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Kommentar
Sehenden Auges die Wirtschaft erdrosselt
Von Ralph Sina, WDR-Hörfunkstudio Washington
Das hat Amerika nicht verdient. Einen Präsidenten, den selbst seine eigenen Parteifreunde nur noch als Witzfigur betrachten. Zwei Präsidentschaftskandidaten, die zur Finanzkrise nur wenig Substantielles zu sagen haben. Und ein Repräsentantenhaus, dessen Abgeordneten während der größten Finanzkrise der Neuzeit erst einmal seelenruhig in den Kurzurlaub fahren. Nachdem sie zuvor mit ihrem Nein zum Hilfspaket die immer noch wichtigste Volkswirtschaft sehenden Auges erdrosselt haben.
Die Finanzkrise ist verheerender als 9/11
Amerikas Volksvertreter führen einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, der in seinen finanziellen Auswirkungen noch verheerender ist als die Terroranschläge des 11. September 2001.
Es geht nicht um Zahlenspiele. Nicht um das Schicksal irgendwelcher Wallstreet-Broker, die heute verlieren und übermorgen wieder gewinnen. Nein, es geht vielmehr um das Schicksal von Millionen Mittelstands-Amerikanern, die wegen der Finanzkrise zunächst ihre Häuser verlieren. Dann ihre Jobs. Und damit ihre Krankenversicherung. Und ihre ohnehin dürftigen Altersrücklagen.
Infantile Machtspiele der Parteien
Sie alle hatten gehofft, dass der US-Kongress endlich handelt. Dass Republikaner und Demokraten angesichts des Super-Gaus an den Finanzmärkten ihre infantilen Machtspiele für 24 Stunden vergessen. Auch wenn die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen unmittelbar vor der Tür stehen.
Dem Angriffskrieg auf den Irak haben Republikaner und Demokraten parteiübergreifend, entschlossen und mit großer Mehrheit zugestimmt. Obwohl die Bedrohung für die USA erkennbar gering war. Jetzt stehen die Vereinigten Staaten und damit die Weltwirtschaft erkennbar am Finanzabgrund. Doch Republikaner und Demokraten verheddern sich im Parteiengezänk. Und zerschreddern in letzter Minute das Rettungspaket, das sie gerade noch gemeinsam geschnürt haben.
Die Katastrophe ist da
Natürlich weiß niemand, ob dieses Care-Paket Amerikas Banken - und Versicherungskonzerne dauerhaft gerettet hätte. Aber jedem musste klar sein: ohne ein Signal der Hoffnung ist die Katastrophe programmiert. Jetzt ist sie da. Kaum ein amerikanisches Unternehmen bekommt noch Kredite. Geschweige denn ein amerikanischer Verbraucher. Der Geldmarkt trocknet aus. Täglich werden Arbeitsplätze vernichtet.
Hoffnungssignale wirken nicht mehr, wenn sie zulange auf sich warten lassen. Selbst wenn es irgendwann ein Hilfspaket gibt, wird es nur noch wenig helfen.
Amerika verliert seinen unerschütterlichen Optimismus. Und damit sich selbst