Die Monsterrallye im SP-500 von 1040 (Tief am Dienstag) auf 1105 Schlusskurs am Freitag (= rund 6% in drei Tagen) erweckt den Eindruck, als hätte sich das US-Double-Dip-Szenario, das Anfang der Woche noch als halbwegs unvermeidlich eingepreist war (vor allem im Bondmarkt), überraschend als Hirngespinst entpuppt und wäre nun "vom Tisch". Diese Sicht unterstützen, wie üblich, die prozyklischen Medien-Wendehälse - allen voran CBS und Co.
Was war passiert? Am auffälligsten war, dass eine "unsichtbare Hand" am Dienstag im Gegenwert von 15 Milliarden Dollar 300.000 Future-Kontrakte auf den SP-500 (E-mini) gekauft hatte. Der Kauf erfolgte in der allerletzten Minute vor Börsenschluss und katapultierte den SPX binnen Sekunden um über 12 Punkte nach Norden. Fundamental gab es keine erkennbaren Gründe. Jim Cramer von TheStreet.com vermutet hinter dem Kauf eine "unsichtbare Hand". In seinem Artikel "The hidden Hand" deutet er an, dass es Goldman-Sachs war - freilich nicht krititisierend, sondern anerkennend, weil der Mega-Push der Indizes seinen Interessen als Permabulle ensprach.
Hatten die Goldmänner gemäß ihrer "Front-Running"-Praxis mal wieder über intime Kanäle Kenntnis darüber erlangt, dass die folgenden Konjunkturdaten - vom ISM-Industrie am Mittwoch bis zu den "überraschend hohen" neu geschaffenen Stellen am Freitag "besser als erwartet" ausfallen würden? Dafür spricht, dass GS in der Vergangenheit bereits öfters einen Tag vor der offiziellen Veröffentlichung stark vom Konsens abweichende Zahlen genannt hatte, die sich dann mit den tatsächlich Kommenden deckten. D.h. entweder hat GS eine supergute Research-Abteilung oder wohlmeinende (gutbezahlte?) Informanten in den einschlägigen Regierungsstellen, die die Daten an GS "exklusiv" bereits im Vorfeld liefern. (Das wäre zwar verbotenes Insider-Trading, aber das müsste erst mal einer nachweisen; außerdem geschieht es als Long-Trade ja "im Interesse Amerikas" - wenn nicht gar als "PPT"-Auftrag...)
Fakt jedenfalls ist, dass das Future-Gepushe für GS schon insofern einträglich war, als die ISM-Industriedaten am Mittwoch in der Tat 3 Punkte besser als erwartet ausfielen. Zwar war die gemeldete Zahl von 56,3 nur geringfügig höher als im Juli (55,5), doch die Analysten-Gemeinde hatte im Vorfeld durch (gezieltes?) "Low-Balling" eine offenbar zu niedrige Erwartung von 53,2 in die Welt gesetzt, die dann prompt "überraschend stark" überboten wurde.
Doch die ISM-Zahlen kamen erst Mittwoch-Nachmittag - lange nach dem 20 Punkte-Anstieg im SPX, den der Future-Push bereits ausgelöst hatte. Mittwochmorgen hieß es scheinheilig, die "Ursache" der Index-Anstiege wäre der besser als erwartet ausgefallene chinesische Einkaufsmanager-Index gewesen, die läppische 0,5 Punkte über der Erwartung lagen. Wobei auffiel, dass der China-Index SSE selbst ungeachtet der "tollen Zahl" leicht im Minus schloss.
Nach den "tollen" ISM-Industrie-Zahlen am Mittwochnachmittag sattelte der SP-500 bis Handelsschluss noch mal 20 Punkte drauf. Der inszenierte Short-Squeeze saß, zumal ETF- und Options-Trader in USA ihre Shorts/Puts ja nur während der US-Handelszeit eindecken können, während die GS-Future-Kaufmaschinen 23,5 Std. am Tag auf Globex aktiv sind.
Dass der ISM-Industrie eigentlich ein obsoleter Indikator ist, weil die Industrieproduktion nur noch 11 % des US-BIPs ausmacht, spielte in der von Momentum und Shortcover-Panik getriebenen Rallye keine Rolle. Auch die mit -10.000 deutlich unter Erwartung liegenden ADP-Stellenzahl wurden ignoriert. Momentum RuleZ, wenn GS aus der Future-Kanone feuert.
Am Freitag lieferten die "viel besser als erwarteten" neuen Stellen, die mit -54.000 gemeldet wurden (Konsenserwartung: -105.000) dann den letzten Startschuss zum krönenden SPX-Wochenschluss bei 1105. Die Juli-Zahlen wurde hochrevidiert auf ebenfalls -54.000, was die Stimmung noch weiter aufhellte. Niemand indes beachtete, dass 115.000 der neuen Stellen aus dem Computermodell der US-Arbeitsbehörde ("Birth-Death-Modell") stammten, das auf Basis fiktiver Firmen-Gründungen und -Schließungen (daher: Birth/Death) eben diese Zahl dazu erfand. Im Juli hatte das Modell nur 6000 Stellen dazuerfunden. D.h. die faktisch geschaffenen neuen Stellen im August lagen nicht bei den am Freitag gemeldeten -54.000, sondern tatsächlich bei erschreckenden -169.000. Das ist gegenüber Juli ein Rückgang von über 100.000.
Natürlich wurde in den einschlägigen Medien der Birth-Death-Anteil an den Zahlen mit keiner Silbe erwähnt, so dass der SPX am Freitag zunächst freudigst über die 1100-Schwelle sprang. Um 16:00 h MEZ jedoch kamen die ISM-Dienstleistungs-Daten, die schwer enttäuschten: Der ISM-Service-Index lag 2 Punkte unter den ohnehin schon gesenkten Erwartungen, 3 Punkte unter den Juli-Zahlen - und mit 51,5 nur knapp über der 50-Schwelle, die Wachstum vom Schrumpfung scheidet. Der Service-Index ist weit wichtiger als der ISM-Industrie-Index vom Mittwoch (=Haupt-Rallyeursache), da er für fast 90 % des US-BIP steht.
Es folgte nach 16:00 h ein kleiner Rücksetzer, doch schon bald nutzten die "Algo-Trader" den dünnen Sommerhandel, um die US-Indizes mit ihren Kaufprogrammen auf Tages- und Wochenhochs "hochzujubeln" - der SP-500 schloss bei 1105.
Mit all diesen Mätzchen wurde das Wunder vollbracht, trotz überwiegend widriger Wirtschaftsdaten einen lupenreinen Short-Squeeze auszulösen - und in den Medien das übliche "Das Tief ist überwunden"-Geschrei.
Die Zahlen im Einzelnen künden keinesfalls von einem kommenden Aufschwung. Abgesehen vom "Head-Fake" des Birth-Death-Modells wurden die meisten Jobs (40.000) im unterbezahlten Health-Care-Sektor geschaffen, während gut bezahlte Industriejobs um -27.000 zurückgingen. Die Bullen feierten, dass die Konsenserwartung von 30.000 Stellen im Privatsektor mit 67.000 deutlich übertroffen wurde. Doch wieso ermittelte das ADP, das auf schäbige Birth-Death-Tricks verzichtet, am Mittwoch im Privatsektor nur -10.000 Stellen?
Weitere Negativfaktoren im Stellen-Sektor:
1. Die Zahl der geleisteten Wochenstunden blieb unverändert.
2. Die neuen Stellen waren fast ausschließlich Teilzeitstellen. Die Zahl der Vollzeit-Stellen ist gemäß dem "Household Survey" des BLS um -254.000 gesunken.
3. Die Zahl derjenigen, die aus "ökonomischen Gründen" nur in Teilzeit arbeiten, stieg um 330.000 - der größte Anstieg in den letzten 6 Monaten.
4. 10.000 der neu geschaffenen 67.000 Privatstellen geht auf streikende Bauarbeiter zurück, die den Streik inzwischen beendet hatten.
5. Die offizielle AL-Quote stieg von 9,5 auf 9,6 %
6. Die weiter gefasste U6-AL-Quote stieg von 16,5 % auf 16,7 %
Bereits am Freitag hatte ich erwähnt, dass der starke Rückgang in der Beschäftigungskomponente des Service-ISM von 50,9 auf 48,2 (= Schrumpfzone) nicht zu den eineinhalb Stunden zuvor gemeldeten neuen Stellenzahlen passt. Der Widerspruch kommt mMn durch die Fantasiestellen des Birth-Death-Modells zustande, die faktisch ja gar nicht geschaffen wurden (nur "im Computer").
Der Stellentrend im Güter-produzierenden Gewerbe ist alles andere als bullisch: Nach 67.000 Stellen im April (passend zum Börsen-Hoch) und 37.000 im Juli waren es im August schlappe 0 (Null)! Dies passt zum Abwärtstrend im BIP, das von ehemals 5,6 % im letzten Q. 2009 auf jetzt 1,6 % fiel.
Positiv für die Bullen waren die im Monatsvergleich um 3,2 % gestiegenen Einzelhandelsumsätze. Sie gehen aber darauf zurück, dass 17 Bundesstaaten "Sales-Tax freie" Wochenenden anboten (reißt weitere Löcher in die klammen Regional-Budgets) und Anfang des Monats 1 Milliarde Dollar an AL-Geldern nachträglich ausgezahlt wurden (wegen Verlängerung der Bezugszeiten). Ohne diese Einmalfaktoren lag der Zuwachs gemäß Rosenberg nur bei 1 %.
Weiterhin bärisch ist das Absinken der Arbeitsproduktivität. Sie fiel im 2. Q/2010 um annualisiert -1,8% - das war doppelt so hoch wie erwartet und der stärkste Rückgang seit vier Jahren. Entsprechend schnellten die Lohnstückkosten in die Höhe, nämlich um 1,1 % (ann.) im 3. Quartal nach -4,6 % im 1. Q und -4,2 % in 4/09. Das bedeutet, dass aus den reduzierten und überstrapazierten Belegschaften inzwischen keine zusätzliche "Arbeitskraft" mehr herausgepresst werden kann.
Die sinkenden Lohnstückkosten gehen zu Lasten der Firmen-Margen, da die daraus resultierenden höheren Kosten wegen der "deflationär gebremsten" Kaufkraft der Bevölkerung und verschärftem Wettbewerb nicht in vollem Umfang auf die Preise umgewälzt werden können. Der Spread sank laut Rosenberg von 5,8 % im 1. Q auf jetzt 1,5 %, was die einstmaligen Green Shots schon bald in braune Strohhälmchen verwandeln dürfte.
Unter dieser Prämisse ist die Konsenserwartung, dass die ohnehin schon um knapp 50 % gegenüber dem Vorjahr gestiegenen Firmengewinne im SP-500 (letztes Jahr: 60 Dollar, aktuell: 90 Dollar) bis 2011 um weitere 20 % steigen sollen, eine Illusion. Nachsteuerlich waren die Firmengewinne bereits im 2. Q. gegenüber dem Vorjahr "flat".
Entsprechend dieser Daten geht Rosenberg davon aus, dass das US-BIP-Wachstum spätestens im 4. Quartal 2010 negativ ausfallen wird, womit der Doppel-Dip Realität würde. Die größten BIP-Beiträge hatten bislang die Lagerwiederaufstockungen geleistet, doch der "Inventory"-Zyklus ist bereits ausgetoppt. Beide ISM-Reports von dieser Woche zeugen von eher übervollen Lagern. Retailer müssen die Überbestände demnächst mit (deflationären) Preisnachlässen, die auf ihre Margen drücken, unters Volk bringen.