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Es ist Hilfe unterwegs angesichts der wachsenden Immobilienkrise, die die amerikanische Wirtschaft ins Schleudern zu bringen droht. Am 6. Dezember hat Finanzminister Henry Paulson einen lang ersehnten Plan angekündigt, der darauf abzielt, eine Welle von Zwangsvollstreckungen unter den Hausbesitzern zu verhindern, die deutlich höhere Monatsraten für ihre variabel verzinsten Darlehen zahlen müssen, deren Zinsanpassung in Kürze ansteht.
Der Plan, der mit Alphonso Jackson, dem Minister für Wohnen und Stadtentwicklung, und mit dem Segen von Präsident Bush entwickelt wurde, kommt nach wochenlangen, harten Verhandlungen mit Kreditgebern, Investoren in verbriefte Immobilienkredite und den Servicern der Kredite, also denjenigen, die für das Inkasso der Zahlungen verantwortlich sind.
Im Zentrum der Initiative steht eine Vereinbarung der Kreditgeber, die Zinssätze bis zu fünf Jahre lang einzufrieren. Dies soll zumindest für einen Teil der 1,8 Millionen bonitätsschwachen Kreditnehmer gelten, die Gefahr laufen, ihre Häuser zu verlieren, wenn die Kreditraten bis Ende 2009 angestiegen sind. Für Kreditnehmer, die in den Genuss der Unterstützung kommen, wird der Zinssatz auf dem Niveau des Anfangszinses eingefroren, der normalerweise zwischen 7% und 9% liegt.
„Wir haben eine Lösung entwickelt, die die Auswirkungen des Hauspreisrückgangs auf die Besitzer, die Nachbarschaft und die amerikanische Wirtschaft abfedern soll“, so Paulson. „Die Infrastruktur, um strauchelnde Kreditnehmer aufzufangen, steht nun bereit.“
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Standardkriterien sollen den Prozess beschleunigen
Die Reaktion auf den Plan war gemischt. Während die im Wahlkampf befindlichen Demokraten auf dem Capitol Hill bemängelten, der Plan reiche nicht weit genug, haben einige Konservative das Vorgehen der Regierung als übertrieben kritisiert, da sie die Privatwirtschaft in diese Vereinbarung gedrängt habe. Dennoch waren viele Marktteilnehmer aus dem Immobiliensektor erleichtert darüber, dass sich etwas bewegt. Auch wenn viele Fragen offen bleiben, sagt Rod Dubinsky, verantwortlicher Geschäftsführer beim Wertpapierhaus Credit Suisse Securities: „Dies ist ein guter Anfang“.
Entscheidend für den Erfolg des Plans ist, wie schnell er es schafft, den Restrukturierungsprozess für Immobilienkredite zu beschleunigen und auch wie viele Hausbesitzer davon profitieren. Bis jetzt hat die Neuverhandlung der Kreditverträge sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Da viele Kreditgeber von der Anzahl der Darlehensnehmer überwältigt wurden, die sich bereits in Zahlungsschwierigkeiten befinden - man hat sich mit jedem Einzelfall beschäftigt - hatte nur eine sehr kleine Anzahl der Hausbesitzer, die ihren Kredit nicht gar mehr bedient haben, die Möglichkeit, die Darlehenskonditionen neu zu verhandeln. Die Idee des Hilfsplans zielt daher darauf ab, den Prozess zu beschleunigen, indem Standardkriterien formuliert werden, unter denen Immobilienbesitzer die Hilfe in Anspruch nehmen können. „Wir hoffen, dass diese Kriterien vom gesamten Servicing Sektor als vernünftiger und durchführbarer Standard akzeptiert werden“, sagt Paulson.
Eine Minderheit wird profitieren
Diejenigen, die auch nach der Zinsanpassung in der Lage sind, ihre Immobilienkredite zu bedienen, werden keine Unterstützung erhalten. Auch diejenigen, die bereits vor der Anpassung Zahlungsschwierigkeiten hatten, gehen leer aus.
Stattdessen will sich der Plan auf zwei Kreditnehmergruppen konzentrieren: diejenigen, die für eine Refinanzierung ausreichend Eigenkapital in der Immobilie haben und diejenigen, die über ausreichende Einnahmen verfügen, werden bei den Neuverhandlungen an erster Stelle stehen.
Der Kern der Hilfsanstrengungen ist auf diejenigen gerichtet, die im Moment ihre Kreditraten zahlen, aber nach der Zinsanpassung wahrscheinlich nicht mehr dazu in der Lage sein werden. Um herauszufiltern, wer dazugehört, werden sich die Servicer auf die Kreditnehmer konzentrieren, die nicht mehr als 30 Tage Zahlungsverzug bei ihren gegenwärtigen Krediten aufweisen und 3% Eigenkapital oder weniger beim Kreditabschluss in die Finanzierung eingebracht haben. Danach werden die Kreditgeber auf die finanziellen Verhältnisse schauen, vornehmlich auf den als FICO-Score benannten Bonitätswert, um zu bestimmen, ob sie für das Einfrieren des Zinssatzes in Frage kommen. „Auf diese Weise können wir die Fälle viel schneller bearbeiten“, sagt Michael Heid, der Co-Vorsitzende des Immobilienfinanzierers Wells Fargo Home Mortgage.
Die Einzelheiten des Plans warfen genauso viele Fragen auf, wie sie beantworteten. Die wichtigste unter ihnen: wie vielen Hausbesitzern wird denn tatsächlich angesichts der genannten Einschränkungen geholfen? „Der Plan scheint die Zahl der Zwangsvollstreckungen zu reduzieren, doch die Frage lautet, in welchem Umfang“, meint Alec Phillips, Analyst der Washingtoner Politik bei Goldman Sachs. Nach Meinung von Heid könnten etwa 1,2 Millionen der als hybrid bezeichneten Immobilienkredite, die demnächst einen Wechsel vom festen auf einen variablen Zinssatz vollziehen, Unterstützung erlangen. Er sagt, dass etwa 600.000 Kreditnehmer wahrscheinlich ihre Darlehen refinanzieren können, während ein „signifikanter Anteil“ der verbleibenden 600.000 vom Einfrieren des Zinssatzes profitieren werden. Inoffiziellen Marktschätzungen zufolge beläuft sich diese Anzahl etwa auf 240.000 bis 500.000.
Wie gut wird der Plan funktionieren?
Heid, der bei den Verhandlungen des Plans eine Schlüsselrolle gespielt hat, glaubt, dass der Plan eine große Reichweite hat, um den strauchelnden Hausbesitzern zu helfen. Aber viele Banker und Marktteilnehmer aus dem Kredit-Servicing stellen weiterhin die Frage, wie gut dieser systematische Ansatz funktionieren wird. Auch wenn breit angelegte Kriterien definiert wurden, die dabei helfen sollen, die möglichen Begünstigten für eine Refinanzierung zu identifizieren, sind viele der Meinung, dass die Detailarbeit bei der Neuverhandlung eines Immobiliendarlehens immer ein intensiver Prozess auf Basis des einzelnen Kredites bleiben wird. Sie räumen ein, dass man immer auf Fragen wie den möglichen Preisverfall der Immobilie schauen muss, ebenso wie auf das verfügbare Einkommen des Kreditnehmers, um die Refinanzierung abzuschliessen.
“Washington kann nicht mehr machen“, meint James Montgomery, der ehemalige Vorsitzende der Bank Great Western Financial, als diese im Jahr 1997 an das Finanz- und Versicherungsunternehmen Washington Mutual verkauft wurde und der seitdem zwei lokal tätige Banken in Kalifornien und in Utah gegründet hat. „Man muss sich die Details eines jeden Einzelkredites ansehen und auch die lokalen Marktgegebenheiten berücksichtigen.“
Einige Anwälte aus dem Immobiliensektor haben die geringe Reichweite des Plans kritisiert und befürchten, dass zu viele Leute von dieser Hilfe ausgeschlossen bleiben.
Hilfe für die Investoren, aber nicht für die Hausbesitzer
“Diese Krise ist wahrscheinlich die schlimmste, die wir seit der Großen Depression erlebt haben, aber der Hilfsplan richtet sich nur an den unkompliziertesten Teil der Kreditnehmerschaft“, so Michael Shea, Geschäftsführer bei Acorn Housing, einer US-weit tätigen Anwaltskanzlei für Immobilienfragen mit Sitz in Chicago. „Der staatliche Vorschlag wird keinem einzigen Kreditnehmer helfen, der mit seinen Kreditzahlungen in Verzug ist oder vor einer Vollstreckung steht. Wir brauchen mutige Vorschläge, wie diejenigen, die während der Grossen Depression von Franklin D. Roosevelt unterbreitet wurden. Was wir hier bekommen, ist die Passivität eines Calvin Coolidge.“
Shea kritisiert, daß die Aufmerksamkeit zu stark auf die Investoreninteressen gerichtet wurde, anstatt die Interessen der Gemeinden und Hausbesitzer zu berücksichtigen. Dennoch ist nach wie vor völlig unklar, wie zufrieden die Investoren der Wertpapiere aus verbrieften Immobiliendarlehen mit dem Rettungsplan sind.
Und tatsächlich war ein großes Hindernis für die Restrukturierung der Darlehen die Angst der Darlehensservicer - derjenigen, die das Portfolio der verbrieften Immobilienkredite verwalten - dass sie von den Investoren derjenigen Wertpapiere verklagt werden könnten, die bei einer Refinanzierung des Darlehens Verluste erleiden. „Wir werden die Anwälte von Sammelklagen angesichts der Verdienstmöglichkeiten geifern sehen“, so Bert Ely, langjähriger Berater für Finanzinstitute.
Das Risiko des Rechtsstreits ist kontrollierbar
Die Aufsichtsbehörden haben behauptet, daß alle - Kreditgeber, Hausbesitzer und Investoren - davon profitieren, wenn die Zwangsvollstreckung der Immobilien vermieden wird, auch wenn die Portfolien der verbrieften Immonlienkredite einige Verluste erleiden. Und die Aufsicht hat versucht, die Servicer davon zu überzeugen, daß sie normalerweise das vertragliche Recht haben, die Darlehenskonditionen ohne Risiko eines Rechtstreites zu verändern.
Finanzminister Paulson sagte, daß solche Ängste den Plan nicht behindern sollten. „Die Auswahlkriterien, die heute genannt wurden, sind das Ergebnis von Diskussionen zwischen Investoren und Servicern“, so erklärt er. „Wenn wir die Investoren im Boot haben, ist dies ein klarer Vorteil für diesen Ansatz und das Risiko von Rechtsstreits sollte kontrollierbar sein.“
Unterschiedliche Interessen bei den Investoren
Nicht alle Servicer jedoch sind davon überzeugt, daß sie nicht von einer Klagewelle derjenigen Investoren überrollt werden, die Einnahmen verlieren oder einen Wertverlust ihres Investments hinnehmen müssen, wenn die Zinssätze eingefroren werden. Die Ratingagentur Standard & Poor´s weist auch darauf hin, dass das Einfrieren der Zinssätze einen negativen Einfluss auf die Ratings einiger Wertpapiere aus Verbriefungstransaktionen haben könnte, die mit Immobiliendarlehen besichert sind.
Der Abgeordnete Michael Castle hat auf eine Gesetzgebung gedrängt, die Kreditgeber und Servicer von Immobiliendarlehen vor Klagen schützen soll. „Zwangsvollstreckungen sind für niemanden von Vorteil, weder für den Hausbesitzer, noch die Nachbarschaft und auch nicht für die Kreditgeber. Und, ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass es vorteilhaft für die Investoren ist, wer immer diese sein mögen“, so äußerte sich Castle in der Business Week.
Innerhalb der Investorenschaft gibt es allerdings verschiedene Interessengruppen. Auch wenn der Rettungsplan auf die Gesamtheit der Wertpapiere aus verbrieften Immobiliendarlehen einen positiven Effekt hat, könnte es sein, dass die Investoren bestimmter Wertpapiertranchen einer Transaktion bei dieser Lösung mehr verlieren, als im Falle einer Zwangsvollstreckung.
“Alle möchten gerne von einer Situation sprechen, in der es nur Gewinner gibt und sagen können, dass die Neuverhandlung der Darlehensverträge sowohl für die Investoren, als auch für die Immobilenbesitzer die bessere Lösung ist“, sagt Mark Adelson, ein langjähiger Spezialist für strukturierte Finanzierung bei Nomura, der kürzlich seine eigene Beratungsfirma mit dem Namen Adelson & Jacob gegründet hat. „Manchmal stimmt diese Aussage und manchmal stimmt sie nicht. Viele scheinen außer Acht zu lassen, dass es in sehr vielen Fällen für den Halter des Darlehens nicht vorteilhaft ist, eine Restrukturierung vorzunehmen.“
Keine Wunderlösung
Es gibt auch Ängste, daß Investoren, die Verluste aufgrund der Restrukturierung der Darlehenskonditionen hinnehmen mußten, und die nun verärgert darüber sind, daß die Spielregeln auf halbem Wege geändert wurden, dem Markt für verbriefte Immobiliendarlehen in der Zukunft den Rücken kehren könnten. Das könnte die Liquidität der Kreditgeber beeinträchtigen und zu höheren Darlehenszinsen führen. Ely betont, dass in den vergangenen Jahren ein enormes Volumen an ausländischem Kapital in den US-amerikanischen Immobilienmarkt geflossen ist und dadurch die Preise gestützt hat. Aber es ist überhaupt nicht klar, warum ein Wertpapierinvestor in Deutschland Verluste erleiden sollte, um irgendjemandem in Kalifornien zu helfen, der eine Immobilie nahezu ohne Eigenkapital erworben hat.
Trotz der genannten Risiken blieb dem Immobilienkreditsektor angesichts des steigenden politischen Drucks, eine Flutwelle von Zwangsvollstreckungen zu vermeiden, die mitten in der Wahlkampfsaison eingetreten wäre, kaum etwas anderes übrig, als dem Plan von höchster Regierungsebene zuzustimmen. Wenn die Zwangsvollstreckungen weiterhin stark zunehmen, dann besteht für den Kreditsektor das Risiko, dass der Kongress deutlich striktere aufsichtsrechtliche Auflagen erteilt. Derzeit liegt dem amerikanischen Kongress ein Gesetzentwurf vor, nach dem auch die Konditionen derjenigen Darlehen modifiziert werden könnten, die bereits als ausgefallen gelten, was auch die Abschreibung des Kreditsaldos bedeuten würde. Dieses Thema könnte an Fahrt gewinnen, wenn sich die Situation verschlechtert.
Paulson war klar, daß der Plan einige der schwierigsten Probleme des Immobilensektors nicht lösen würde, einschließlich des Rückgangs der Immobilienpreise in einigen Teilen des Landes. „Dieser Plan ist kein Allheilmittel“, so sagt er. Aber der für die Maßnahmen geplante Zeitraum von fünf Jahren gibt diesem Land die Möglichkeit, den Immobilienzyklus durchzustehen.“
Sasseen ist überregionale Korrespondentin der Busin
Ich bab`s ja gewußt! Warum hab ich nur nicht danach gehandelt?