Von Severin Weiland
Seit langem hat sich Bundesaußenminister Joschka Fischer nicht mehr so kritisch gegenüber den USA geäußert. Bündnispartner seien keine Satelliten, verkündete er jetzt in einem Zeitungsinterview.
Berlin - Es ist wohl nicht nur der nahende Wahlkampf, der Joschka Fischer jetzt zu ungewöhnlich deutlichen Worten greifen ließ. "Bündnispartnerschaft unter freien Demokraten reduziert sich nicht auf Gefolgschaft, Bündnispartner sind nicht Satelliten", verkündete der Spitzenkandidat der Grünen und Bundesaußenminister jetzt in einem Interview mit der "Welt".
Der Adressat dieser freimütigen Äußerung von Deutschlands Chefdiplomat ist die Regierung des US-Präsidenten George W. Bush. Ein neuer Tonfall? Zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Immerhin hatte der Grüne noch im Februar vergangenen Jahres nach Luftangriffen der Vereinigten Staaten auf den Irak erklärt: "Wir haben die USA nicht zu kritisieren." Ein harscher Satz, der damals nicht nur innerhalb seiner Partei Verwunderung auslöste. Doch mit der Zurückhaltung gegenüber den USA scheint nunmehr Schluss zu sein. Nicht nur in der EU, auch innerhalb des rot-grünen Regierungslagers mehren sich die besorgten Stimmen. Irritiert müssen die Europäer zur Kenntnis nehmen, dass über ihre Köpfe hinweg neue Ziele im Anti-Terror-Kampf ausgerufen werden.
Bereits vor einer Woche hatte Fischers Staatssekretär Ludger Volmer die Drohungen der USA gegen den Irak attackiert. Offenkundig ohne Absprache mit Fischer. Washington habe "alte Rechnungen" zu begleichen, das "Terrorargument kann nicht genutzt werden, um die alten Gegnerschaften zu legitimieren", griff Volmer die Linie der US-Regierung an und lehnte zugleich einen militärischen Angriff ab.
Der Abkühlungsprozess zwischen den USA und Europa war nicht zuletzt auf der Münchener Sicherheitstagung offenkundig geworden. Übereinstimmend hatten Vertreter der amerikanischen Republikaner wie der Demokraten offen einen Angriff auf den Irak in Aussicht gestellt. Beobachter des Auswärtigen Amtes, die an der Tagung teilnahmen, seien über den neuen Tonfall der Amerikaner überrascht gewesen, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Am vergangenen Wochenende wurde dann der Kritiker-Chor lauter. Auf der Tagung der EU-Außenminister im spanischen Cáceres hielten allen voran die Franzosen, traditionell ohnehin auf Selbständigkeit bedacht, mit Kritik nicht zurück. Ihr Außenminister Hubert Védrine nannte die derzeitige Nahostpolitik der USA einen "Fehler", den die EU auch als solchen bezeichnen sollte. Joschka Fischer griff daraufhin die von den USA verkündete Doktrin von der "Achse des Bösen" an, zu denen Washington den Irak, Iran und Nordkorea zählt. "Das ist nicht die Art, wie wir unsere Politik anlegen", mokierte sich der Deutsche in Cáceres. In der "Welt" legte Fischer jetzt noch einmal nach. Die internationale Koalition gegen den Terror sei "nicht die Grundlage, irgendetwas gegen irgendwen zu unternehmen - und schon gar nicht im Alleingang". Das Wort von der "Achse des Bösen" würde niemanden weiterbringen: "Wohin soll das führen?", fragt Fischer.
Eine klare Ablehnung des in Washington diskutierten Angriffs auf den Irak ist aus den Worten Fischers nicht herauszulesen. Er wolle darüber nicht spekulieren, so erklärt er wie vor wenigen Tagen erst Bundeskanzler Gerhard Schröder. In diplomatisch verklausulierter Form deutet der deutsche Außenminister lediglich seine Vorbehalte gegen Amerikas neuen Kurs an: Eine "Welt mit sechs Milliarden Menschen wird selbst von der mächtigsten Macht nicht allein in eine friedliche Zukunft geführt werden".
Die Europäer versuchen derweil, abseits der USA eigene Akzente zu setzen. So wird auf der heutigen Tagung der europäischen und islamischen Außenminister in Istanbul nicht nur über den Anti-Terror-Kampf, sondern auch über eine Lösung in Nahost diskutiert. Erwartet wird, dass Frankreichs Außenminister Védrine seinen Friedensplan für die Region vorstellt. Dieser sieht unter anderem eine sofortige Anerkennung eines Palästinenser-Staates durch Israel und die Uno vor.
Quelle: spiegel.de
Seit langem hat sich Bundesaußenminister Joschka Fischer nicht mehr so kritisch gegenüber den USA geäußert. Bündnispartner seien keine Satelliten, verkündete er jetzt in einem Zeitungsinterview.
Berlin - Es ist wohl nicht nur der nahende Wahlkampf, der Joschka Fischer jetzt zu ungewöhnlich deutlichen Worten greifen ließ. "Bündnispartnerschaft unter freien Demokraten reduziert sich nicht auf Gefolgschaft, Bündnispartner sind nicht Satelliten", verkündete der Spitzenkandidat der Grünen und Bundesaußenminister jetzt in einem Interview mit der "Welt".
Der Adressat dieser freimütigen Äußerung von Deutschlands Chefdiplomat ist die Regierung des US-Präsidenten George W. Bush. Ein neuer Tonfall? Zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Immerhin hatte der Grüne noch im Februar vergangenen Jahres nach Luftangriffen der Vereinigten Staaten auf den Irak erklärt: "Wir haben die USA nicht zu kritisieren." Ein harscher Satz, der damals nicht nur innerhalb seiner Partei Verwunderung auslöste. Doch mit der Zurückhaltung gegenüber den USA scheint nunmehr Schluss zu sein. Nicht nur in der EU, auch innerhalb des rot-grünen Regierungslagers mehren sich die besorgten Stimmen. Irritiert müssen die Europäer zur Kenntnis nehmen, dass über ihre Köpfe hinweg neue Ziele im Anti-Terror-Kampf ausgerufen werden.
Bereits vor einer Woche hatte Fischers Staatssekretär Ludger Volmer die Drohungen der USA gegen den Irak attackiert. Offenkundig ohne Absprache mit Fischer. Washington habe "alte Rechnungen" zu begleichen, das "Terrorargument kann nicht genutzt werden, um die alten Gegnerschaften zu legitimieren", griff Volmer die Linie der US-Regierung an und lehnte zugleich einen militärischen Angriff ab.
Der Abkühlungsprozess zwischen den USA und Europa war nicht zuletzt auf der Münchener Sicherheitstagung offenkundig geworden. Übereinstimmend hatten Vertreter der amerikanischen Republikaner wie der Demokraten offen einen Angriff auf den Irak in Aussicht gestellt. Beobachter des Auswärtigen Amtes, die an der Tagung teilnahmen, seien über den neuen Tonfall der Amerikaner überrascht gewesen, heißt es in Berliner Regierungskreisen.
Am vergangenen Wochenende wurde dann der Kritiker-Chor lauter. Auf der Tagung der EU-Außenminister im spanischen Cáceres hielten allen voran die Franzosen, traditionell ohnehin auf Selbständigkeit bedacht, mit Kritik nicht zurück. Ihr Außenminister Hubert Védrine nannte die derzeitige Nahostpolitik der USA einen "Fehler", den die EU auch als solchen bezeichnen sollte. Joschka Fischer griff daraufhin die von den USA verkündete Doktrin von der "Achse des Bösen" an, zu denen Washington den Irak, Iran und Nordkorea zählt. "Das ist nicht die Art, wie wir unsere Politik anlegen", mokierte sich der Deutsche in Cáceres. In der "Welt" legte Fischer jetzt noch einmal nach. Die internationale Koalition gegen den Terror sei "nicht die Grundlage, irgendetwas gegen irgendwen zu unternehmen - und schon gar nicht im Alleingang". Das Wort von der "Achse des Bösen" würde niemanden weiterbringen: "Wohin soll das führen?", fragt Fischer.
Eine klare Ablehnung des in Washington diskutierten Angriffs auf den Irak ist aus den Worten Fischers nicht herauszulesen. Er wolle darüber nicht spekulieren, so erklärt er wie vor wenigen Tagen erst Bundeskanzler Gerhard Schröder. In diplomatisch verklausulierter Form deutet der deutsche Außenminister lediglich seine Vorbehalte gegen Amerikas neuen Kurs an: Eine "Welt mit sechs Milliarden Menschen wird selbst von der mächtigsten Macht nicht allein in eine friedliche Zukunft geführt werden".
Die Europäer versuchen derweil, abseits der USA eigene Akzente zu setzen. So wird auf der heutigen Tagung der europäischen und islamischen Außenminister in Istanbul nicht nur über den Anti-Terror-Kampf, sondern auch über eine Lösung in Nahost diskutiert. Erwartet wird, dass Frankreichs Außenminister Védrine seinen Friedensplan für die Region vorstellt. Dieser sieht unter anderem eine sofortige Anerkennung eines Palästinenser-Staates durch Israel und die Uno vor.
Quelle: spiegel.de