Das ändern Sie jetzt?
Das hat die Führung der Pharmadivision unter Stefan Oelrich schon vor einigen Jahren begonnen. Wir treiben unsere neue Forschungsstrategie konsequent voran. Und das führt zu einer schnellen Steigerung der Anzahl der Projekte in der frühen Entwicklungsphase, insbesondere in der Onkologie sowie bei den Zell- und Gentherapien.
Der Aufbau eines starken Pharma-Portfolios wird Jahre dauern.
Wir haben aktuell mehrere Projekte mit Blockbusterpotenzial in Phase III beziehungsweise in der Markteinführung. Vor allem in der frühen Entwicklungsphase sind wir über alle Indikationsgebiete gut aufgestellt. Richtig ist aber auch, dass wir gern mehr Kandidaten in der späteren Entwicklungsphase hätten.
Bayer könnte die Lücke mit Zukäufen füllen, hat dafür aber schlicht kein Geld.
Die Erfolgsbilanz großer Pharmakonzerne beim Kauf von beinahe marktreifen Arzneikandidaten ist durchwachsen. Sie kaufen teuer zu und erreichen selten ihre Ziele. Das ist nicht unsere Strategie. Wir werden möglicherweise einzelne Medikamentenkandidaten zukaufen, die in der Frühphase der Entwicklung stecken. Aber wir fokussieren uns in erster Linie auf das Potenzial unserer eigenen Forschung sowie auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern.
Ist Bayer nächstes Jahr in einer besseren Verfassung, was die Ergebnisse angeht?
Auch wenn wir für das kommende Jahr eher schwache Wachstumsaussichten sehen: Der fundamentale Umbau des Unternehmens hat begonnen. Wir werden im Laufe der nächsten Jahre deutlich an Dynamik gewinnen und unsere Innovationen beschleunigen. Dies wird sich dann auch in unserer Performance widerspiegeln.
Sie wollen Organisation, Arbeitsweise und Kultur bei Bayer komplett erneuern, möglicherweise werden Geschäfte abgespalten. Was ist Ihr Ziel dabei?
Wir wollen Wert schaffen. Wenn ein Unternehmen keinen Wert für Kunden, Mitarbeiter, Anteilseigner und auch nicht für die Gesellschaft insgesamt schafft, dann wird es scheitern.
Bayer-Hauptverwaltung in Leverkusen: Zwölf Hierarchieebenen zwischen Vorstandschef und Kunden. Foto: mauritius images / Rupert Oberhäuser
Solche Sätze hört man oft von Managern, und sie klingen immer gut in Marketing-Präsentationen. Was wollen Sie denn anders machen als Ihre Vorgänger bei Bayer?
Meine Vorgänger haben den Schwerpunkt darauf gelegt, das Unternehmen auf attraktive Märkte zu fokussieren. Dazu wurden immer wieder große Geschäfte verkauft oder übernommen. Denken Sie an die Abspaltungen der Chemie- und Kunststoffgeschäfte in Lanxess und Covestro …
… oder an die umstrittene Übernahme von Monsanto für 63 Milliarden Dollar. War der Kauf des US-Saatgutherstellers ein Fehler?
Mit dem heutigen Wissen kann man viele Dinge anders betrachten. Ich finde die zugrunde liegende Strategie immer noch richtig, weil die Übernahme uns zu einem weltweit führenden Agrarunternehmen gemacht hat. Auf der anderen Seite steht die finanzielle Belastung durch die so nicht vorhersehbaren Rechtsstreitigkeiten. Das ist ein wesentlicher Grund, warum wir heute einen so hohen Schuldenstand haben.
Wann wird Bayer diese Rechtslast los?
Wir haben eine klare Strategie, um mit den Rechtsstreitigkeiten rund um Glyphosat umzugehen, und auch angemessene Rückstellungen gebildet. Wir werden aber sicher nicht das Geschäftsmodell der US-amerikanischen Klageindustrie unterstützen, um zu einem schnelleren Ende zu kommen.
Die Kläger gewinnen gerade viele Prozesse.
Wir haben neun der 14 jüngsten Prozesse gewonnen, und auf Basis der wissenschaftlichen Faktenlage gehen wir davon aus, dass uns das auch künftig gelingen wird. Allerdings ist das für Unternehmen im US-Rechtssystem mit Laienjurys nicht immer einfach.
Für Ihre Vorgänger stand also das Portfoliomanagement im Vordergrund. Und bei Ihnen?
Ich möchte Bayer zu einem der innovativsten und schnellsten Unternehmen weltweit machen. Dafür müssen wir unsere Strukturen und Prozesse komplett überarbeiten. Damit haben wir bereits begonnen, weil wir keine Zeit zu verlieren haben.
Nicht wenige Investoren sehen den schnellsten Hebel zur Wertsteigerung darin, dass Bayer seine Mischstruktur aus den Divisionen Agrarchemie, Pharma und rezeptfreie Arzneien aufspaltet und sich fokussiert.
Über diese Frage spreche ich derzeit viel mit Investoren. Die Meinungen gehen da durchaus auseinander: Die einen sagen, das Agrargeschäft passe nicht nach Deutschland, weil Deutschland moderne Agrartechnologie ablehne und die Landwirtschaft lieber so organisieren wolle wie vor hundert Jahren. Daher wäre die Sparte besser ein eigenständiger Konzern in den USA …
… mit Börsennotierung an der Wall Street?
Genau. Das ist aber nur eine Meinung. Eine andere Gruppe sagt: Das größte Problem seien die Schulden, und die würde man am schnellsten mit einem Verkauf der Division Consumer Health los, also der verschreibungsfreien Mittel.
Auch nachvollziehbar.
Und es gibt auch eine Gruppe, die möchte, dass das Unternehmen vor allem seine operative Performance verbessert und nicht in den nächsten zwei Jahren von einem großen Portfolio-Umbau oder Abspaltungen abgelenkt wird.
Wer für Veränderung nicht offen ist, wird es bei Bayer schwer haben.
Bill AndersonBayer-Chef
Welcher Gruppe gehören Sie an?
Entscheidend ist: Was wir tun, muss unterm Strich wertschaffend sein. Wir treiben den Umbau des Unternehmens zügig voran und prüfen gleichzeitig die Optionen zur Trennung von einzelnen Divisionen.
Nach welchen Kriterien tun Sie dies?
Wir müssen genau wissen, welche Auswirkungen solche Schritte hätten, etwa mit Blick auf Wertschaffung, einmalige Kosten, Dissynergien, Cashflow, Verschuldungsgrad, Steuereffekte und andere Kriterien. Nicht zuletzt spielt auch das Marktumfeld eine wichtige Rolle.
Eine Trennung von der Division Consumer Health wäre für Bayer ein schwieriger Schritt, denn man müsste sich von der Kernmarke Aspirin verabschieden. Dürfen Nostalgie und Historie eine Rolle spielen, wenn es um die Zukunft von Bayer geht?
Darum geht es nicht. Wenn man nach Abwägung aller Faktoren zu dem Schluss kommt, dass eine Entscheidung strategisch genau die richtige ist, dann muss man sie auch treffen.
Das dürften bei Bayer einige anders sehen.
Ich habe in Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern, Aktionären und dem Aufsichtsrat immer deutlich gemacht: Es zählt nur, was nachhaltig Wert schafft. Und wenn man überzeugt ist, dass sich ein Geschäft außerhalb von Bayer besser entwickeln kann, muss man entsprechend handeln. Bayer hat übrigens genau das bewiesen, als man sich von Chemie und Kunststoffen trennte.
Wenn man alles unter einen Hut bringen will, könnte die Strategie so lauten: Die drei Divisionen bleiben erst mal unter dem Dach von Bayer, werden aber operativ und organisatorisch aufpoliert und so für eine Trennung in einigen Jahren vorbereitet.
Das ist jetzt reine Spekulation. Wir werden auf dem Kapitalmarkttag 2024 unseren Plan zur Zukunft von Bayer präsentieren.
„Wir wollen ein komplett neues Organisationsmodell aufbauen“
Wird es bis dahin Klarheit geben, wie viele Jobs im Zuge des Umbaus verloren gehen?
Es wird eine erhebliche Zahl werden, aber wir gehen den Umbau nicht mit einem festen Ziel zum Stellenabbau an. Es gibt kein typisches Programm, wie man es von Unternehmen aus der Vergangenheit kennt, nach dem Motto: x Prozent an Stellen müssen raus, der Rest bleibt, wie es war.
Was machen Sie anders?
Wir wollen ein komplett neues Organisationsmodell aufbauen, bei dem ausschließlich die Mission im Mittelpunkt steht und 95 Prozent der Entscheidungen nicht von Managern getroffen werden, sondern von den Mitarbeitern, die die Arbeit letztendlich machen. Hierbei arbeiten wir eng mit den Arbeitnehmervertretern zusammen.
Was stört Sie überhaupt daran, wie man bei Bayer arbeitet?
Es geht nicht allein um Bayer. Die meisten großen Industrieunternehmen stecken in einem überkommenen Betriebsmodell fest, das im Kern auf Hierarchien und Bürokratie aufbaut.
Der neue Bayer-Chef will weg von Hierarchien. Foto: REUTERS
Ist das Ihr Ernst? In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Unternehmen wahrscheinlich so stark verändert wie nie zuvor.
Natürlich hat sich die Arbeitsweise weiterentwickelt, aber eben nur sehr langsam. Heute trägt vielleicht nicht mehr jeder Anzug und Krawatte, und man redet viel von Teamarbeit. Aber grundsätzlich ist die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden und Arbeit erledigt wird, immer noch so wie vor 50 Jahren.
Das müssen Sie erklären.
Vom Top-Management aus geht es in der Regel den ganzen Entscheidungsbaum runter, bis irgendwann etwas beim Kunden ankommt. In diesem Bürokratiesystem stecken wir fest. Dabei muss das Denken genau umgekehrt sein.
Wie erleben Sie das bei Bayer?
Es wird sehr viel kontrolliert und überwacht, wir haben Teams, die sich um die Effektivität des Marketings selbst in kleinen Ländern kümmern. Überall herrschen ausgeprägte Abstimmungs- und Planungsprozesse. Es gibt so viele feste Bayer-spezifische Regeln und Vorschriften, die zentralen Dokumente dazu haben 1362 Seiten.
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Und das hindert die Leute an der Arbeit?
Was am meisten bremst: Wir haben zwölf Ebenen zwischen dem CEO und dem Kunden. Auf jeder dieser Ebenen gibt es zahlreiche Manager, verbunden mit vielen Abstimmungsschleifen. Das ist ein tradiertes System, in dem Entscheidungen viel zu lange dauern. Das ist nicht gut für die Kunden, und die Mitarbeiter sind genervt.
Das sagen die offen?
Das Feedback an jedem Standort, den ich besucht habe, war: „Wir wollen Veränderung, wir wollen mehr Verantwortung, wir wollen die Dinge schneller und besser erledigen können.“ Das kenne ich auch von Firmen, bei denen ich vorher gearbeitet habe.
Die Probleme waren immer dieselben?
Im Grundsatz ja. Aber die Herangehensweise war unterschiedlich. Ich habe zuerst in Firmen mit 30 oder 500 Beschäftigten gearbeitet. Dort gab es nur vier bis sechs wichtige Abteilungen. Es war problemlos möglich, dass drei Mitarbeiter nur ein, zwei Stunden zusammensaßen, eine Lösung für etwas erarbeiteten, die Entscheidung trafen und mit der Umsetzung begannen.
„Es werden deutlich weniger Hierarchie-Ebenen sein“
Bayer ist dagegen eine Behörde?
Nicht nur Bayer. Bei Großunternehmen mit mehreren Tausend Mitarbeitern ändert es sich schlagartig. Dann sitzen da plötzlich viel mehr Leute zusammen am selben Problem, es kommen zig neue Abteilungen dazu. Die Bürokratiewelle rollt. Alle müssen sich wieder bei ihren Vorgesetzten rückversichern, die haben dann noch neuen Input, die nächsten Meetings werden aufwendig geplant. Nicht wenige Firmen stellen fest: Es gibt Leute, die werden nur fürs Bremsen bezahlt. Alles wird komplexer und für alle quälender.
Befürworter würden sagen: „Am Ende ist das Ergebnis besser.“
Das bezweifele ich. Gemessen am immensen Aufwand und deutlichen Zeitverlust – um wie viel denn? Mit minimalen Verbesserungen kann man Langsamkeit und Bürokratie nicht rechtfertigen. Man will doch nur ein Problem möglichst schnell im Sinne des Kunden lösen. Wir werden alles Unnötige aus den Prozessen herausnehmen, was nicht direkt auf die Erfüllung unserer Mission einzahlt und uns daran hindert, schneller zu werden.
Sie monieren, dass zwischen Ihnen und den Kunden zwölf Managementebenen liegen. Wie viele Hierarchie-Ebenen wollen Sie denn eliminieren, was wäre eine gute Zahl?
Da kann ich Ihnen heute noch keine genaue Zahl nennen. Es werden auf jeden Fall deutlich weniger sein als jetzt.
Weniger als die Hälfte?
Das kommt auf den jeweiligen Bereich an. Unternehmen, die diesen Weg bereits gegangen sind, haben die Anzahl der traditionellen Manager je nach Abteilung um 30 bis 80 Prozent reduziert.
So viel wird es auch bei Bayer sein?
Das wird sich zeigen. Wir sind mitten in einem Prozess.
Bei Ihrem vorherigen Arbeitgeber Roche haben Sie die Pharmasparte so umstrukturiert, wie Sie es jetzt bei Bayer planen. Die Pharmapipeline bei Roche sei nun aber ziemlich leer, kritisieren Marktbeobachter.
Bei Roche war ich für den Vertrieb, das Marketing, die Produktion und die Spätphasenentwicklung verantwortlich. In dieser Zeit haben wir das Ansehen bei Kunden in fast jedem Land verbessert und parallel drei Milliarden Dollar an Kosten eingespart. Dieses Geld haben wir dann in Forschung und Entwicklung gesteckt – die Ergebnisse wird man in einigen Jahren sehen. Die harten Fakten zeigen klar, dass unsere Maßnahmen gewirkt haben.
Das Management soll weg von „command and controll“. Foto: Bloomberg/Getty Images
Bayer-Mitarbeiter sollen künftig 95 Prozent der Entscheidungen selbst treffen. Schwer vorstellbar, wie das ohne Management funktionieren soll.
Wir haben kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr wohl in der Lage sind, Verantwortung zu übernehmen und eigenständig zu entscheiden. Es ist doch absurd, dass wir die besten Naturwissenschaftler aus den Universitäten holen, um ihnen dann mehrere Managementebenen vor die Nase zu setzen, die ihnen sagen, was sie zu tun und zu lassen haben.
Und was macht das Management?
Die Zeiten, in denen die Aufgaben des Managements zu 80 Prozent darin bestanden, auf Basis von Powerpoints Dinge zu prüfen und zu genehmigen, sind vorbei.
Wie sieht die neue Rolle aus?
Das Management muss weg von „command and control“ und stattdessen als Unterstützer und Wegbereiter für die Teams agieren. Das heißt, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Teams ihre Prioritäten festlegen, Ressourcen zuteilen und Entscheidungen treffen können. Sollte es in den Teams einmal haken, so agieren die Führungskräfte als Coach. Sie sind auch dafür verantwortlich, dass Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können.
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Und so wird bei Bayer schon gearbeitet?
Wir haben bereits die ersten 80 Teams an den Start gebracht, die nun im neuen System arbeiten. Es kommen laufend weitere hinzu. Das neue Modell ans Laufen zu kriegen ist eine Kernaufgabe des Managements. Schon jetzt zeigt sich, dass hier in kurzer Zeit eine enorme Energie freigesetzt wird, wenn nur die Bedürfnisse der Kunden im Mittelpunkt stehen.
Das heißt, die Mitarbeiter entscheiden zum großen Teil auch selbst, woran sie arbeiten?
Durchaus. Sie agieren nach einfachen Prinzipien und mit klaren Zielen. In diesem Rahmen haben sie einen maximalen Gestaltungsspielraum.
Klingt ein bisschen wie Waldorfkindergarten. Wer sorgt denn dafür, dass die Ergebnisse stimmen?
Die Teams sind dafür verantwortlich, Ergebnisse zu liefern. Dabei stehen die Mitarbeiter füreinander ein. Spätestens nach 90 Tagen wird Bilanz gezogen und bei Bedarf nachjustiert. Das Management schafft dafür den Rahmen und steht als Coach bereit.
„Es wird ein gewaltiger Wandel“
Da bricht doch das Chaos aus.
Wir haben einen klaren Plan, wie wir die Organisation Schritt für Schritt auf das neue System umstellen werden. Momentan sind über 2500 Kolleginnen und Kollegen involviert, bis Ende 2024 wollen wir jeden Teil des Unternehmens erreicht haben.
Größer könnte der Strukturwandel bei dem bislang sehr hierarchisch aufgestellten Bayer-Konzern nicht sein.
Es wird ein gewaltiger Wandel, das stimmt. Und wir gehen das mit dem notwendigen Respekt an. Ich erhalte aber schon jetzt viele positive Rückmeldungen aus der Belegschaft. Warum? Weil nur zehn Prozent unserer Mitarbeiter fest davon überzeugt sind, dass Entscheidungen bei uns derzeit auf der richtigen Ebene getroffen werden. Das werden wir ändern.
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Mitarbeiter, die jahrzehntelang auf eine bestimmte Art gearbeitet haben, müssen plötzlich Verantwortung für Dinge übernehmen, die sie noch nie zuvor getan haben.
Klar, aber die meisten Leute sagen nicht: „Nein, so will ich nicht arbeiten – ich mache lieber nur das, was mein Vorgesetzter mir sagt.“ Aus eigener Erfahrung weiß ich: Die Energie, die in einem solchen System freigesetzt wird, ist enorm.
Mitarbeiter sollen mehr Verantwortung übernehmen. Foto: AP
Viele werden sich aber nicht von einem auf den anderen Tag ändern wollen oder können.
Es gibt verschiedene Arten von Mitarbeitern. Die allermeisten wollen etwas Sinnvolles machen und sich weiterentwickeln. Sie sind für Veränderungen offen und wissen, dass sie in einem Jahr deutlich weiter sein werden als jetzt.
Und andere werden Sie feuern?
Es gibt Leute, bei denen sich alles um ihr Ego dreht oder die keine Lust auf Veränderung haben. Sie können vielleicht in einer traditionellen Arbeitsumgebung effektiv sein, aber sicher nicht in unserer. Wer für diese Veränderung nicht offen ist, wird es bei Bayer schwer haben.
Sie haben viele Stellen neu zu besetzen, haben in Ihrem Leben schon viele Führungskräfte ausgewählt. Was ist Ihnen bei Mitarbeitern wichtig? Worauf schauen Sie als Erstes?
Ich achte darauf, ob der Mensch neugierig ist, bescheiden und ob es ihm wirklich um die Sache geht oder nur um sich selbst. Wir brauchen Menschen, die bereit sind, sich voll und ganz auf die Mission einzulassen. In Teams, die von innen heraus geführt werden, ist man auf die Leute angewiesen, die sich ganz dem Produkt oder dem Kunden verschreiben. Die nicht ständig darüber nachdenken, wie sie sich selbst profilieren können.
Bill Anderson: Eine andere Führungskultur kann Antwort auf die Wirtschaftskrise sein
Ihr Verständnis unterscheidet sich ziemlich von dem anderer Dax-Chefs. Wie stark unterscheiden sich die deutsche Wirtschaft und Führungskultur von denen in den USA?
Traditionell geht es in den USA vor allem um den Shareholder-Value. In Europa fühlen sich die Unternehmen stärker dem breiteren Stakeholder-Value verpflichtet.
Worauf sollte der Fokus liegen?
Die besten Unternehmen sind die, die nicht ständig zwischen verschiedenen Interessen balancieren müssen, sondern diejenigen, die sich an ihrer Mission ausrichten. Solch ein Fokus hilft auch in schwierigen Zeiten wie diesen. Ich denke, dass eine andere Führungskultur und anders aufgebaute Unternehmen eine Antwort auf die Krise der deutschen Wirtschaft sein können.
Ist das Ihr Ernst? Die Unternehmen leiden unter hohen Energiepreisen, einem schwierigeren Welthandel und dem Konflikt zwischen China und den USA.
Alles richtig. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass einige Unternehmen zu kompliziert geworden sind und vergessen haben, was ihre eigentliche Mission ist – oder sie stellen diese Mission nicht mehr so heraus. Hier würde ein System helfen, das allen Mitarbeitern hilft, möglichst effektiv zur Umsetzung dieser Mission beizutragen. Denn das ist gut für die Kunden und für die Innovation.
Bill, vielen Dank für das Interview.
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