Leitzinssenkung beeindruckt Chinas Börse nicht 23. Dezember 2008 China galt lange Zeit als die Wachstumsgeschichte schlechthin. Der Aufschwung schien lange Zeit keine Grenzen zu kennen. Viele Strategen hielten das Land sogar für immun gegenüber einem globalen Abschwung.
Beide Annahmen waren und sind falsch. Denn ein großer Teil der in China herstellten Waren und Dienstleistungen wird ins Ausland exportiert. Vor allem auch in die Vereinigten Staaten, nach Europa und nach Japan.
Globale Wachstumsschwäche schwächt das Exportwachstum in Asien
Da in diesen Regionen jedoch in den vergangenen Monaten die wirtschaftliche Dynamik deutlich abgenommen hat, macht sich das nun auch in Asien und vor allem auch in China bemerkbar. Die harten Fakten sind eindeutig: Der von der OECD ermittelte vorlaufende Indikator für Waren, die in den chinesischen Häfen umgeschlagen werden, ist in den Monaten förmlich eingebrochen.
Das Exportwachstum ging in den vergangenen Monaten im gesamten asiatischen Raum zurück. Im November lagen die Wachstumsraten in China bei minus 2,2 Prozent auf Jahresbasis, in Singapur bei minus11,8 Prozent, in Südkorea bei minus 18,3 Prozent und in Taiwan sogar bei minus 23,3 Prozent. Eine Analyse der ANZ Investment Bank zeigt, dass die Rückgänge vor allem im Technologie- und Rohstoffbereich zu beobachten waren. Dabei dürften die korrigierenden Preise zumindest in der Statistik eine gewisse Rolle spielen, der ursprüngliche Impuls jedoch kommt von der Nachfrageseite.
China versucht zwar, dagegen zu wirken. Das Land hat am Montag zum fünften Mal in drei Monaten die Leitzinsen gesenkt. Um die Konjunktur zu stützen, setzte die People's Bank of China ihren Satz für Einjahres-Ausleihungen um 27 Basispunkte auf 5,31 Prozent herab. Der Satz für einjährige Einlagen bei der Notenbank wurde ebenso stark gesenkt, und zwar auf 2,25 Prozent. Die Änderungen treten am Dienstag in Kraft.
Neben der Zinspolitik lockerte die chinesische Notenbank auch die Richtlinien für das Kreditgeschäft der Banken. Der Anteil der Mindestreserven, die die Institute bei der Notenbank vorhalten müssen, wurde um 0,5 Prozentpunkte reduziert. Bei großen Banken liegt der Mindestreserve-Satz ab dem 25. Dezember bei 15,5 Prozent, bei kleineren Kreditinstituten bei 13,5 Prozent. Volkswirte erwarten, dass die Notenbank die Zinsschraube in Zukunft weiter lockern wird.
„Der Zinssenkungs-Zyklus wird nicht beendet, solange sich die Konjunktur nicht erholt“, sagte Li Wei von der Standard Chartered Bank in Shanghai der Nachrichtenagentur Bloomberg, „vielleicht kurbelt das die Kreditaufnahme nicht an, aber die Regierung muss zumindest zeigen, dass sie etwas tut.“ In den vergangenen Wochen war schon ein Konjunkturpaket im Wert von 4 Billionen Yuan oder umgerechnet 419 Milliarden Euro beschlossen worden.
Börsianer haben bisher wenig Vertrauen in die Stimulierungsmaßnahmen Chinas
Der Markt jedoch scheint nicht an die Wirkung solcher Maßnahmen zu glauben. Denn die chinesische Börse, die nach einem massiven Kursaufschwung im Jahr 2006 und in der ersten Hälfte des Jahres 2007 knapp 72 Prozent ihres Wertes verloren hatte, scheint sich nicht nachhaltig erholen zu können. Alleine in den vergangenen beiden Tagen hat der Shanghai Stock Exchange Composite Index etwas mehr als sechs Prozent verloren.
Die im Index enthaltenen Aktien mögen nach der massiven Überbewertung der vergangenen Jahre inzwischen mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinnverhältnis von 14,5 auf Basis der Gewinnschätzungen für das laufende Jahr optisch vernünftig bewertet aussehen. Angesichts der globalen Wirtschaftsschwäche und angesichts der weit verbreiteten Tendenz der Vergangenheit, Unternehmensgewinne mit Spekulationen an den Börsen aufzupeppen, dürften die Gewinnschätzungen hinterfragt werden können. Das durchschnittliche Kurs-Buchwertverhältnis ist mit 2,11 noch zu hoch, sofern man sich darauf überhaupt verlassen kann.
Sollten sich die Anleger weltweit angesichts des Ausverkaufs der vergangenen Monate in in der Hoffnung auf die allmähliche Wirkung der globalen „Wirtschaftsstimulierungsorgie“ wieder Aktien ins Depot zu legen, dürfte auch der chinesische Markt davon profitieren können. Immerhin hängen die Hoffnungen auf das „Wachstumswunder“ China noch hoch. Allerdings dürfte es ratsam sein, gezielt zu investieren und getätigte Positionen abzusichern.
Denn die Probleme Chinas sind nicht zu übersehen: Relative Intransparenz, willkürliche politische Eingriffe ins Wirtschaftsgeschehen - die sich beispielsweise am „unfreien Wechselkurs“, den explodierenden Währungsreserven und den Preiskontrollen im Energiebereich ablesen lassen -, industrielle Überkapazitäten, geringe Wettbewerbsfähigkeit trotz der Dumpinglöhne - in den vergangenen Monaten musste rund die Hälfte aller chinesischen Spielzeughersteller schließen und in der Automobilindustrie des Landes ist im kommenden Jahr mit Entlassungen und fallenden Löhnen zu rechnen - und nicht zuletzt auch das latente Risiko sozialer Unruhen.