INTERVIEW/Experte: AIG wird gerettet werden - Sonst droht Domino-Effekt
FRANKFURT (dpa-AFX) - Der von der Finanzmarktkrise schwer getroffene
US-Versicherungskonzern AIG wird nach Meinung von Professor
Martin E. Morlock falls nötig auf jeden Fall gerettet. Wie der Experte für
Versicherungswirtschaft der Universität Gießen am Dienstag im Interview mit der
Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX sagte, wird sich die Finanzwelt einen
Zusammenbruch nicht leisten wollen und können. "Hier würde es dann einen
Domino-Effekt geben", warnt Morlock. Am Montag hatte der für die behördliche
Aufsicht zuständige Gouverneur des Bundesstaates New York, David Paterson, dem
Unternehmen mit einer Regellockerung eine Verschnaufpause verschafft.
Was hat der Gouverneur der AIG genau erlaubt?
Morlock: "Der Gouverneur von New York hat die Bedingungen gelockert, so dass
sich die AIG zumindest teilweise selbst finanziell stützen kann. Diese
US-Versicherung kränkelt schon seit einiger Zeit, es gelingt ihr gegenwärtig
nicht, am Kapitalmarkt Geld zu bekommen. Beispielsweise gibt es in Deutschland
bei Versicherungen die Spartentrennung, denn hier wird der Schutz des
Versicherungsnehmers groß geschrieben. So können Verluste aus der
Lebensversicherungssparte beispielsweise nicht mit den Gewinnen aus der
Kraftfahrzeugtochter verrechnet werden. Einen ähnlichen Schutz wird es in den
USA auch geben und diesen wird der Gouverneur nun gelockert haben, so dass AIG
mit dem Kapital der gesunden Töchter die Löcher in der Konzernbilanz stopfen
kann. AIG hat damit etwas Zeit gewonnen. Aber bessere Rating-Einstufungen wieder
zu erlangen, dauert in der Regel seine Zeit."
Wie geht es weiter?
Morlock: "Wenn AIG es nicht aus eigener Kraft schafft, dann wird am Ende ein
Rettungspaket geschnürt. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Die AIG hat viele
Hurrikan-Schäden versichert und wenn hier keine Zahlungen an Geschädigte
erfolgen können, dann hat das in den USA massive Auswirkungen. Als letztes
Mittel wird AIG vielleicht unter Staatsaufsicht gestellt - aber gerettet."
Welche Folgen haben die aktuellen Abstufungen der Bonitäts-Ratings der namhaften
Agenturen Moody's, Fitch und S&P?
Morlock: "Die Agenturen bewerten Unternehmens-Anleihen wie mit Schulnoten. Und
wenn eine Abstufung erfolgt, wie jetzt bei AIG, dann muss der Anleihenemittent,
der Schuldner, mehr am Markt bezahlen. Dies ist etwa zu vergleichen mit einem
regulären Darlehensnehmer für Hypotheken mit vielleicht 4-5 Prozent Zinszahlung
und einer Person, die ihr Girokonto überzieht. Letztere gilt als Schuldner mit
höherem Risiko eines Ausfalls - deswegen liegen die Überziehungszinsen auch bei
circa 12 Prozent. Schlechte Schuldner bezahlen mehr. Im Falle der AIG sprechen
wir mit Sicherheit nach den Abstufungen über höhere Zinszahlungen in
Milliardenhöhe."
Hat die aktuelle Krise Folgen für Lebensversicherungsnehmer in Deutschland?
Morlock: "Nein, hier kann man die Sparer beruhigen. Ich sehe hier kein Risiko.
Die deutschen Lebensversicherungen sind mit hohen Sicherheitsmechanismen
ausgestattet. Auch die Überschussbeteiligungen sind akut nicht gefährdet. Wenn
das Zinsniveau langfristig sinkt, wovon ich ausgehe, und parallel dazu viele
Anleger raus aus Aktien und rein in Anleihen und Festgeld flüchten, könnten es
die Versicherer aber schwieriger haben, die gegenwärtigen Niveaus der
Überschussbeteiligung zu halten."
Welche Auswirkungen der Finanzkrise sehen Sie beispielsweise für Unternehmen?
Morlock: "Wie die Finanzkrise bisher auch schon gezeigt hat, werden für
Unternehmen die Kosten für das Risikomanagement weiter steigen, ebenso die.
Kosten für das Versichern von Risiko. Zum Beispiel, wenn eine Bank Eigenmittel
zur Sicherung eines Kredits bereithalten muss."
Wann sehen Sie das Ende der Finanzkrise?
Morlock: "Ich rechne damit zu Beginn des nächsten Jahres, wenn alle
Finanzinstitute ihre Jahreszahlen vorgelegt haben. Sozusagen, wenn 'jeder die
Hosen komplett herunter gelassen hat'."/sk/he
Gespräch: Stephan Keil, dpa-AFX
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[AMERICAN INTERNATION,AIG,,859520,US0268741073]
2008-09-16 16:01:50
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"Worüber die Trader in den Foren im Internet meist diskutieren ist zwecklos. In der Regel sind Methoden, die Schweigen umgibt, häufig Gold." (Emilio Tomasini)
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