Der Ölfluss in den Golf von Mexiko ist gestoppt, der in den USA verhasste Vorstandsvorsitzende wird abgelöst, die heruntergeprügelte Aktie befindet sich im Höhenflug: Für den britischen Energiekonzern BP beginnt sich die Lage knapp vier Monate nach der Explosion der Bohrplattform "Deepwater Horizon" am 20. April zu entspannen.
Spekulationen über eine mögliche Zerschlagung und Übernahme des Unternehmens durch Konkurrenten sind verstummt. Auch der Sturm der Entrüstung, der wochenlang in den USA tobte, flaut ab.
BP sieht in den kommenden Jahren Schadenersatz- und Strafzahlungen in mehrstelliger Milliardenhöhe entgegen. Doch die Prognose ist wohl nicht mehr allzu gewagt, dass der Konzern auch den dritten schweren Ölunfall in Amerika binnen fünf Jahren überstehen wird.
Wie sind die Plattformexplosion und ihre Folgen für BP einzuordnen? Der Unfall im Golf von Mexiko hat elf Menschenleben gefordert. Bis zur Abdichtung des Bohrlochs Mitte Juli flossen wissenschaftlichen Schätzungen zufolge 800 Millionen Liter Öl ins Meer. Die Rede ist von der größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA. Korrelieren die Dimensionen dieses Desasters aber mit dem Kursverlauf der BP-Aktie?
Innerhalb von acht Wochen nach dem Unfall löste sich ein Börsenwert von rund 80 Mrd. Euro in Luft auf - das übersteigt immerhin die aktuelle Marktkapitalisierung des schwersten Dax-Konzerns Siemens. Nimmt man aber Fundamentaldaten und Pläne zum Maßstab, mit denen der Energiekonzern die Folgebelastungen verarbeiten will, erscheint die Reaktion der Investoren übertrieben.
BP verzichtet bis Jahresende auf Dividendenzahlungen und kürzt Investitionsbudgets für 2010 und 2011. Darüber hinaus sollen einige Öl- und Gasgeschäfte innerhalb von 18 Monaten abgegeben werden. Als Erlös werden 30 Mrd. Dollar angestrebt. Wenn nicht noch deutlich nachgelegt werden muss, werden diese Verkäufe den Energiekonzern finanziell nicht nachhaltig schmerzen.
Denn weltweit verfügt BP über ein Vermögen in Öl- und Gasfeldern von 250 Mrd. Dollar. Im laufenden Geschäft wird das Unternehmen wie selbst im jüngsten Krisenquartal dank stabiler bis steigender Ölpreise wohl weiterhin monatlich Milliardenerlöse erwirtschaften. Mit den zum Verkauf stehenden Aktivitäten, die weniger als 5 % der globalen Konzernreserven repräsentieren, steht BP deshalb absehbar kein gravierender Umbruch der Unternehmensstrukturen ins Haus.
Allerdings dürfte die Bedeutung anderer Geschäfte zunehmen - etwa die mit dem russischen Partner im Joint Venture TNK-BP. Die Aufarbeitung des Golf-Desasters dürfte für BP zu einem Marathon werden. Neben den Aufräumarbeiten, der Entschädigung der Ölpestopfer und der Stabilisierung der Finanzlage wird es auch jahrelange Anstrengungen erfordern, den massiven Reputationsschaden in Amerika wieder zu beheben. Daran wird BP gelegen sein, denn wenn der Konzern den Status als "Super Major" behalten will, muss er in den USA bleiben. Dort liegen rund 30 % seiner Öl- und Gasreserven - mehr als in Russland.
Sein Image wird das einstige britische Vorzeigeunternehmen aber nur reparieren können, wenn sich auch die Unternehmenskultur ändert. Den Verdacht, dass Kostensenkungen der vergangenen Jahre zulasten der Konzernsicherheit gingen, dürfte BP sonst kaum los werden.
Als Konsequenz der Katastrophe im Golf von Mexiko könnte die US-Regierung den als fahrlässig kritisierten Energiekonzern von der Vergabe neuer Bohrlizenzen ausschließen. Mit punktuellen und wohl auch nur befristeten Sanktionen würden Unfälle mit vergleichbaren Folgen in Zukunft jedoch nicht verhindert. Vielmehr braucht es auf internationaler Ebene regulative Maßnahmen, die die zunehmenden Risiken bei der Ausbeutung von zum Teil schwer zugänglichen Fördergebieten adressieren. Den Energieriesen müssen detaillierte Pläne abverlangt werden für den Umgang mit solchen Unfällen. Angesichts der Ausmaße des Desasters vor der US-Südküste wäre es spätestens jetzt auch angebracht, die Konzerne auf finanzielle Vorsorgemaßnahmen wie die Einrichtung von Katastrophenfonds zu verpflichten. Allerdings bedarf es nicht nur konsistenter Regulierung durch die westlichen Industrienationen, für die sich dringender denn je die Frage stellt, wie sie ihre hohe Abhängigkeit vom Öl abbauen können.
Auch Investoren der Energiekonzerne wie Versicherungen und Pensionsfonds müssen ihr Gebaren überprüfen. Im Fall von BP, dem größten Dividendenzahler in Großbritannien, ist ihnen vorzuhalten, nach dem Raffinerieunfall 2005 in Texas mit 15 Toten sowie nach Pipelinelecks in Alaska 2006 nicht entschieden genug auf eine stärkere sicherheits- und umweltorientierte Konzernstrategie gedrängt zu haben. Entlarvend jedenfalls waren Aussagen der Konzernführung von BP, die nach der Explosion der Plattform noch lange die ökologischen Auswirkungen verharmloste. Der britische Energieriese steht an einem Scheideweg.
Vertrauen wird BP nur wieder gewinnen, wenn es keine Rückkehr zum "Business as Usual" gibt. Soll das gelingen, müssen Investoren sich stärker einmischen. Dem künftigen Vorstandschef aus Amerika werden sie nicht mit hohen Renditeforderungen in den Rücken fallen dürfen.
www.boersen-zeitung.de/index.php?li=300&artid=2010152098
Ein Mann kann zwischen mehreren Methoden wählen, sein Vermögen loszuwerden: Am schnellsten geht es am Roulette-Tisch, am angenehmsten mit schönen Frauen und am dümmsten an der Börse.