rettung des Autobauers Chrysler und eine gelungene Fusion mit Fiat. Heute werde Chrysler seine Geschäftszahlen verkünden und „phönixartig aus dem Feuer der Insolvenz aufsteigen“. Die Dynamik und Stärke von Fiat und Chrysler seien größtenteils der Verdienst von Marchionne. Er allein habe die Vorteile einer Fusion gesehen und enorme Skepsis überwunden, um Chrysler wieder aufzubauen. Vor nur zwei Jahren habe Obama das Unternehmen gegen den Willen einiger Berater durch Finanzspritzen am Leben gehalten und so 38.500 Jobs gerettet. Seit dem habe Chrysler mehr als drei Milliarden Dollar investiert und 2000 neue Stellen geschaffen. Mittlerweile habe das Unternehmen alle Staatskredite zurückgezahlt und auch die bei den USA und Kanada verbleibenden Aktien zurückgekauft. Morgen werde Marchionne seine Zukunftspläne präsentieren. Bis 2014 soll der Umsatz von jetzt 92 auf 140 Milliarden Dollar steigen. Im laufenden Jahre habe Chrysler 21% mehr Autos verkauft.
Die russische Regierung verschiebe die Einführung der Euro 3 Norm für Treibstoffe noch mindestens bis Mitte 2012, berichtet die Zeitung Vedomosti. Offiziell heiße es, die Ölkonzerne kämen mit der Umrüstung ihrer Raffinerien nicht nach. Bisher habe lediglich der private Förderer Lukoil die strengeren Normen befürwortet. Die anderen Wettbewerber verdienten auch jetzt prächtig. Ebenfalls auf ihrer Seite seien einige russische Autobauer, die ihre Motorproduktion nicht auf die neuen Standards umstellen wollen. „Einer solchen schmutzigen Lobby zu widerstehen, ist vermutlich sehr schwer“, schreibt das Blatt. Die Regierung verwehre mit ihrer Entscheidung den Bürgern nicht nur das Recht auf saubere Luft, sondern bestrafe gleichzeitig Unternehmen, die bereits in neue Anlagen investiert hätten. „Ein klassisches Beispiel, dass Investitionen in Hightech-Produktion in Russland nicht nur nicht begrüßt, sondern sogar bestraft werden“, schimpft die Zeitung
Der Economist greift einen Artikel aus der New York Times auf, dessen Autor nach der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in New York nun die „Dekriminalisierung der Polygamie“ fordert. Das Magazin hält dagegen, dass Polygamie in einem fiskalischen Alptraum enden würde. „Man denke nur an die Kosten für den Arbeitgeber, der nicht nur die Krankenversicherung seines Angestellten, sondern auch die von dessen sieben Frauen bezahlen muss“, schreibt das Blatt. „Oder an die Prozesskosten, falls ein Familienoberhaupt stirbt und kein Testament hinterlässt“. Fiskalische Gründe würden also dafür sprechen, dass die Ehe auf zwei Erwachsene beschränkt bleiben sollte. Aber vielleicht könne man ja extra Steuern auf zusätzliche Ehepartner erheben.