Zentralbanken stemmen sich gegen Krise
Europas Zentralbanken stemmen sich gegen die Vertrauenskrise an den Finanzmärkten. Die Bank of England griff erstmals seit Ausbruch der Turbulenzen am heimischen Geldmarkt ein. Die US-Fed zeigt sich in ihrem "Beige Book" optimistisch.
Die Bank of England kündigte an, den Banken mehr kurzfristige Mittel zur Verfügung zu stellen, um den starken Anstieg der Zinsen für Übernachtkredite (Tagesgeld) unter Banken zu bremsen. Die Europäische Zentralbank (EZB) teilte mit, sie beobachte die Situation genau und werde am Donnerstag ebenfalls aktiv werden, wenn sich die Lage nicht beruhige.
Zugleich wird der Ruf nach geldpolitischen Konsequenzen aus der Krise lauter. Die Industrieländerorganisation OECD legte der US-Notenbank Fed nahe, den Leitzins zu senken. Die EZB solle auf eine weitere Straffung der Geldpolitik vorerst verzichten, wegen des noch vorhandenen Inflationsdrucks die Zinsen aber noch nicht senken.
Hintergrund sind die Spannungen am Geldmarkt, wo sich die Banken gegenseitig Mittel zur Verfügung stellen. Zuletzt haben die Institute das Geld jedoch gehortet - was die Geldmarktsätze nach oben treibt. Als Grund dafür gilt, dass die Institute Vorsorge für mögliche eigene Zahlungsverpflichtungen treffen wollen und Zweifel an der Finanzkraft ihrer Partner hegen.
Moody's kappt Rating
Befürchtet wird am Markt insbesondere, dass die Banken wie im Fall der Sachsen LB Zweckgesellschaften stützen müssen, die in Finanzierungsprobleme geraten. Die Ratingagentur Moody's senkte am Mittwoch die Bewertung von Anleihen zweier solcher Zweckgesellschaften und prüft Herabstufungen bei Papieren über 14 Mrd. $.
Die britische Notenbank will bei einem Offenmarktgeschäft am 13. September den Banken bis zu 4,4 Mrd. Pfund an zusätzlicher Liquidität zum Leitzins zur Verfügung stellen und nicht den bislang üblichen Strafzins verlangen. Sie werde aber nichts unternehmen, um auch den Zins für mittelfristige Ausleihungen zu reduzieren.
Die Sätze für Tagesgeld sanken für Pfund-Ausleihungen auf 5,91 Prozent, für Euro-Tagesgeld fiel der Satz nur vorübergehend. Der Zins für Dreimonatsgeld (Libor) blieb hoch und lag für Pfund-Ausleihungen bei 6,8 Prozent - der höchste Stand seit 1998. In der Euro-Zone stieg der Dreimonatssatz Euribor auf 4,76 Prozent - bei einem Leitzins von 4,0 Prozent.
Euribor und Libor sind Taktgeber für die kurzfristigen Zinssätze an den Finanzmärkten. Ihr Anstieg bedeutet, dass sich die Finanzierungsbedingungen verschlechtern. Die EZB hatte den Banken mehrmals Liquidität zugeführt und eigentlich angedeutet, diese wieder zurücknehmen zu wollen. Beide Notenbanken entscheiden am Donnerstag über den Leitzins.
OECD fordert Zinssenkung"Die jüngsten Entwicklungen haben gravierende Mängel in den weltweiten Kreditmärkten offengelegt", so OECD-Chefökonom Jean-Philippe Cotis. Eine Rezession in den USA sei nicht auszuschließen. Die Fed schreibt in ihrem Konjunkturbericht Beige Book indes, dass die Hypothekenkrise jenseits des Bausektors nur "begrenzt" Spuren hinterlassen habe. Während die Banken die Kreditstandards im Immobiliengeschäft verschärfte hätten, seien "Kreditangebot und Kreditqualität für die meisten Konsumenten und Unternehmen gut". Berücksichtigt wurden Daten bis Ende August.
Von Mark Schieritz und Doris Grass (Frankfurt)
Quelle: Financial Times Deutschland
J.B.