Griechen arbeiten an neuem Sparprogramm
... ABER MEHR MILLIARDEN AUS EUROPA WÜRDEN SIE WAHRSCHEINLICH AUCH NICHT BEKOMMEN. IN DER BERLINER KOALITION WIRD DIE SKEPSIS IMMER GRÖSSER
29.07.2012 — 17:30 Uhr
Die Griechen arbeiten mit Hochdruck an ihrer wichtigsten Säule – dem neuen Sparprogramm!
Das Paket mit einem Sparvolumen von 11,5 Milliarden Euro ist offenbar größtenteils unter Dach und Fach. Montagabend sollen die Chefs der Koalitionsparteien letzte Fragen mit Regierungschef Antonis Samaras klären.
Dabei geht es um die Forderung, den Zeitraum für das Sparpaket strecken zu können, „um mindestens zwei Jahre”, hieß es seitens der Sozialisten. Und: „Wir müssen uns gut überlegen, welche Maßnahmen verhängt werden, die die Schwächeren treffen.”
In den vergangenen Tagen waren Eckpunkte des geplanten Sparpakets durchgesickert. Unter anderem soll das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre stufenweise angehoben werden. Die Sozialisten sollen aber nur für eine einjährige Erhöhung auf 66 Jahre sein.
Auch weitere umfangreichere Rentenkürzungen sind vorgesehen. Zudem sollen die Löhne der Angestellten staatlicher Unternehmen, wie der Elektrizitätsgesellschaft, reduziert werden.
Streitpunkte sind insbesondere die Kürzungen bei kleinen Renten. So liegt der Vorschlag auf dem Tisch, die Rente für Bauern von 360 Euro auf 330 Euro zu verringern, weil die Landwirtschaftsversicherungskasse (OGA) schwer defizitär ist.
Andere Renten sollen, soweit sie 1000 Euro übertreffen, um fünf bis 15 Prozent gekürzt werden. Vor allem diese beiden Sparmaßnahmen sollen umstritten sein.
Die Sparbemühungen der Griechen können groß genug gar nicht sein. Denn: In der deutschen Bundesregierung werden die Vorbehalte gegen weitere Hilfen für das marode Land immer größer!
Nach Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) äußerten sich in Medienberichten auch die Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs (CDU) und Hermann Otto Solms (FDP) skeptisch zu möglichen neuen Zahlungen an das hochverschuldete Land. Der nordrhein-westfälische FDP-Chef Christian Lindner warnte hingegen davor, Griechenland fallen zu lassen.
Unter Berufung auf Insider aus der Regierung in Athen und der Troika berichtete die Nachrichtenagentur „Dow Jones Newswires“ zuvor, die Griechen bräuchten bis 2020 weitere 30 Milliarden Euro.
ALSO: WÄRE DAS DRIN?
Wenn Griechenland eingegangene Verpflichtungen nicht erfülle, gebe es keine andere Möglichkeit, „als dass es die Eurozone verlässt und eine eigene Währung einführt, um durch eine schnelle Abwertung die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zurückzugewinnen”, sagte Solms der „Wirtschaftswoche”. Für ein weiteres Hilfspaket für Griechenland sehe er „keine Mehrheit im Bundestag”.
Rösler erneuerte seine Kritik an Griechenland. „Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob Griechenland die Reformvereinbarungen erfüllt”, sagte er zu BILD am SONNTAG.
Im Deutschlandfunk machte Rösler deutlich, zwar werde sich die Bundesregierung erst mit der Frage eines Verbleibs Griechenlands in der Eurozone befassen, wenn der Bericht der sogenannten Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU vorliege, das Land könne aber keine weiteren Zahlungen erhalten, wenn seine Reformen nicht erfüllt seien.
„Griechenland ist nicht zu retten, das ist simple Mathematik”, sagte Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs der „Wirtschaftswoche”. Die Verwaltung dort sei „weder willens noch in der Lage, die Reformen umzusetzen”.
Wenn Griechenland Kreditauflagen nicht erfülle, „dann ist Feierabend”, ergänzte Fuchs in der „Welt am Sonntag”. Unions-Fraktionsvize Michael Meister warf der griechischen Regierung in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” Unfähigkeit vor.
In einer Emnid-Umfrage für BILD am SONNTAG sprachen sich 71 Prozent der Befragten dafür aus, dass Griechenland die Eurozone verlässt, falls Sparauflagen nicht eingehalten würden.
Und selbst die Kanzlerin verliert Rückhalt in ihrer Euro-Politik. Wie eine Umfrage des Demoskopie-Instituts YouGov im Auftrag von BILD ergab, halten 48 Prozent der Deutschen Merkels Vorgehensweise nicht mehr für richtig.
LINDNER LOBT DIE GRIECHEN
Der frühere FDP-Generalsekretär Lindner lobte dagegen die Reformanstrengungen der Regierung in Athen als „beachtlich”. Auch halte er es für „fahrlässig”, das Ziel aufzugeben, „möglichst viele unserer Partner in ein erneuertes Europa mitzunehmen”, sagte Lindner dem Berliner „Tagesspiegel am Sonntag”.
YOUGOV
NEUE UMFRAGE
Merkel verliert Rückhalt in ihrer Euro-Politik
Ein Austritt Griechenlands aus der Währungsunion wäre keine „finanzielle oder politische Trivialität”. Zur Vorsicht bei Austrittsspekulationen mahnte auch der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle: „Wer glaubt, damit seien die Probleme gelöst, der irrt”, sagte er der „FAS”.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisierte das Münchner ifo-Institut wegen seiner Berechnungen, wonach ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone für Deutschland billiger sei als ein Verbleib. Dies sei „ein Beispiel dafür, wie man Verantwortung nicht besonders gut gerecht wird”, sagte er der „Welt am Sonntag”.
Der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider warnte vor einem „Dominoeffekt”, falls Griechenland aus dem Euro aussteigen sollte.
„Auch aus geostrategischen Überlegungen” sei es wichtig, Griechenland „mehr Zeit zur Erfüllung seiner Reform- und Sparvorhaben einzuräumen”, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Auch Schneider räumte aber ein, sein Vertrauen in das politische System in Griechenland sei „nicht sehr ausgeprägt”
www.bild.de/politik/inland/...r-skeptischer-25388386.bild.html