Artikel vom 5.Oktober in der WiWo hinter Bezahlschranke, man sieht aber noch diesen Satz:
"Der 55-jährige Sahin vergleicht sein Unternehmen schonmal mit Tesla"
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Im globalen Wettlauf um einen Coronaimpfstoff gehen die deutschen Hoffnungsträger Biontech und Curevac unterschiedliche Wege. Es geht nicht nur um den ersten, sondern auch um den besseren Stoff. Eine Schlüsselrolle in dem Zweikampf spielen die beiden Chefforscherinnen.
https://www.wiwo.de/my/unternehmen/industrie/...-damen-/26233146.html
Der Mann, von dem viele hoffen, dass er die Welt rettet, lässt sich so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Ugur Sahin sitzt im Homeoffice in Mainz vor einer Bücherwand und redet an diesem Septembertag via Video-Call darüber, dass sein Unternehmen Biontech noch dieses Jahr einen Coronaimpfstoff liefern will: Bis Ende des Jahres wollen wir bis zu 100 Millionen Dosen verfügbar haben.
Das hört sich eher unaufgeregt und sachlich an. Dahinter klingt durch, dass Milliarden Menschen dann wieder ohne Angst vor einer Infektion leben können. Und das ruft nach dem Superlativ. Der 55-jährige Sahin vergleicht sein Unternehmen schon mal mit Tesla.
So gerät der Biontech-Chef nur kurz aus der Ruhe, als die Rede auf Dietmar Hopp kommt, Mehrheitseigentümer des Tübinger Biotechunternehmens Curevac. Hopp hat angekündigt, dass Curevac zwar nicht den ersten, dafür aber den besten Coronaimpfstoff entwickeln wolle die Aussage hat bei Biontech viele verärgert. Sahin stockt und seufzt. Ich habe Verständnis dafür, dass jedes Unternehmen fest an seine Technologie glaubt und das Ziel hat, den besten Impfstoff zu entwickeln, sagt er schließlich. Doch so stehen lassen möchte er die Kampfansage aus Tübingen nicht: Ich glaube, dass unser Impfstoff ein fast perfektes Profil hat.
Der beste, fast perfekt schon die Wortwahl belegt, dass gleich zwei deutsche Biotechunternehmen an vorderster Front um den Coronaimpfstoff kämpfen und sich auch als Gegner sehen. In diesen Wochen entscheidet sich nun, was dran ist an den Hoffnungen im Kampf gegen das Weltvirus. Biontech will vielleicht schon Ende Oktober seine letzten Studien abgeschlossen haben danach müssten die Zulassungsbehörden entscheiden. Curevac braucht länger, will dafür einen Impfstoff herausbringen, der effektiver schützt und länger hält.
Noch ist das Rennen um den Impfstoff nicht entschieden. Wenn es schlecht läuft, könnten sowohl Biontech als auch Curevac scheitern. Womöglich gewinnt dann einer der großen Pharmakonzerne wie AstraZeneca, Johnson & Johnson oder Sanofi. Auch die können aber noch scheitern.
Biontech-Chef Ugur Sahin Wir wollen keine Abkürzung gehen
Da mag Donald Trump noch so drängeln. Neun große Medikamenten-Hersteller bieten ihm Paroli: Sie versprechen, dass Sicherheit bei der Impfstoff-Entwicklung Priorität hat. Im Gespräch legt der Biontech-Chef nun nach.
Biontech und Curevac gehen die Herausforderung mit unterschiedlichen Strategien an. Es gibt freilich auch viele Gemeinsamkeiten: Beide forschen seit Jahren an Methoden, mit deren Hilfe der menschliche Körper Abwehrstoffe gegen Krankheiten selbst produziert. Beide haben noch nie ein Medikament auf den Markt gebracht. Beide schreiben seit Jahren Verluste. Ohne die Millionen zweier Milliardärsfamilien würden beide nicht mehr existieren: Seit 2005 investiert SAP-Mitgründer Dietmar Hopp mit seiner Holding in Curevac, seit 2007 steckten die Zwillinge Andreas und Thomas Strüngmann, die einst den Generikaanbieter Hexal groß machten, über 100 Millionen Euro in Biontech. Und in beiden Unternehmen entscheidet jeweils eine Frau über den Erfolg der Forschung: Mariola Fotin-Mleczek bei Curevac, Özlem Türeci bei Biontech.
Weltweit forschen fast 200 Institute und Unternehmen an Coronaimpfstoffen, über 30 davon testen bereits am Menschen. Zehn, darunter Biontech, sind auf der Schlussgeraden (siehe Grafik). Doch gerade in der letzten, sogenannten Phase 3 scheitert nach früheren Erfahrungen immer noch etwa die Hälfte der Kandidaten. Weil sich in den Massentests mit Tausenden Probanden der Impfstoff doch nicht als so wirksam wie erhofft herausstellt. Oder weil bislang nicht erkannte Nebenwirkungen auftreten.
Bill Gates hat Zweifel
Selbst Förderer haben Zweifel. Sowohl Curevac als auch Biontech arbeiten mit mRNA-Molekülen. RNA ist die Schwestersubstanz der Erbinformation DNA. Über das RNA-Molekül erhält der Körper eine genetische Bauanleitung, um Proteine herzustellen und die Bildung von Abwehrstoffen auszulösen Antikörper und T-Zellen, die beide für die Immunisierung wichtig sind. Bislang wurde weltweit noch nie ein Medikament oder Impfstoff auf der Basis von mRNA-Molekülen zugelassen. Vieles ist ungeklärt etwa, warum die Zahl der mithilfe der mRNA gebildeten Antikörper schnell abnimmt.
Microsoft-Gründer Bill Gates über seine Stiftung sowohl an Curevac als auch an Biontech beteiligt bleibt skeptisch: Mit mRNA-Impfstoffen ist es schwierig, weil sie bislang noch nicht in großem Umfang hergestellt wurden, sagte er kürzlich. Der Milliardär und Philanthrop setzt lieber auf andere Coronaimpfstoffe der großen Pharmakonzerne, die nach konventionelleren Verfahren entwickelt werden.
Mariola Fotin-Mleczek kennt die Bedenken nur zu gut. Als Chief Technology Officer im Curevac-Vorstand ist sie maßgeblich für die Entwicklung des Coronaimpfstoffs verantwortlich. Zur Begrüßung muss ein Lächeln reichen. An fast jeder Tür in der Curevac-Zentrale, hoch über der Tübinger Altstadt, mahnen Plakate, die Abstandsregeln einzuhalten und auf den Handschlag zu verzichten. Seit 2006 ist die Biologin dabei.
Nach ihrer Promotion in Stuttgart wechselte sie an die Universität Tübingen. Gleich neben den Uni-Laboren lagen die Räumlichkeiten des jungen, damals weithin unbekannten Unternehmens Curevac. Investor Hopp hatte gerade die ersten Millionen investiert. Bald wechselt die junge Wissenschaftlerin die Seite.
Bei einem Treffen Mitte September in der Curevac-Zentrale in Tübingen bittet Fotin-Mleczek in den Konferenzraum im fünften Stock. Die 53-Jährige macht klare Ansagen. Bis der Impfstoff auf dem Weg in die Praxen sei, dauert es noch. Derzeit wird der Tübinger Impfstoff an mehr als 220 Probanden geprüft. Wir wollen im Herbst die Phase-1-Tests an Menschen abschließen und ein vollständiges Datenset haben, sagt Fotin-Mleczek. In Peru und Panama hat Curevac schon mit weiteren Studien begonnen. Wenn alles klappt, könnte der Impfstoff Mitte 2021 verfügbar sein. Dann soll es der bestmögliche Impfstoff sein. Die Curevac-Chefentwicklerin nennt drei Argumente.
Zunächst die Dosierung. Fotin-Mleczek lässt derzeit besonders schwach dosierte Varianten mit zwei bis zwölf Mikrogramm pro Spritze testen. Je geringer die Dosis, desto geringer ist die Gefahr von unerwünschten Nebenwirkungen, erklärt die Wissenschaftlerin, außerdem können damit mehr Dosen in einem Durchlauf produziert werden, was die Produktion kostengünstiger macht.
Die Investoren stehen Schlange bei Curevac
Wenn Curevac nicht doch noch höher dosieren muss, wäre das tatsächlich ein Vorteil. Biontech testet seinen Impfstoffkandidaten BNT162b2 mit 30 Mikrogramm. US-Konkurrent Moderna, der gleichfalls mit der mRNA-Technologie arbeitet, testet sogar mit 100 Mikrogramm. Curevac ist sozusagen der sparsamste Einspritzer von allen.
Argument zwei: Curevac nimmt für sich in Anspruch, natürliche Ausgangsstoffe zu verwenden, um zu einer ausgewogenen Immunantwort durch Antikörper und Abwehrzellen zu kommen, sagt Fotin-Mleczek. Der Clou bestehe darin, dass die natürlichen Ausgangsstoffe dann einen gleichfalls natürlichen Abwehrmechanismus auslösen. Auch Biontech arbeitet allerdings mit natürlichen Molekülen.
Impfstoff für den Kühlschrank
Und drittens schließlich soll der Curevac-Impfstoff länger haltbar sein, was den Transport über weite Strecken erleichtert. Daten, die Curevac bereits bei der Entwicklung eines Tollwutimpfstoffs auf mRNA-Basis gesammelt hat, stimmen Fotin-Mleczek optimistisch: Basierend darauf, hat unser Covidimpfstoff das Potenzial, einige Monate bei Kühlschranktemperaturen zwischen zwei und acht Grad stabil zu sein und gelagert zu werden.
Für Biontech erklärte Unternehmenschef Ugur Sahin kürzlich, dass der Impfstoff bei zwei bis acht Grad für fünf Tage stabil bleiben könne. Weitere Tests, um die Haltbarkeit zu verlängern, könnten folgen.
Fotin-Mleczek redet bedächtig, sie wägt ihre Worte ab. Wenn sie über die potenziellen Vorteile des Curevac-Impfstoffes redet, ist da nichts Triumphierendes, Prahlerisches in ihrer Stimme. Die Wissenschaftlerin weiß, welche Probleme noch auftauchen können.
Etwa, dass die Zahl der schützenden Antikörper nach einer Injektion mit der Zeit abnimmt. Auch andere Unternehmen stießen bei ihren Tests auf das Phänomen. Das müsse noch untersucht werden, sagt Fotin-Mleczek. Beim Tollwutimpfstoff blieben die Antikörper etwa über Monate stabil: Da weiß man auch genau, wie viel Impfstoff man braucht, um eine Schutzwirkung zu erreichen. Bei Covid-19-Patienten gibt es eine breitere Streuung, was die Immunantwort angeht. Im ungünstigsten Fall findet damit keine Immunisierung statt.
Trotz der Unsicherheiten stehen die Investoren bei Curevac Schlange. Die vergangenen neun Monate waren für Fotin-Mleczek und ihre Kollegen ein permanenter Ausnahmezustand. In den Fokus der Öffentlichkeit geriet Curevac spätestens im März, als sich Donald Trump das Unternehmen angeblich einverleiben wollte, um sich den Impfstoff zu sichern. Die kolportierte angebliche Offerte schreckte in Berlin etliche Politiker auf. Die Folge: Im Juni erwarb der Bund 23 Prozent an Curevac, zum Preis für 300 Millionen Euro. Ein umstrittener Deal, dessen Logik Wirtschaftsminister Peter Altmaier bis heute nicht schlüssig erklären kann.
Weitere Investoren kamen bald hinzu: der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline (zehn Prozent) ebenso wie der katarische Staatsfonds (3,5 Prozent). Die Europäische Investitionsbank sicherte ein Darlehen über 75 Millionen Euro zu, damit Curevac die Produktion ausbauen kann. Der Börsengang an die US-Technologiebörse Nasdaq brachte weitere 250 Millionen Dollar ein. Wegen der zahlreichen Anfragen von Investoren endete der Arbeitstag für den Vorstand nach dem Börsengang erst um vier Uhr morgens.
Anfang September war dann Tesla-Gründer Elon Musk zu Besuch. Die Tesla-Tochter Grohmann entwickelt in Prüm in der Eifel mobile Produktionseinheiten für den Coronaimpfstoff von Curevac. Fünf Stunden ließ sich Musk in Tübingen durch die Labors führen und diskutierte mit den Vorständen.
Kaum weniger aufregend ging es derweil bei Biontech zu. Anders als Curevac setzen die Mainzer allerdings auf die Hilfe eines großen Pharmaunternehmens des US-Konzerns Pfizer. Dessen Finanzkraft und Netzwerk sollen helfen, die Produktion eines Impfstoffs sicherzustellen und die teure Entwicklung zu finanzieren. Curevac dagegen vertraut bislang vor allem auf eigenes Know-how. Länger als Biontech laborierten die Curevac-Forscher dabei an den Feinheiten, etwa der Stabilität des Wirkstoffs, um einen möglichst guten Impfstoff zu liefern.
Die Folge: Biontech ist mit seinen Tests deutlich weiter.Statt an einigen Hundert hat Biontech seinen Impfstoff bereits an etwa 30 000 Probanden getestet, insgesamt sollen es 44 000 werden. Die Tests laufen unter anderem in den USA, Brasilien, Argentinien und Deutschland. Wenn alles klappt, soll der Impfstoff etwa in Marburg, Mainz und Idar-Oberstein hergestellt werden.
Die Ergebnisse der Biontech-Studien laufen bei der 53-jährigen Medizinerin Özlem Türeci zusammen. Schon bei der Gründung des Unternehmens war die preußische Türkin, wie sie sich selber einmal bezeichnete, dabei. Ursprünglich war Biontech angetreten, um Krebsimpfstoffe zu entwickeln bis Corona kam und die Krebsforschung erst einmal hintangestellt wurde.
Aufgewachsen ist Türeci in Niedersachsen. Ihr Vater war Chirurg, als Kind durfte sie bei Blindarmoperationen zuschauen. Zu ihren größten Fans zählt Biontech-Hauptaktionär Thomas Strüngmann. Ich höre keiner Person so gerne zu wie Frau Türeci, schwärmt der. Sie verstehe es, komplizierte Inhalte nahezubringen.
Im Juli stellte die so gelobte Forscherin die Ergebnisse der ersten Tests am Menschen vor. Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hatte gerade zugesagt, den Biontech-Impfstoff beschleunigt zu prüfen. Türeci ist zufrieden. Bei allen Teilnehmern hätten sich sowohl Antikörper als auch Abwehrzellen gebildet. Allerdings variierte die Zahl der Abwehrzellen von Proband zu Proband. Die Nebenwirkungen fielen laut Studie generell mild bis moderat aus. Zuweilen gab es grippeähnliche Symptome und Reaktionen an der Einstichstelle. Aber: Alle Nebenwirkungen verschwanden spontan von selbst. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob sich die positiven Ergebnisse auch bei großen Testgruppen fortsetzen.
Forscher aus Leidenschaft
In dieser wichtigen, entscheidenden Phase weiß Türeci ihren Mann stets an ihrer Seite sie ist mit Biontech-CEO Ugur Sahin verheiratet. Kennengelernt haben sich die beiden Mediziner im letzten Studienjahr am Universitätsklinikum des Saarlandes. 2002 heirateten sie kurz vor der standesamtlichen Trauung standen beide noch im Kittel im Labor. Wohin sie dann nach der Eheschließung auch wieder zurückkehrten.
Während sich Türeci eher im Hintergrund hält, übernimmt ihr Mann die öffentlichen Auftritte. Über ein Videokonferenzsystem gelangt man in sein Arbeitszimmer. Ruhig und unaufgeregt vermittelt Sahin weiterhin Zuversicht. Ich bin zuversichtlich, dass wir Covid-19 kontrollieren können, sagt er. Das Virus werde allerdings noch zehn Jahre herumschwirren so lange könnte es dauern, bis alle Menschen geimpft oder durch Infektion immun sind. Da sei es wichtig, findet Sahin, viele verschiedene funktionierende Impfstoffe zu haben, etwa für unterschiedliche Altersgruppen: Da werden viele Impfstoffhersteller ihre Chance bekommen.
Womöglich sind dann ja sowohl Biontech als auch Curevac dabei.
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